Preisdeckel für russisches Öl: Kann die EU damit den Krieg beenden?

Die EU beschließt einen Preisdeckel für russisches Öl: Nach den Vorstellungen von Kommission und Mitgliedsstaaten soll Russland künftig maximal 60 Dollar pro Barrel Öl erhalten. Bis zuletzt war die Obergrenze umstritten. Kann sie den Krieg beenden?
Was kann der Öl-Preisdeckel?
Die EU plant eine Preisobergrenze von 60 Dollar (57,8 Euro) pro Fass für russisches Öl. Künftig dürfen dann die in diesem Segment marktbeherrschenden europäischen und britischen Versicherungsgesellschaften keine Leistungen mehr für Öltanker übernehmen, die russisches Öl, das über dem festgelegten Maximalpreis verkauft wurde, transportieren. Schätzungsweise werden 70 bis 85 Prozent der russischen Rohölexporte über den Seeweg transportiert; derzeit verschiffen griechische Tanker die Hälfte des auf dem Seeweg exportierten russischen Öls, wie aus Daten des Institute of International Finance hervorgeht. Zudem soll mit einem Anpassungsmechanismus die Obergrenze von Rohöl immer bei fünf Prozent unter dem Marktpreis gehalten werden.
Was soll der Deckel bewirken?
Ziel ist es einerseits, Russlands Einnahmen mit dem Verkauf von Öl und damit die Finanzierung Putins Krieges in der Ukraine zu schmälern. Öl ist der wichtigste Exportartikel des Landes und wesentlich für den russischen Staatshaushalt. Andererseits will man sicherstellen, dass weiter russisches Öl auf dem Weltmarkt gehandelt wird, damit das weltweite Öl-Angebot bestehen bleibt und eine Knappheit die Preise nicht steigen lässt. Zuletzt hatten Länder des globalen Südens der EU vorgeworfen, Öl mit ihren Russlandsanktionen zu verteuern.
Warum kommt der Preisdeckel jetzt?
Der Preisdeckel ergänzt das Öl-Embargo, das die EU-Staaten bereits im Mai beschlossen hatten und am Montag in Kraft treten wird: Ab dann wird kein Öl mehr über den Seeweg in die EU gebracht. Ausgenommen vom Embargo ist das Pipeline-Öl, das nach Europa fließt. Darauf hatten Ungarn und die Slowakei gedrängt. Deutschland aber hat zum Beispiel erklärt, ab 2023 auch auf diesem Weg kein russisches Öl mehr abnehmen zu wollen.
Ohne einen Preisdeckel, so Ökonomen, hätte das EU-Embargo den Weltmarktpreis für Öl in die Höhe getrieben und damit auch Russlands Umsätze. Zwar hätte das Land weniger Öl verkaufen können, der Preis pro Barrel wäre aber deutlich gestiegen.
Ist der Preisdeckel von 60 Dollar ausreichend?
Die Höhe des Preisdeckels ist umstritten: Einige Staaten, darunter Polen, Litauen und Estland, wollten einen sehr viel niedrigeren Deckel. Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij forderte einen niedrigeren Höchstpreis von zwischen 30 und 40 Dollar pro Fass. Experten sind sich uneins: Die einen schätzen die Produktionskosten für russisches Öl auf rund 20 bis 30 Dollar; wenn dem so wäre, würden russische Produzenten also trotz Preisdeckel weiterhin gut verdienen. Der deutschen Welt zufolge ist der russische Staatshaushalt auf einen Ölpreis von 50 bis 60 Dollar pro Fass ausgelegt. Ein Preis darunter würde für die russische Wirtschaft einen massiven Schock bedeuten. Aus dieser Sicht ist der 60-Dollar-Deckel also eine Art Warnschuss.
Der europäische Referenzpreis Brent notiert derzeit bei knapp 82 Dollar pro Fass.

Moskau: Das Hauptgebäude des russischen Öl-Produzenten Transneft.
Betrifft der Deckel nur die EU?
Nein. Die Idee kam von den G7-Nationen Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. Mit dem Ölpreisdeckel reagieren die Europäer auch auf internationalen Druck: Vor allem die USA waren gegen das harte Öl-Embargo der EU; man befürchtete als Folge Knappheit, in die Höhe schnellende Preise auf der ganzen Welt und höhere Umsätze für Russland. Die G7-Staaten und Australien hatten angekündigt, den Gaspreisdeckel ebenfalls umsetzen zu wollen.
Und was sagt Russland dazu?
Der Kreml hat sich noch nicht dazu geäußert. Das Öl, das früher in die EU ging, wurde laut der Nachrichtenagentur Bloomberg zu etwa drei Viertel von anderen Staaten gekauft. Die größten neuen Abnehmer sind China, Indien und die Türkei. Mittlerweile gehen mehr als zwei Drittel der russischen Ölexporte nach Asien. Sollten diese Länder sowie Russland selbst es schaffen, die europäischen und britischen Versicherungsgesellschaften in diesem Bereich zu ersetzen, würde der Preisdeckel nur wenig Wirkung zeigen. Große Ölimporteure wie Indien dürften zumindest in der Anfangszeit nicht genügend Tanker und Versicherer finden, die Rohöltransporte abwickeln, so Experten.
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