Euro-Spitzenbeamter: In Hirn statt in Beton investieren
Österreich versenkt zu viel Geld in Beton oder Tunnellöchern, statt in graue Zellen zu investieren, kritisiert Thomas Wieser, Präsident der Euro-Arbeitsgruppe. Der Österreicher ist jener Mann, der Griechenland und Co. die Reformvorgaben diktiert. Und er sieht auch in Österreich dringend Handlungsbedarf.
Für 2015 prognostiziert die Nationalbank nur magere 0,7 Prozent Wirtschaftswachstum. Laut IWF bleibt Österreich bis 2020 Jahr für Jahr hinter dem Durchschnitt der Eurozone zurück. Woher kommt dieses Schwächeln?
Voriges Jahrhundert
Österreich habe bisher stark vom Bevölkerungswachstum profitiert. Deshalb gebe es aus Sicht des Arbeitsmarktes und der Demografie gute Gründe, die Flüchtlinge willkommen zu heißen. Zumal: "Die aktuelle Zuwanderungswelle ist die am besten ausgebildete, die wir je erlebt haben." Eine rasche Integration und Ausschöpfung der Fähigkeiten von Migranten könnte das Wachstum wahrnehmbar steigern.
Allerdings stecke Österreichs Bildungssystem im 20. Jahrhundert: Es ermutigt nicht zu Innovation. "Die Kinder sind es nicht, die sich vor der Digitalisierung fürchten. Das muss wer anderer im Klassenzimmer sein", sagt Wieser. An der sozialen Eingliederung scheitere das Bildungswesen völlig – keineswegs nur bei Migrantenkindern.
Wachstumsbremsen
Die Staatsausgaben sind zu wenig auf die Zukunft gerichtet: In Österreich ziele nur ein Viertel auf Wachstum ab. Höheres Pensionsalter, Bürokratieabbau, Bereinigung fauler Kredite: Die Skandinavier seien da viel reformfreudiger – auch weil die Regierungen eine "Story" bieten, wo das Land in zehn Jahren sein soll.
Lähmt der Kammerstaat Österreich? Die Erfolge der Sozialpartnerschaft seien nicht von ungefähr vor den 1980ern geschrieben worden, sagt Wieser: Das zeitraubende Ausverhandeln von Kompromissen habe damals Stabilität gebracht. Heute sei die Wirtschaft schnelllebiger – die Sozialpartner liefen Gefahr, Reform- und Wachstumsbremsen zu werden.
Kommentare