Ex-Banker warnt: "Wir steuern in den nächsten Crash"

Interview mit Günter Grzega, Vorstandsvorsitzender des Institut für Gemeinwohlorientierte Politikberatung. Wien 15.02.2018.
Die Ungleichheit ist eine Bedrohung, Gemeinwohl-Ökonomie eine Lösung, sagt Günter Grzega im Interview.

Günter Grzega geht es gut. Der Deutsche ist pensionierter Bank-Chef und Millionär. Doch er ruht sich auch mit 70 Jahren nicht auf seinem Reichtum aus. Er kämpft für ein "anderes Wirtschaften", für eine Wirtschaft, die das Gemeinwohl ins Zentrum stellt. Warum er freiwillig mehr Steuern zahlen würde, erzählt er im Gespräch mit dem KURIER.

KURIER: Herr Grzega, wie kommt ein gut verdienender Banker auf die Idee, sich fürs Gemeinwohl einzusetzen?Günter Grzega: Als Chef der Sparda-Bank München war ich natürlich als Genossenschafter daran interessiert, für die Gesellschaft die Ideologie des "Shareholder Value", die die Aktionäre ins Zentrum stellt, in eine andere, für die breite Gesellschaft gute Idee zurückzuführen.

Sie traten auch dafür ein, dass Reiche mehr Steuern zahlen ...

Ja. Ich habe genug Geld, mehr als ich ausgeben kann. In Deutschland haben sich vor Jahren rund 60 Millionäre zusammengetan, die sagten, sie würden mehr Steuern zahlen, sie treten für die Erbschaftssteuer ein. Aber die Eliten waren nicht bereit dazu. Wir haben die Aktivitäten eingestellt.

Glauben Sie, dass die breite Masse die Idee der Erbschaftssteuer unterstützen würde?

Definitiv. Denn die Masse wäre gar nicht betroffen davon. Und wenn Sie den anderen sagen, das Geld geht in bessere Bildungseinrichtungen, in die Pflege, dann wären sie bereit, dafür Steuern zu zahlen. Steuern sind Gemeinwohlabgaben und keine Last. Wenn ich keinen Sozialstaat habe, brauche ich keinen Staat. Für Wirtschaft und Soziales aber schon.

Was genau kritisieren Sie am jetzigen Wirtschaftssystem?

Das kann sich schon rein mathematisch nicht ausgehen, wenn immer weniger Menschen immer mehr Vermögen besitzen. Wenn da politisch keine Bremse eingebaut wird, knallt es irgendwann. Wirtschaft ist ja nur möglich mit Massen-Kaufkraft. Wenn die Masse keine Kaufkraft hat, gehen alle Unternehmen zugrunde. Deswegen bin ich überzeugt, dass die Gemeinwohl-Ökonomie kommen wird. Aber erst nach dem nächsten Crash.

Nochmals so eine Krise wie 2008?

Ich erwarte, dass wir nochmals einen Crash brauchen, damit die Superreichen merken, der Weg führt in den Abgrund. Wenn wir nicht innerhalb der nächsten drei, vier Jahre an der Finanzbranche etwas ändern, kommt der Crash sowieso.

Gemeinwohl-Ökonomie statt Crash?

Das kann sein, möglicherweise aber kommt die Gemeinwohl-Ökonomie erst nach einer neuerlichen Krise. Die Wurzeln dafür aber sind schon jetzt gesetzt. Wir haben seit der Gründung dieser Bewegung 2010 durch Christian Felber in Österreich schon 2200 Unternehmen in Europa, die sich der Bewegung angeschlossen haben, und viele Gemeinden. Sogar die Stadt New York und einige Städte in Südamerika sind dabei, Gemeinwohl-Bilanzen zu erstellen.

Was bewirkt denn so eine Gemeinwohl-Bilanz? Geht es den Menschen dadurch besser?

Sie bewirkt viel im Unternehmen. Eine Gemeinwohl-Bilanz ist nichts, was man so einfach schreibt. Da muss im Unternehmen eine neue Struktur aufgebaut werden. Da geht es um Menschenwürde, Transparenz, Mitbestimmung. Die Sparda-Bank hat 2011 die erste solche Bilanz erstellt. Damals waren die Mitarbeiter noch misstrauisch, was das bringen soll. Dann haben sie gemerkt, dass sie im Mittelpunkt stehen, dass die Bank nichts verheimlicht. Alle unsere Geschäfte stehen im Internet.

Was sagt die Politik dazu?

Einige sind dafür. Ich war ja im Senat der Wirtschaft in Deutschland vertreten. Aber meist werden Politiker, die das unterstützen, von den Medien abgestraft. Aber es wird der Druck von unten steigen, denn der Neoliberalismus spaltet die Gesellschaft immer stärker.

Neoliberalismus als Gefahr?

Der Neoliberalismus bedroht die gesamte Gesellschaft, sie driftet auseinander, in Arm und Reich. Es gibt inzwischen eine wirkliche Armut in Deutschland. 25 Prozent der Beschäftigten können ihre Mieten für normale Wohnungen nicht bezahlen. In München zu leben, kann man sich nicht einmal mit einem mittleren Einkommen mehr leisten.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Dass sie nicht mehr jene Unternehmen bevorzugt und mit Steuererleichterungen beschenkt, die ihre Gewinne in Steueroasen transferieren, die Mitarbeiter schlecht bezahlen und sich nicht um die Umwelt kümmern. Das Erstellen einer Gemeinwohl-Bilanz sollte verpflichtend werden. Alle, die bei so einer Bilanz, die auch auditiert werden müsste, null Punkte bekommen, sollten höhere Steuern zahlen müssen, jene mit vielen Punkten weniger.

Karriere

Der diplomierte Bankbetriebswirt war Vorstandsvorsitzender der Münchner Sparda-Bank, der größten Genossenschaftsbank Bayerns. Günter Grzega ist Gründungs-Aufsichtsrat des Projektes „Bank für Gemeinwohl“ in Wien.
Gemeinwohl-Ökonomie

Die Idee wurde 2010 vom Österreicher Christian Felber ins Leben gerufen. Sie basiert auf einem Wirtschaftssystem, das Menschenwürde, Transparenz, Umweltschutz in den Mittelpunkt stellt. In einer Gemeinwohl-Bilanz wird das öffentlich sichtbar.

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