EU-Gipfel: Merkel zittert, Monti warnt

EU-Gipfel: Merkel zittert, Monti warnt
Die Anspannung ist groß vor dem EU-Treffen in Brüssel: Angela Merkel zeigt sich stur, Italiens Monti warnt gar vor einer "Katastrophe".

Für die nächsten Stunden sind Gewitter angesagt – also alle Fenster zu und Regenschirm raus. Das ist die rasche Lösung. Doch für die Wetterlage in zwei, drei Jahren ist es enorm schwer, sich jetzt schon vorzubereiten: Genau das ist das Dilemma, in dem EU und Eurozone stecken.

Ganz kurzfristige Aktionen sind nötig, um etwa den Banken in Spanien und Zypern aus der ärgsten Not zu helfen. Das passiert auch. Wie allerdings vorgehen, um langfristig die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, ohne die Wirtschaft abzuwürgen? Wie viel finanzielle Solidarität ist nötig, um ein Überleben der Gemeinschaftswährung zu sichern?

In diesen Tagen steht "nicht nur die Zukunft des Euro auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft Europas", warnt Charles Dallara, Chef des Weltbankenverbandes. Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag sei vielleicht der wichtigste seit Gründung der EU. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy fordert eindringlich ein "klares und konkretes Signal" der Europäer.

Den Staats- und Regierungschefs ist das sehr wohl bewusst. Über die richtige Strategie wird allerdings heftig gestritten. Deutschland bleibt eisern: Eine gemeinsame Verschuldung aller Euroländer werde es nicht geben (siehe unten).

Fix ist für diesen "historischen" Gipfel: Die EU-Granden werden ein Wachstumspaket für Europa beschließen. Und: Sie müssen den Weg zu engerer Zusammenarbeit in Europa weisen.

Schon am Vortag des EU-Gipfel war aber klar: Einstimmigkeit aller 27 EU-Staaten wird es nicht geben. Tschechiens Premier Petr Necas kündigte an, seine Regierung werde einer Bankenunion nicht zustimmen. Ebenso lehnen Tschechen und Briten die Finanztrans­aktionssteuer ab.

"Katastrophe"

Wenige Stunden vor Beginn des Gipfels hat der italienische Ministerpräsident Mario Monti zudem vor einer möglichen "Katastrophe" für die EU gewarnt, sollte es bei dem Treffen zu keiner Einigung kommen. Wenn die Italiener entmutigt würden, könnte das "politische Kräfte" freisetzen, die die europäische Integration und den Euro "zur Hölle fahren lassen" würden, sagte Monti bei seiner Ankunft in Brüssel am Mittwochabend. Italien habe große Opfer gebracht und die Schulden unter Kontrolle bekommen, so der Premier.

Dennoch stiegen die Zinsen für italienische Staatsanleihen am Mittwoch auf den höchsten Wert seit Dezember. Zuvor hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung eine Vergemeinschaftung von Schulden ausgeschlossen und sich für harte Verhandlungen bei dem Gipfeltreffen ausgesprochen.

Großer Wurf gegen großen Krach

EU-Gipfel: Merkel zittert, Monti warnt

Zur Vorbereitung des EU-Gipfels sind gestern Europa-Abgeordnete nach Wien angereist: Othmar Karas (ÖVP), Andreas Mölzer (FPÖ) und Ewald Stadler (BZÖ) nahmen an der Sitzung des EU-Hauptausschusses teil. "Europa wird zerfallen, der große Krach kommt", donnerte Stadler in gewohnter Lautstärke. Da könnten noch so viele "Gipfel, Super-Gipfel und Hypergipfel" abgehalten werden. "Jetzt sag’ endlich, was du eigentlich willst", fuhr ihm der Grüne Werner Kogler in die Parade. Stadler: "Ich will, dass ihr Grünen nicht den Steigbügelhalter für die Regierung spielt, sondern eine Volksabstimmung über den Rettungsschirm herbeiführt. Sonst braucht ihr gar nicht mehr über die direkte Demokratie reden." Zustimmung aus dem FPÖ-Eck.

Damit waren die Fronten abgesteckt. Hie Blau und Orange, die einen "Nord-Euro" und Volksabstimmungen fordern, da die Regierungsfraktionen SPÖ und ÖVP sowie die Grünen, die in einer Stärkung Europas den Ausweg aus der Krise sehen. "Einen großen Wurf" erwartet Vizekanzler Michael Spindelegger für die EU. "Erstmals geht es bei diesem Gipfel nicht mehr nur um kurzfristige Krisenbewältigung, sondern um Fortentwicklung der EU", lobte Spindelegger.

