Warum Windräder wichtiger sind als PV-Anlagen
Mit welchen konkreten Maßnahmen schafft es Österreich, sein Energiesystem bis 2040 klimaneutral zu machen? Diese Frage versucht eine neue Studie zu beantworten, die am Mittwoch von Österreichs Energie präsentiert wurde. Der Verband der heimischen Energieversorger zeigt damit auf, dass es entgegen bisheriger Annahmen deutlich mehr Windkraft und weniger Photovoltaik braucht.
Doppelt so viel Strom, zur Hälfe von Wind und Sonne
Für die "Stromstrategie 2040" wurde der Strombedarf bis zum Jahr 2040 abgeschätzt und untersucht, mit welchen Erzeugungstechnologien dieser Bedarf sicher und ganzjährig gedeckt werden kann. Entscheidend dafür sei der Mix an erneuerbaren Energien, sagt Michael Strugl, Präsident von Österreichs Energie. Der Strombedarf im Jahr 2040 soll laut den Berechnungen 145,2 Terawattstunden betragen. Das ist ziemlich genau das Doppelte des heutigen Strombedarfs von 73 TWh.
Erzeugt werden müssen 146,5 Terawatt. Der größte Teil davon (58,1 TWh) soll wie bisher von Wasserkraft getragen werden. Rund die Hälfte des Stroms soll mit Wind (39,9 TWh) und Photovoltaik (32,6 TWh) erzeugt werden. Hier zeigt sich ein großer Unterschied zum Österreichischen Netzinfrastrukturplan (ÖNIP), den das Klimaschutzministerium im April präsentiert hat. Darin ist die Gewichtung genau umgekehrt. Photovoltaik soll 41 TWh liefern, Wind nur 29 TWh. "Unserer Meinung nach ist das nicht der richtige Mix", sagt Strugl.
Wind verflacht Spitzen und liefert im Winter
Photovoltaik liefere teilweise große Erzeugungsspitzen und das relativ gleichmäßig im ganzen Land, erklärt Strugl. Wenn zu diesen Zeiten nur ein Teil des erzeugten Stroms genutzt werden kann, belaste dies das Stromnetz. Man bräuchte dann leistungsfähigere Leitungen und mehr Speichermöglichkeiten. Erhöht man den Anteil der Windkraft am Strommix, könne die Erzeugungskurve abgeflacht werden. Außerdem liefere Windkraft oft genau dann Strom, wenn PV und Wasserkraft nachlassen. Das hat man auch während der regenreichen letzten Tage gesehen. Flusskraftwerke mussten wegen des Hochwassers abgeschaltet werden, die Sonne drang kaum durch die Wolken, aber der Wind blies stark.
Im Jahresverlauf liefert die Windkraft außerdem in den Wintermonaten mehr Strom, was sich mit sinkender Wasser- und PV-Stromproduktion gut ergänzt. Aktuell schreitet der Photovoltaikausbau in Österreich gut voran, bei der Windenergie liegt man hinter dem Zielpfad zurück.
Modellierungen werden genauer
Warum die Stromstrategie 2040 zu solch unterschiedlichen Ergebnissen beim Erneuerbaren-Ausbau wie der ÖNIP kommt, erklärt Danny Güthlein, Co-Geschäftsführer des Energieversorgers Kelag, so: "Modellierungen werden von Jahr zu Jahr besser. Dass der ÖNIP Photovoltaik zu positiv bewertet, war schon nach dessen Erscheinen ein Kritikpunkt."
Die neue Studie erhebe auch nicht den Anspruch auf die absolute Wahrheit. In Zukunft könne man etwa noch detailliertere Berechnungen durchführen, wo etwa Stromangebot und Nachfrage 2040 mit einer stündlichen Auflösung simuliert wird. Der ÖNIP sei auch kein verbindlicher Plan des Klimaschutzministeriums, stellt Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Österreichs Energie, klar. Die unterschiedlichen Berechnungen sollen eine Diskussionsgrundlage für die Erstellung eines Ausbauplans bieten.
Schulterschluss und Schluss mit Angstmache
Die wichtigste Aussage der neuen Studie sei, dass die Dekarbonisierung des Stromsystems klappen kann, wenn man es richtig macht, sagt Michael Strugl. Der Umbau sei notwendig, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich zu erhalten und eine hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Aus Sicht der Energiewirtschaft sei 2040 ein Zeithorizont, der es notwendig mache, jetzt mit der Planung zu beginnen. Dabei sei auch eine massive Unterstützung der Politik notwendig: "Wir werden technische Innovationen brauchen, Fachkräfte und wir brauchen Planungssicherheit, Investitionssicherheit und Rechtssicherheit."
Laut Danny Güthlein ist es auch wichtig, einen faktenbasierten gesamtgesellschaftlichen Dialog zu schaffen. "Nach der Wahl sollte man wieder weggehen von angst- und vorurteilsgetriebenen Darstellungen", gerade was die Windkraft anbelange. Ein Vorbild dafür könne die Schweiz sein. Dort hat die Bevölkerung im Juni über den Ausbau erneuerbarer Energien abgestimmt. Durch eine breite Allianz aus Politik, Wirtschaft, Umweltorganisationen und Energieversorgern sei das Thema transparent erklärt worden. fast 70 Prozent haben dafür gestimmt.
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