EU will Steuermodelle à la Ronaldo vorab erfahren

Die EU-Kommission verlangt, dass Berater strittige Konstrukte vorab beim Fiskus anmelden.

Einen Seitenhieb auf Fußballstar Cristiano Ronaldo konnte sich EU-Kommissar Pierre Moscovici nicht verkneifen: Der jüngste Vorschlag gegen Steuervermeidung ziele neben Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Anwälten und Bankern auch auf "Agenten von Fußballspielern" ab, sagte der Franzose am Mittwoch.

Die Kommission will solche Finanzintermediäre verpflichten, "potenziell aggressive" Modelle zur Senkung der Steuerlast vorab den Behörden zu melden. Und zwar spätestens fünf Tage, nachdem die Beratung stattgefunden hat. Die EU-Staaten sollen diese Informationen untereinander quartalsweise über eine Datenbank teilen. Wie Verstöße gegen die Meldepflicht sanktioniert würden, müsste jeder Staat selbst entscheiden (Factsheet der Kommission, PDF 3 Seiten, englisch).

In der Beraterbranche sorgt der Vorschlag – wie im KURIER berichtet – für riesige Verunsicherung. Denn was zulässig ist und was nicht, ist alles andere als eindeutig. "Aggressive Steuerplanung" ist ein schwammiger Begriff.

"Schwarze Schafe"

Der Vorschlag der EU-Kommission ist zudem extrem breit angelegt: Er soll alle Arten direkter Steuern (Einkommens-, Unternehmens-, Erbschafts- sowie Kapitalertragssteuern) umfassen, sobald die Konstruktion auf grenzüberschreitende Steuerersparnis abzielt. Unterliegt der Intermediär einer Schweigepflicht oder stammt er aus einem Nicht-EU-Staat, müsste der Steuerpflichtige selbst die Meldung machen.

Moscovici sagte, man wolle nicht einen ganzen Berufszweig an den Pranger stellen, sondern schwarze Schafe erwischen. Und es soll abschreckend auf jene wirken, die aus Schlupflöchern lukrative Geschäftsmodelle zimmern.

EU will Steuermodelle à la Ronaldo vorab erfahren
CORRECTION - A demonstrator dressed as a businessman protests against tax avoidance at a "tropical 'tax' haven" in central London on May 12, 2016, near the venue of the Anti-Corruption Summit London 2016. British Prime Minister David Cameron kicked off a global anti-corruption summit on Thursday with a plan to stop the flow of dirty money into London property, but faces calls to do more to open up Britain's overseas tax havens. Cameron is pushing for new international commitments on tackling corruption from almost 50 nations and overseas territories attending the summit, including the leaders of Nigeria and Afghanistan, and US Secretary of State John Kerry. / AFP PHOTO / JUSTIN TALLIS / ÒThe erroneous mention[s] appearing in the metadata of this photo by JUSTIN TALLIS has been modified in AFP systems in the following manner: [May 12, 2016] instead of [May 5, 2016]. Please immediately remove the erroneous mention[s] from all your online services and delete it (them) from your servers. If you have been authorized by AFP to distribute it (them) to third parties, please ensure that the same actions are carried out by them. Failure to promptly comply with these instructions will entail liability on your part for any continued or post notification usage. Therefore we thank you very much for all your attention and prompt action. We are sorry for the inconvenience this notification may cause and remain at your disposal for any further information you may require.Ó
Laut Schätzungen entgingen den EU-Staaten 50 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr. Einige Staaten hätten schon ähnliche Vorschriften eingeführt – etwa das Vereinigte Königreich, Irland oder Portugal. Dem britischen Fiskus habe das über zehn Jahre 12 Mrd. Pfund (13,6 Mrd. Euro) Steuern gebracht.

Gelten soll die Richtlinie ab Jänner 2019, dazu müssten sich aber nach einer Anhörung des Europäischen Parlaments noch die Mitgliedstaaten einigen. Die ersten Urteile der Abgeordneten fielen gemischt aus. "Die Vermittler werden kaum in Scharen zu den Finanzämtern laufen, um auf fragwürdige Steuerkonstruktionen hinzuweisen, die sie selbst geschaffen haben", sagte der deutsche Finanzexperte Markus Ferber (CSU). Seinem Landsmann Sven Giegold (Grüne) kann es indes nicht rasch genug gehen.

Evelyn Regner, Sprecherin der Europa-SPÖ, begrüßt den Vorschlag der Kommission, er geht ihr aber noch zu wenig weit. Sie will, dass alle EU-Bürger vollen Einblick in die Steuerdeals erhalten und die Intermediäre für entgangene Steuern haftbar gemacht werden.

EU-Steueroasen-Liste

Bei einem anderen Vorhaben, der EU-weit einheitlichen Liste verpönter Steueroasen, versprach Moscovici Ergebnisse bis Ende 2017. Dass es solche mit Irland & Co in der EU selbst gebe, wies er zurück: "Wenn man darunter versteht, dass ein Land die globalen Standards nicht einhält, dann gibt es in der EU kein Steuerparadies mehr." Die Juncker-Kommission habe in zweieinhalb Jahren mehr gegen Steuerflucht unternommen, als in 20 Jahren davor passiert sei.

Wer hätte das gedacht? Es soll tatsächlich Steuerberater geben, die ihren Kunden beim Steuersparen helfen! Offenkundig gilt das in der aufgeheizten Debatte bereits als unmoralisch, anders ist der jüngste EU-Vorschlag nicht zu erklären. Der klingt großartig, ist im Kampf gegen illegale Steuervermeidung aber untauglich. Oder, kerniger formuliert: ein populistischer Vollholler.

Warum? EU-Kommissar Pierre Moscovici erwähnte die Panama Papers. Einen Anwalt der Skandalfirma Mossack Fonseca hätte eine EU-Meldepflicht wohl herzlich wenig gejuckt. „Das haben wir berücksichtigt, dann ist der Kunde meldepflichtig“, konterte Moscovici. Aha. Ein EU-Bürger oder eine Firma, die Anwälte in einer Steueroase kontaktiert, um Steuern zu hinterziehen, soll das melden? So naiv kann doch niemand sein!

Dafür müssten Steuerberater künftig jede „potenziell aggressive Steuerplanung“ melden – ein Riesen-Graubereich zwischen legal und illegal, den nur leider niemand klar eingrenzen kann. Fazit: Einmal mehr werden die karniefelt und kriminalisiert, die eh alles richtig machen wollen. Die Gauner erwischt man so nicht.

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