Streit unter EU-Energieministern: Keinem passt der Gaspreisdeckel
Keine Einigung bei der Suche nach einem niedrigerem Gaspreis: Deutschland stellt sich quer, Preisdeckel-Fans wie Italien blockieren wiederum andere Lösungen
Alle haben eigentlich das gleiche Ziel: Die hohen Gaspreise in Europa müssen sinken. Aber wie das geschehen soll, darüber gerieten die 27 EU-Energieminister gestern in Brüssel einander zum wiederholten Mal in die Haare.
Eine Mehrheit von 15 der 27 EU-Staaten dringt auf einen europäischen Gaspreisdeckel. Der würde zunächst nicht Endverbraucher betreffen, sondern nur Großkunden. Jüngster Vorschlag, der am Dienstag unter viel Streit verhandelt wurde: 220 Euro soll die Megawattstunde Gas maximal kosten dürfen – und die Preisdifferenz zu Flüssiggas (LNG) maximal 35 Euro betragen.
Derzeit liegt der Preis bei einer Megawattstunde Gas an der Rotterdamer Gasbörse TTF bei rund 140 Euro. Der Preisdeckel in dieser Form wäre also dazu gedacht, extreme Preisspitzen wie im vergangenen Sommer abzufangen. Die Gaspreise generell würde so ein Deckel nicht senken können.
Das ist den Anhängern eines Deckels – allen voran Italien, Griechenland und Polen – viel zu wenig. Ein „Deckelchen“ erachtet man als völlig wirkungslos.
Auf der anderen Seite aber ist das Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Österreich wiederum viel zu viel. Besonders Deutschland legt sich quer. „Wenn wir einen Deckel einsetzen“, gibt ein EU-Diplomat zu bedenken, „wer wird dann kommen und uns all das Gas vor der Nase wegschnappen, das wir brauchen?“ Versorgungsengpässe werden befürchtet, bis hin zu Blackouts als Folge mangelnder Gaskapazitäten.
Auch Österreich schließt sich dieser Sorge an. Doch Energie- und Umweltministerin Leonore Gewessler ärgert sich auch: „Andere Maßnahmen, von denen wir wissen, dass sie Preise senken, werden hier in Geiselhaft genommen.“
Denn weil sich Deutschland mit Händen und Füßen gegen einen Gaspreisdeckel wehrt, blockieren die anderen EU-Staaten wiederum bei weiteren Vorhaben.
„Geiselhaft“
So aber blieben am Dienstag erneut alle weiteren Beschlüsse blockiert – etwa die schnellere Genehmigung für erneuerbare Energieträger. Auch der gemeinsame Einkauf von Gas kommt nicht voran: Beim Wiederauffüllen der europäischen Gasspeicher wollte man zunächst die gesamten ersten 15 Prozent gemeinsam einkaufen. Das soll verhindern, dass die einzelnen EU-Staaten die Preise hochtreiben – wie zuletzt Deutschland. Dessen panische Einkäufe im Sommer hatten die Preise auf irrwitzige 340 Euro pro Megawattstunde hoch schießen lassen. Und auch der Beschluss der EU-Staaten, einandern im Krisenfall solidarisch mit Gas auszuhelfen, bleibt einstweilen illusorisch.
Nach stundenlangen Diskussionen kamen die EU-Energieminister so auch gestern auf keinen gemeinsamen grünen Zweig. Damit wandert der Streit zum EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag.
Zünglein an der Waage
Russisches Gas
Im Februar importierte Österreich noch 80 Prozent seines Gases aus Russland. Seit dem Krieg in der Ukraine wurde dieser Anteil massiv reduziert. Im Oktober betrug er nur noch 23 Prozent
Gasverbrauch
Im Oktober war er im Jahresvergleich in Österreich um 26 Prozent niedriger
140 Euro
betrug der Preis für eine Megawattstunde Gas am Dienstag an der Rotterdamer Gasbörse TTF. Am höchsten war er Ende August mit rund 340 Euro
Letzten Endes hängt die Entscheidung, ob es einen Gaspreisdeckel geben wird, an Frankreich: Stimmt Paris dafür, ist die nötige Mehrheit in der EU gegeben – Deutschland und Österreich könnten es nicht verhindern. Bisher hat sich Frankreich bedeckt gehalten, scheint nun aber langsam in Richtung Preisdeckel zu gehen. Österreich hat sich für diesen Fall ausbedungen: Kommt der Preisdeckel und droht plötzlich akute Versorgungssicherheit, kann im Notfall der Deckel auch wieder gehoben werden.
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