EU-Staaten bei Preisdeckel für russisches Öl auf 60 US-Dollar einig
Die EU-Staaten haben sich auf die Höhe eines Preisdeckels für russisches Öl geeinigt. Sie wollen Russland gemeinsam mit internationalen Partnern dazu zwingen, Erdöl von Montag an für zunächst höchstens 60 US-Dollar (etwa 57 Euro) pro Barrel (159 Liter) an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Eine entsprechende Absprache trafen Regierungsvertreter nach langen Verhandlungen in Brüssel, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur am Freitag bestätigten.
Um die Preisobergrenze durchzusetzen, soll geregelt werden, dass für russische Ölexporte wichtige Dienstleistungen künftig nur noch dann ungestraft geleistet werden dürfen, wenn der Preis des exportierten Öls die Preisobergrenze nicht überschreitet. Westliche Reedereien könnten mit ihren Schiffen damit weiterhin russisches Öl in Drittstaaten wie Indien transportieren. Auch soll die Regelung für andere wichtige Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste gelten.
Die Hoffnung ist, dass die Preisobergrenze zu einer Entspannung an den Energiemärkten führt und Drittländer entlastet. Zudem soll damit auch dafür gesorgt werden, dass Russland nicht mehr von Preisanstiegen für Öl profitiert und damit seine Kriegskasse füllen kann.
Um auf Marktentwicklungen reagieren zu können, sehen die Pläne vor, die Preisobergrenze etwa alle zwei Monate zu überprüfen. Sie soll immer um mindestens fünf Prozent unter einem vom der Internationalen Energieagentur (IEA) ermittelten Durchschnittspreis liegen.
Die Preisobergrenze soll das bereits im Juni von der EU beschlossene Öl-Embargo gegen Russland ergänzen. Dieses sieht unter anderem vor, den Erwerb, die Einfuhr oder die Weiterleitung von Rohöl und bestimmten Erdölerzeugnissen aus Russland in die EU zu verbieten. Die Beschränkungen gelten ab dem 5. Dezember für Rohöl und ab dem 5. Februar 2023 für andere Erdölerzeugnisse. Es gibt allerdings einige Ausnahmeregelungen zum Beispiel für Ungarn.
Anpassungsmechanismus
Nach längerem Zögern hat Polen dem von der Europäischen Union angestrebten Preisdeckel auf russisches Öl in Höhe von 60 Dollar pro Barrel zugestimmt. Zudem sei ein Anpassungsmechanismus vorgesehen, der die Grenze bei mindestens fünf Prozent unter dem Marktpreis hält, sollte ein Fass Öl günstiger als 60 Dollar werden, teilte Polens EU-Botschafter Andrzej Sados am Freitag mit. Sein Land hatte für einen möglichst großen Abschlag auf den Marktpreis argumentiert, um Russland die Finanzierung des Krieges gegen die Ukraine zu erschweren. Mit der Zustimmung Polens können die EU-Staaten nun über das Wochenende den Preisdeckel, der für über den Seeweg transportiertes russisches Öl gelten soll, formell unter Dach und Fach bringen.
Reaktionen
Aus Moskau kam Kritik. Mit dem Preisdeckel für russisches Erdöl gefährde die Europäische Union nach Meinung des prominenten russischen Außenpolitikers und Duma-Abgeordneten Leonid Sluzki ihre Energiesicherheit. Daneben verstoße die EU auch gegen die Marktgesetze, wie die Staatsagentur Tass am Freitag über die Reaktion Sluzkis berichtete. "Die EU gefährdet ihre eigene Energiesicherheit. Sie haben keinen Deckel eingeführt, sondern wieder den Boden durchbrochen." Und dies alles, um "die Ambitionen von Übersee-Partnern zu befriedigen", sagte Sluzki mit Blick auf die USA. "Doch von dort können die Europäer keine Hilfe erwarten." Sluzki leitet in der Staatsduma den Auswärtigen Ausschuss.
Die US-Regierung begrüßte die Einigung der EU auf einen Preisdeckel für russisches Öl. "Das ist eine gute Nachricht", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Freitag. US-Präsident Joe Biden habe sich beim G7-Gipfel im Sommer sehr nachdrücklich dafür eingesetzt. "Wir glauben, dass die Preisobergrenze die gewünschte Wirkung haben wird, indem sie die Möglichkeiten von Herrn Putin einschränkt, aus den Ölverkäufen Profit zu schlagen und seine Fähigkeit einschränkt, dieses Geld weiterhin zur Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie zu verwenden", sagte Kirby mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Krieg gegen die Ukraine. "Wir halten den Preis von 60 Dollar pro Barrel für angemessen und glauben, dass er diese Wirkung haben wird", sagte Kirby. Es gebe außerdem die Möglichkeit, diesen Wert in Zukunft noch anzupassen.
Estlands Regierungschefin Kaja Kallas hat den Preisdeckel für russisches Öl von 60 US-Dollar pro Barrell als den derzeit bestmöglichen Kompromiss bezeichnet. "Es ist kein Geheimnis, dass wir den Preis niedriger haben wollten", teilte sie am Freitag nach der Einigung der EU-Staaten mit. "Jeder Dollar zählt."
Niedrige Preise bedeuteten weniger Einnahmen für Russland, um den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. "Unsere Experten schätzen, dass ein Preis zwischen 30 und 40 Dollar Russland erheblich schaden würde", hieß es in einer Mitteilung der Staatskanzlei in Tallinn.
Vereinbarte Bedingung sei auch, dass die Preisobergrenze mindestens fünf Prozent unter dem durchschnittlichen Marktpreis für Öl liegen soll. "Wir werden die erste Überprüfung bereits Mitte Jänner haben", sagte die Regierungschefin des baltischen EU- und Nato-Landes.
Estland grenzt an Russland und betrachtet den Angriffskrieg gegen die Ukraine als direkte Gefahr für seine Sicherheit. Gemeinsam mit ihren baltischen Partnern Lettland und Litauen dringt die Regierung in Tallinn immer wieder auf ein härteres Vorgehen des Westens gegen Russland.
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