EU droht sich durch Sanktionen zu isolieren

Sergey Cheremin, Moskaus Wirtschaftsminister in Wien
Moskaus Wirtschaftsminister über die künstliche Trennlinie zu Europa und die neue Investitionsoffensive der Stadt.

Die Städte Wien und Moskau hegen seit Jahrzehnten gute Beziehungen. Beim Österreich-Russischen Geschäftsrat, der vergangene Woche in der Wirtschaftskammer in Wien heimische Firmen mit Vertretern der russischen Hauptstadt zusammenbrachte, wurden Investitionschancen erörtert. Sergey Cheremin, Wirtschaftsminister der Stadt Moskau, sieht gute Chancen für österreichische Bau-, Energie- und Verkehrs-Unternehmen.

KURIER: Die russische Wirtschaft ist wegen der EU-Sanktionen und dem Ölpreisverfall in der Krise. Kann sich die Stadt Infrastruktur-Investitionen leisten?

Sergey Cheremin: Moskau hat ein stabiles Budget, wir haben kein Defizit. Und wir sind die am dynamischsten wachsende Stadt der Welt. Laut PriceWaterhouseCoopers haben wir sogar Peking überholt. Wir wollen die Stadt modernisieren, wir errichten Gewerbezonen, bauen die U-Bahn aus, errichten neue Wohnungen und stärken öffentliche Verkehrsprojekte.

Sind dabei auch österreichische Investoren willkommen?

Ja. Moskau ist eine Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole mit großem Investitionspotenzial. Österreichische Firmen haben schon 3,5 Milliarden Euro in der Stadt investiert. Rund 1000 Unternehmen aus Österreich sind in Moskau präsent, Österreich ist unser neuntwichtigster Investor – vor allem im Bereich Energie, Wasserwirtschaft und Immobilien.

Wie sicher sind Investitionen in Moskau? Politische Eingriffe in die Wirtschaft sind in Russland nicht unüblich, wie die Verhaftung von Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew zeigt...

Diese Verhaftung hat mit Unternehmen in der Stadt Moskau gar nichts zu tun. Sie ist ein Einzelfall und wirkt sich nicht auf das Investitionsklima aus.

Was sich aber sicher auswirkt, sind die EU-Sanktionen. Wie kommt die Stadt damit zurecht?

Die Sanktionen bringen für die Europäische Union und für Russland Verluste. Der Handelsumsatz mit der EU ist seit 2013 um 50 bis 60 Prozent gesunken. Die Lücken, die EU-Firmen in der Stadt hinterlassen haben, wurden aber rasch von chinesischen oder koreanischen Unternehmen gefüllt.

Haben die Sanktionen einen Mangel an Waren in Moskau gebracht?

Nein. Unsere Regale sind bestens gefüllt. Ich war zum Beispiel gestern in einem kleinen Einkaufszentrum nahe meines Hotels in Wien und habe festgestellt, dass es schlechter sortiert ist, als die Shopping Center bei uns. Natürlich waren früher 50 bis 60 Prozent der Waren bei uns aus dem Ausland, jetzt ist 80 Prozent des Angebots aus Russland. Wenn Sie den kleinen Mann auf der Straße nach den Folgen der Sanktionen fragen, wird er antworten: Sanktionen, welche Sanktionen?

Das klingt ja fast so, als hätten die EU-Sanktionen positive Wirkung für Russland gehabt?

Am Anfang waren die Sanktionen eine kalte Dusche, Jobs gingen verloren. Aber dann waren wir gezwungen, eigene Ressourcen zu verwenden. Was für ausländische Investoren jetzt von Vorteil ist, sind die gesunkenen Preise. Durch die Abwertung des Rubel sind Mieten, Energie und Personalkosten gefallen. Das ist attraktiv für die Investoren und macht uns wettbewerbsfähiger.

Wie sehen Sie die Beziehungen zu den USA nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten?

Persönlich glaube ich, dass Trump sehr pragmatisch vorgehen wird. Er hat sich Russland gegenüber nicht aggressiv ausgesprochen. Für Europa aber könnte es zu einer kritischen Situation kommen. Wenn sich die Beziehungen zwischen den USA und Russland verbessern und die EU weiterhin an den Sanktionen festhält, droht sich Europa zu isolieren. Wir hoffen auf den Erhalt der europäische Partnerschaft.

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