Emporia-Chefin Pupeter: "Dürfen die Älteren nicht abhängen"
Es ist fast wie David gegen Goliath. Seit zehn Jahren schlägt sich der kleine Linzer Smartphone-Hersteller Emporia telecom wacker gegen globale Giganten wie Samsung, Apple oder Huawei. Die Nische heißt einfach zu bedienende, abgespeckte Endgeräte speziell für Ältere. Im Gespräch mit dem KURIER verrät Emporia-Eigentümerin und -Geschäftsführerin Eveline Pupeter, warum jetzt der beste Zeitpunkt für Expansion ist und warum die digitale Kluft zum Problem wird.
KURIER: Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür. Mangels Neuheiten dürfte der Smartphone-Absatz heuer erstmals leicht rückläufig sein. Ihre Prognose?
Eveline Pupeter: Stimmt, das Geschäft ist leicht rückläufig, weil auch die Jungen nicht mehr jedes Jahr ein neues Gerät kaufen. Echte Innovationen wie das Falthandy sind noch zu neu. Unsere Zielgruppe braucht aber gar nicht die große Innovation. Sie beginnt gerade erst, das Smartphone zu entdecken.
Sie erwarten sich also Zuwächse?
Ja. Wir haben drei neue Produkte am Markt und erwarten uns bei niedriger Ausgangsbasis schöne Zuwachsraten. Immerhin gibt es in Österreich 1,2 Millionen über 65-Jährige, die noch kein Smartphone besitzen. In ganz Europa sind es 75 Millionen.
Emporia gibt es in 30 Ländern, jetzt erfolgt der Markteintritt in Großbritannien und Irland mit der Gründung einer eigenen Niederlassung in London. Ihr Ziel?
Wir glauben, dass wir dort relativ schnell 250.000 Geräte verkaufen werden, weil es ein sehr aufbereiteter Markt ist. Wir haben im Wesentlichen nur einen Mitbewerber im Senioren-Segment dort. Und es gibt immerhin acht Millionen Briten über 60, die noch kein Smartphone besitzen. Davon wollen wir uns einen Teil schnappen.
Ein möglicher Brexit schreckt Sie nicht?
Nein, davor fürchten wir uns gar nicht. Der Markt ist zu interessant und von möglichen Brexit-Folgen wären ohnehin alle gleich betroffen.
Sie wollen binnen drei Jahren den Geräte-Absatz von derzeit 600.000 verdoppeln. Welche Länder stehen noch auf der Agenda?
Zumindest fünf weitere in den nächsten drei Jahren, etwa Polen oder Spanien. Wichtigster Markt ist neben Österreich und die Schweiz vor allem Deutschland, hier müssen wir noch stärker werden. Nur nach Amerika gehen wie nicht mehr, weil dort haben wir nur Geld versenkt.
Sie konzentrieren sich voll auf Senioren. Aber auch viele Jüngere wollen einfach zu bedienende Smartphones. Eine wachsende Zielgruppe?
Definitiv. Wir werben zwar um Senioren, unsere Handys werden aber auch für Kinder gekauft, weil sie einfach sind. Und Jüngere kaufen uns, wenn sie datenschutzsensibel sind, nicht immer geortet werden wollen oder gar nicht so viele Apps am Handy brauchen. Auch Nachhaltigkeit ist zunehmend ein Thema...
...wie unterscheiden Sie sich hier vom Mitbewerb?
Unsere Geräte werden in der Regel fünf bis sieben Jahre genutzt und nicht schon nach zwei Jahren ausgetauscht. Sie sind robust gebaut und der Akku ist leicht auszuwechseln.
Emporia verkauft zusätzlich klassische Tastenhandys. Wie lange noch?
Der Markt ist klar rückläufig, aber es werden jährlich immer noch 300.000 Tastentelefone verkauft. Im schrumpfenden Markt werden außer uns wenige Anbieter übrig bleiben. Ganz verschwinden wird er nicht, denn ab etwa 80 wollen viele dann doch lieber ein Tastenhandy. Auch das Festnetz ist noch lange nicht tot, es gibt sogar ein kleines Revival des Schnurlos-Telefons. Hier spielen wir auch mit.
Sie lassen die Handys in China fertigen. Wie viel Österreich steckt in Emporia?
Sehr viel. An Intelligenz würde ich sagen 80 Prozent. Wir haben das Headquarter in Linz, machen hier die Entwicklung, das Design, das User-Interface und steuern den Vertrieb von hier aus. Der Technik-Chef ist auch ein Österreicher, wir beschäftigen in Linz 15 Entwickler.
Ist eine Handy-Produktion in Europa ein Thema?
Ja, nicht nur wir denken darüber nach, von China unabhängiger zu werden. Aber die Region Shenzhen, wo wir derzeit fertigen lassen, hat eine so perfekt funktionierende SupplyChain aufgebaut, das es lange braucht, die Fertigung woanders hin zu verlegen. Alternativen wären Weißrussland, Albanien oder Rumänien.
Sie machen auch Smartphone-Schulungen für Senioren. Lohnt sich das?
Es ist eigentlich ein Nullsummenspiel. In unserer Zielgruppe braucht es aber einfach Erklärung. Wir haben daher eigene Schulungsbücher gemacht, die einem alles erklären. Sie liegen jeder Smartphone-Packung bei. Auch einen Smartphone-Führerschein haben wir entwickelt.
Die Emporia Telecom AG wurde 1991 in Linz gegründet, beschäftigt 100 Mitarbeiter. Entwickelt wurden zunächst Festnetztelefone, später Handys, Smartphones und Apps speziell für die ältere Generation. Im Vorjahr wurden 600.000 Endgeräte verkauft, der Umsatz betrug rund 30 Millionen Euro. Der Handy-Marktanteil in Österreich beträgt ca. 6 Prozent. Emporia-Endgeräte werden in Linz entwickelt und in Shenzhen/ China gefertigt. Erhältlich sind die Geräte in 30 Ländern, Kernmärkte sind Österreich, Schweiz und Deutschland.
Alleineigentümerin und Geschäftsführerin Eveline Pupeter (58) stieg 2003 bei Emporia ein. Zuvor war die studierte Betriebswirtin und Wirtschaftspädagogin als Managerin beim Oberösterreichischen Landesverlag tätig.
Viele Pensionisten wollen gar kein Smartphone mehr. Warum sollen Sie sich doch eines zulegen?
Weil sonst die digitale Kluft noch größer wird. Wir müssen die Älteren zum Smartphone bringen, sonst können Sie irgendwann nicht mehr Parkscheine lösen, Zugtickets kaufen, den Fernseher bedienen oder Bankgeschäfte erledigen. Ob wir wollen oder nicht: Dienstleistungen wandern ins Smartphone. Denken Sie nur an die Banken. Filialen sperren zu, das Online-Banking erfordert plötzlich eine App. Die Banken kommen daher immer öfter auf uns zu...
... um die Senioren zu schulen?
Genau. Die Credit Suisse kauft unsere Handys, installiert ihre Banking-App drauf und schult damit ältere Kunden. Wir selbst schulen auch Fachhändler, wie man älteren Menschen Handys erklärt. Da ergeben sich einerseits ganz neue Konzepte, andererseits ist die digitale Kluft eine riesige gesellschaftliche Herausforderung. Wir dürfen die älteren Menschen nicht einfach abhängen. Das wird ein ganz großes Thema. Wir zeigen es auf, aber wir können es allein nicht lösen.
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