Der Waldviertler Autozulieferer Pollmann will in den nächsten fünf Jahren ein Viertel seines Umsatzes mit Elektro-Mobilität erwirtschaften. Geschäftsführer Christian Schreiberhuber über lokale Produktionen, warum Strafzölle für China-Autos kontraprouktiv sind und das Verbrenner-Aus sehr wahrscheinlich kommen wird.
KURIER: Die Autozulieferindustrie spürt die Rezession und muss zum Teil Personal abbauen. Wie sieht die Lage bei Pollmann aus?
Christian Schreiberhuber: Wir können uns aktuell nicht beschweren, unsere Umsatzzahlen sind in Plan. Aber natürlich spüren auch wir die hohen Lohnabschlüsse und müssen sparen. Ein großes Jobabbauprogramm ist in absehbarer Zeit aber nicht geplant. Eines ist mir schon aufgefallen: Der Fachkräftemangel in unserer Branche hat sich spürbar entspannt...
Sie haben als Zulieferer früh auf Elektromobilität gesetzt und wollen ein Viertel des Umsatzes damit erwirtschaften. Womit genau?
80 Prozent unseres Gruppenumsatzes sind im Bereich Schiebedachtechnik und Türschlosssysteme. Die sind weitestgehend unabhängig von der Antriebstechnologie. In der E-Mobilität sehen wir großes Potenzial, sie treibt unser Geschäft mit hybriden Bauteilen, Stromschienen und komplexere Filterbaugruppen. Es bewegt sich technologisch sehr viel weiter, was zu zusätzlichen Jobs führen wird.
Es heißt, China ist bei E-Autos technologisch führend. Stimmen Sie dem zu?
China ist definitiv der Technologietreiber und dabei höchst aktiv. Das Land fing mit der E-Mobilität ja schon vor mehr als zehn Jahren an und hat daher einen Vorsprung. Wer heute nach Schanghai reist, sieht einen auffallend hohen Anteil an E- oder Hybrid-Autos. China ist nicht nur führend in der Elektromobilität, auch in der Wasserstofftechnologie oder bei Quantencomputern. USA und China kämpfen um die globale wirtschaftliche Herrschaft und wir in Europa verwalten statt gestalten.
Thema Handelsstreit. Die USA verhängen 100 Prozent Strafzoll für E-Autos aus China, die EU überlegt ebenfalls höhere Einfuhrzölle. Ihre Meinung dazu?
Die USA importieren kaum Fahrzeuge aus China, aber für Europa sehe ich das sehr kritisch, weil wir viel vernetzter sind. Chinesische Hersteller wollen auch in Europa produzieren und außerdem dürfte es zu Gegenzöllen kommen. Es muss uns klar sein, dass wir eine hohe Rohstoff-Abhängigkeit von China haben. Der Schuss könnte nach hinten losgehen.
Pollmann produziert in Europa, China und Mexiko. Wie bereiten Sie sich auf eine Zuspitzung des Handelskrieges vor?
Indem wir lokal für den lokalen Markt produzieren, also unser Werk in China für den asiatischen Markt, in Europa für Europa und unser Werk in Mexiko für USA und Südamerika. Die USA fordern auch vermehrt lokale Produktion. Es macht wenig Sinn, alle Teile durch die Welt zu transportieren, auch im Sinne unseres CO2-Fußabdrucks.
Liefern Sie auch an chinesische Hersteller?
Wir sind in China im Gespräch mit chinesischen Herstellern. Wenn chinesische Hersteller auch in Europa produzieren, ist das durchaus eine Opportunität für uns, auch hier Aufträge zu bekommen. Ich sehe hier definitiv mehr Chancen als Ängste.
Unternehmen Der 135 Jahre alte Autozulieferer mit Sitz in Karlstein/Thaya fertigt leitfähige Bauteile im Metall-Kunststoff-Verbund und ist Weltmarktführer bei Schiebedach-Kinematiken und Türschloss-Gehäusen. 93 Prozent aller Automarken weltweit nutzen die Schiebedachmechanik von Pollmann. In der E-Mobilität werden kunststoff-umspritzte Stromschienen und AC-CD-Stromwandler geliefert
1.400 Beschäftigte Pollmann International beschäftigt 1.400 Mitarbeiter an 5 Standorten, davon rund 550 in Österreich (Vitis, Karlstein). Weitere Standorte sind in China, Mexiko und Tschechien
Wachstumskurs Im Vorjahr wurde ein Umsatz von 165 Mio. Euro erwirtschaftet, um 4,5 Prozent mehr als 2022. Die Exportquote beträgt 99 Prozent
Heimische Industriebetriebe klagen über schwindende Wettbewerbsfähigkeit und drohen mit Abwanderung von Investitionen. Sie auch?
Österreich hat gegenüber Deutschland in den vergangenen Jahren massiv verloren. Wegen der hohen Lohn- und Energiekosten ist es günstiger, in Deutschland zu produzieren als bei uns. Auch der Automarkt in Europa wächst in den nächsten Jahren nicht großartig, daher werden wir hier nicht groß investieren, eher modernisieren. Wir überlegen, gewisse Support-Tätigkeiten stärker in unsere Beteiligungen im Ausland, etwa nach Tschechien zu verlagern. Generell sind wir in Europa und China derzeit gut aufgestellt, weitere Investments sind in den nächsten Jahren in Mexiko vorgesehen.
Wird das Aus für Verbrenner-Motoren in der EU bis 2035 kommen?
Das Verbrenner-Aus in der EU wird sehr wahrscheinlich kommen, ob jetzt in zehn oder 15 Jahren ist unerheblich. In anderen Regionen wie den USA wird es den Verbrenner noch lange geben und es werden daher noch Verbrenner-Autos erzeugt werden. Hier wird sich der E-Antrieb nicht so rasch durchsetzen.
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