Martin Graf, Vorstandsdirektor von Energie Steiermark, sprach mit dem KURIER über Strompreise, was Wasserstoff leisten kann und wo er die Probleme beim Erneuerbaren-Ausbau sieht.
KURIER: Manche Mitbewerber sind deutlich billiger als die Energie Steiermark. Warum kommen die gesunkenen Großhandelspreise nicht schneller bei den Haushalten an?
Martin Graf: Jene, die jetzt mit Billigangeboten auf den Markt gekommen sind, sind dieselben, die ihre Kunden im Regen stehen gelassen haben, wie die Preissteigerungen ausgebrochen sind. Die Landesenergieversorger haben sie dann aufgenommen. Wir kaufen über eine Frist von drei Jahren ein, das heißt wir haben einen langsameren Anstieg der Preise gehabt, dafür auch einen langsameren Abstieg. Auf Dauer gesehen werden die Erneuerbaren einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Preise nach unten zu bringen.
Dafür werden aber zunächst zusätzliche Mittel für Speicher und Netze gebraucht.
Ja, die Energiewende kostet und wird sichtbar sein.
Warum ist dabei der Netzausbau immer zu langsam?
Es wird extrem schnell ausgebaut. Wir haben aber Bereiche, wo es in der Vergangenheit wenig Bedarf gegeben hat. Jetzt haben wir die Situation, wo in der Steiermark schon bis April mehr PV-Anlagen ans Netz gekommen sind als im ganzen letzten Jahr, nämlich über 7.000. Und die haben wir in einem Verteilnetz, das als Einbahnsystem gebaut worden ist. Der Ausbau der PV geht viel schneller als der der Windparks oder der Wasserkraft und dadurch gibt’s ein gewisses zeitliches Mismatch zwischen dem Ausbau der Netze und der Erzeugungsanlagen.
Ist dieser kleinteilige Ausbau nicht wahnsinnig ineffizient?
Für den Eigenverbrauch ist es immer sinnvoll. Wir gehen von einem sehr zentralistischen Energiemodell in ein dezentrales. Damit man den Netzausbau vielleicht reduzieren kann, ist das Thema der Speicher eines der wichtigsten.
Wir haben unterschiedliche Aufgaben: Im Bereich der Tag-Nacht-Speicher sind Lithium-Ionen-Batterien State of the art. Die größere Herausforderung wird sein, den Sommer-Sonnenstrom in den Winter zu bringen, und da ist das Thema Wasserstoff eines der wichtigsten.
Also Wasserstoffelektrolyse mit Ökostrom. Wie viel Energie geht dabei verloren?
Der Wirkungsgrad liegt bei 60 Prozent.
Und in der Rückverstromung?
Verstromung ist nur eine der Möglichkeiten. Viel wichtiger ist die CO2-Einsparung in der Industrie. Wir haben beispielsweise in der Südsteiermark eine Anlage errichtet, wo der grüne Wasserstoff in einen Bergbaubetrieb gebracht wird.
Wenn zunächst Erdgas in der Industrie ersetzt werden soll, sind wir aber weit davon entfernt, Wasserstoff im Winter für Strom zu verwenden.
Ja, aber solange wir nicht hinreichend viel Wasserstoff haben, wird er zuerst in die Industrie gehen. Wenn Sie 90 Terawattstunden Gasverbrauch pro Jahr mit Strom ersetzen wollten, brauchen sie 100 Donaukraftwerke des Typs Freudenau oder 1.000 Murkraftwerke. Dass das nicht realistisch ist, liegt auf der Hand. Deswegen müssen wir die Dekarbonisierung auch mit anderen Technologien realisieren.
Wo soll der Wasserstoff herkommen?
Wir müssen in die Wasserstoffproduktion hinein und zusätzlich importieren.
Kritiker bezeichnen die Wasserstoffproduktion in Mitteleuropa als ineffizient.
Der Preis eines Kilos Wasserstoff ist im Wesentlichen eine Funktion des Strompreises. Es gibt ein Investment und dann das Betriebsmittel Elektrizität. Wenn wir Stromüberschüsse im Sommer haben – und je mehr wir in PV investieren, desto mehr wird das sein – können wir diese kostengünstige Energie nutzen. Das ist auch eine Frage der Resilienz und Importunabhängigkeit.
Erreichen Sie Ihre Erneuerbaren-Ausbauziele bis 2030?
Bei PV sind wir sehr gut unterwegs. Bei Wind werden wir unser Ziel bis 2030 nur erreichen, wenn die Genehmigungsverfahren rasch abgewickelt werden. Wir haben zum Beispiel einen Windpark, bei dem das Genehmigungsverfahren neun Jahre gedauert hat. Jetzt müssen wir ein Änderungsverfahren durchführen, weil die damals genehmigten Anlagen nicht mehr produziert werden.
Martin Graf (47) ist seit 2016 Vorstandsdirektor der Energie Steiermark. Davor war er ab 2011 Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control. Graf hat berufsbegleitend Betriebswirtschaft und Wirtschaftsingenieurwesen studiert. 28Jahre ist der Vater zweier Kinder inzwischen in der
Energiewirtschaft tätig.
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