Kanzler Werner Faymann sagte den Abgeordneten, die Regierung dränge in Brüssel auf die ehebaldige Einsetzung eines Konvents für eine große Vertragsänderung. Bis es so weit sei – der Prozess dauert Jahre –, werde es viele Zwischenschritte geben in Richtung Banken- und Fiskalunion. Die Regierung bekennt sich dazu, Kompetenzen an Brüssel abzugeben, um die Finanz- und Wirtschaftspolitik in der gemeinsamen Währungszone abzustimmen. Die Kontrolle der Staatshaushalte durch die EU sei eine Bedingung.

Martin Bartenstein (ÖVP) entgegnete den Blauen, die gestern zu einer Anti-Rettungsschirm-Demo aufriefen: "Ein Scheitern des Euro birgt größere Risken als ein Erhalt des Euro."

"Keine Eurobonds, so lange ich lebe"

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Von den vielen Regierungserklärungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in den letzten zwei Jahren zur Euro-Krise war jene am Mittwoch die unverblümteste. Sie war fast so direkt wie ihr Versprechen vor der FDP-Fraktion am Vortag: "Es wird keine Eurobonds geben, so lange ich lebe." Deren Reaktion: "Wir wünschen Ihnen ein langes Leben."

Vor dem Bundestag erteilte Merkel allen Angriffen auf die deutsche Geldtasche eine vorauseilende Abfuhr: "Es gibt keinen Befreiungsschlag." Die Eurokrise sei eine Krise der "Wettbewerbsfähigkeit der Südländer, der Strukturfehler der EU-Verträge und der Staatsschulden." Es müsse endlich der Teufelskreis von "Schuldenmachen und Regelverstößen durchbrochen werden", so die Kanzlerin. Sie verlange "Sparen nicht um des Sparens willen, sondern um wieder Handlungsspielraum zurückzugewinnen".

Auch "auf diesem Gipfel wird viel zu viel von gemeinschaftlichen Haftungen geredet werden und viel zu wenig über Strukturänderungen. Kontrolle und Haftung müssen aber Hand in Hand gehen", forderte die Kanzlerin. Die EU brauche ein Durchgriffsrecht.

Sie erwarte "eine kontroverse Diskussion", sagte Merkel energischer als je zuvor und warnte: "Auch Deutschlands Kräfte sind nicht unendlich, wir werden nicht zulassen, dass es überfordert wird."

Eurobonds, also Gemeinschaftsanleihen aller Euro-Länder zur Senkung der Zinsen auf deutsche Kosten durch deutsche Mithaftung, wären "die Wiederholung alter Fehler, eine Scheinlösung, anstatt die Ursachen der Krise zu bekämpfen".

Härte ist angesagt

Damit stimmt Merkel die Euro-Partner darauf ein, dass Deutschlands Konzessionen auf die von den EU-Oberen vorgelegten Reformpläne gering sein werden.

Zwar begrüßt Merkel eine EU-weite, zentralisierte und wahrscheinlich bei der EZB angesiedelte Bankenkontrolle. Sie lehnt aber die Verwendung des deutschen Einlagensicherungsfonds für Banken in Krisenländern strikt ab. Da ist sie sich mit Bundesbank-Chef Jens Weidmann genauso einig wie mit den deutschen Banken. So forderte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon die Südländer auf, lieber ihre Banken zu verkleinern statt sie, wie in Spanien, zu fusionieren, um damit Rettungsaktionen zu erzwingen. Seine Sparkassen müssten wieder die Regionen bedienen, statt weiter national zu spekulieren. Bei einem gemeinsamen Einlagensicherungsfonds, so die Berliner Haltung, müsste jedenfalls Großbritannien mittun, und das gilt als kurzfristig unrealistisch.

Ein eisernes Nein kommt aus Berlin auch zu dem unter Frankreichs Führung erwarteten Versuch, die durch Immobilienspekulationen und nationale Defizitfinanzierung wankenden Banken der Krisenländer direkt aus dem neuen Rettungsschirm ESM abzusichern. Das könnten nur deren Mutterländer. Nur die könnten dafür zu Strukturreformen verpflichtet werden.

Auch das Drängen auf einen Altschuldentilgungsfonds zulasten Deutschlands und der solideren Länder, den auch die deutschen Grünen verlangen, ist nach dieser Rede Merkels im Bundestag aussichtslos.

Damit zeichnet sich ab, dass sie bis zur Bundestagswahl im Herbst 2013 den Südländern unter Führung Frankreichs und der mit ihnen sympathisierenden eigenen Opposition keine substanziellen Zugeständnisse mehr machen will. Die Opposition hingegen verhöhnt Merkel wegen ihrer vielen Umfaller bisher und macht sie für die Krise sogar hauptverantwortlich.

Freundlich war der Ton gleichwohl beim ersten Besuch der Kanzlerin am Abend bei Präsident Hollande in Paris. Nach dem Abendessen unter vier Augen ließen sie allerdings nicht mehr verlauten, als dass sie sich in manchen Punkten näher gekommen seien. Wo und auf welche Kosten wird wohl erst am Donnerstag in Brüssel etwas klarer werden.

 

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