Und genau diese Generation wird in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten versterben und ihr Vermögen an ihre Erben transferieren. „Die große Veränderung ist ab den Jahren 2030 bis 2035 zu erwarten“, sagt Franziska Disslbacher von der Wirtschaftsuniversität in Wien (WU). Auch sie erwartet eine Verdoppelung des Erbvolumens bis 2050 und macht auf die „stabilen Arbeits- und Vermögensverhältnisse“ der Babyboomer-Generation aufmerksam.
Vererbtes Vermögen ungleich verteilt
Der starke Anstieg beim Erbvolumen hört sich gut an? Nicht ganz so sehen das die beiden Ökonominnen. Das große Problem wäre nämlich, dass das vererbte Vermögen relativ ungleich verteilt wäre. „Und diese Ungleichheit wird in den nächsten Jahrzehnten noch weiter ansteigen“, befindet WU-Ökonomin Disslbacher.
Sie hat zum ersten Mal in Österreich gemeinsam mit ihrem Team Verlassenschaftsakten ausgewertet. Dafür bekam das Forscherteam eine repräsentative Stichprobe aus zehn Wiener Bezirken zur Verfügung gestellt. „Unsere Studie ist für ganz Wien repräsentativ, weil wir einen guten Mix aus vermögenderen Bezirken und weniger vermögenden Bezirken ausgewählt haben“, sagt Disslbacher im Gespräch mit dem KURIER. Es zeigte sich: Erbschaften am oberen Ende steigen besonders stark an. Rund 90 Prozent des gesamten Verlassenschaftsvolumens entfielen auf die zehn Prozent der größten Verlassenschaften.
„Dabei bilden Immobilien zunehmend die soziale Trennlinie – wer keine Immobilie erbt, hat es immer schwieriger“, konstatiert die Expertin. Wer eine Immobilie vererbt bekommt, zählt zu den Glücklichen: Der größte Brocken der Immobilien in den Verlassenschaften fällt auf die oberen zehn Prozent, bei den Finanzanlagen konzentriere sich das vererbte Vermögen noch weiter am oberen Rand. Aber nicht erst nach dem Tod profitieren viele Nachkommen vom Vermögen der älteren Generation: „Gerade Unternehmen werden oft früher übergeben, während Immobilien in Wien öfter noch bis zum Tod im Eigentum gehalten werden“, so Disslbacher.
Unteren 20 Prozent mit negativem Vermögenswert
Nicht jeder Erbe ist ein Gewinner: Nach der Wiener Studie haben die unteren 20 Prozent der Verlassenschaften einen negativen Vermögenswert. Die durchschnittliche Verschuldung der untersten fünf Prozent der Verteilung der Nachlassvermögen beträgt rund 227.000 Euro. „Das sind dann auch jene Fälle, wo Konkursverfahren eröffnet werden“, erklärt die Studienautorin.
Internationalen Studien zufolge ist die Situation weltweit nicht anders aus, auch in anderen Ländern steht ein Erbenboom an. Viele Österreicher haben jedenfalls für den Erbfall vorgesorgt: In beiden Testamentsregistern von Notariats- und Rechtsanwaltskammer sind insgesamt rund 2,7 Millionen letztwillige Verfügungen eingetragen. Dabei handelt es sich aber nur um die öffentlichen Testamente, die vor einem Notar oder Rechtsanwalt eingerichtet wurden. Bei Einhaltung zahlreicher Formvorschriften kann in Österreich aber auch eigen- oder fremdhändig rechtsgültig testiert werden.
Gibt es kein Testament oder Erbvertrag, wird das Erbvermögen nach der gesetzlichen Erbfolge aufgeteilt. Wer in diesem Fall wieviel bekommen würde, kann etwa grob mit einem Erbrechner abgeschätzt werden. So bietet die Unicef beispielsweise einen solchen Online-Rechner an: Es müssen nur das hypothetische Verlassenschaftsvermögen sowie diverse Angaben zur Verwandtschaft gemacht werden. Als Ergebnis erhält man die Anteile der gesetzlichen Erbfolge bzw. die gesetzlichen Pflichtanteile, auf die ebenfalls geachtet werden muss.
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