Eisenbahner und Bergbau: Gut versichert

Eisenbahner und Bergbau: Gut versichert
Hohe Zuschüsse, niedrige Effizienz, großzügige Leistungen.

Das System der Sozialversicherung ist eine eigene, für Außenstehende kaum durchschaubare Wissenschaft für sich. Traditionell gewachsen, äußerst komplex, organisiert in 21 verschiedenen Versicherungsträgern. Seit Jahrzehnten wird über Harmonisierung, Zusammenlegungen und Effizienzsteigerung debattiert. Doch das sozialpartnerschaftliche Bollwerk erwies sich bisher als unglaublich resistent gegen alle größeren Reformbestrebungen. Jetzt soll die London School of Economics, gegen 630.000 Euro Honorar von SPÖ-Sozialminister Alois Stöger beauftragt, eine Effizienz-Analyse ausarbeiten. Auf Deutsch und Englisch.

Ein Sozialversicherungsträger, der sich als Kandidat für eine Fusion geradezu anbieten würde, ist die in der Öffentlichkeit wenig bekannte VAEB, die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen & Bergbau. Mit rund 168.500 Versicherten eine der kleinsten Sozialversicherungs-Einheiten. Eine recht komfortable Institution, die von den Steuerzahlern üppig gesponsert wird.

Mehr als 103.000 Pensionisten stehen nur noch knapp 63.000 Aktive gegenüber. Zwei Drittel von ihnen sind ÖBBler. Die VAEB ist zuständig für Pensions-, Unfall- und Krankenversicherung. Ausgenommen sind die Pensionen für die beamteten Eisenbahner, die der Bund direkt bezahlt.

Der Beitrag des Bundes für die restlichen Pensionäre liegt bei beachtlichen 49 Prozent. Nur die Bauern werden vom Staat noch höher bezuschusst. Dafür können sich die VAEB-Versicherten über höhere Alterspensionen freuen als der Durchschnitt der Österreicher. 2015 erhielten Eisenbahn-Pensionisten 1364 Euro, im Bergbau gab’s 1874 Euro.

Großzügiger ist die VAEB auch in der Krankenversicherung – Grippeschutz- und Zeckenimpfung, üppige Zuschüsse zu Zahnspangen, Kontaktlinsen, Fahrtspesen oder Rehab-Behandlungen. Dafür zahlen die VAEB-Versicherten aber auch sieben Prozent Selbstbehalt beim Arztbesuch, kontert Generaldirektor Kurt Völkl.

Für einen kleinen Sozialversicherungsträger ist die VAEB ziemlich reich. 2014 hatte man knapp 260 Millionen Euro Vermögen angehäuft. Völkl findet das auch ganz in Ordnung so. Die VAEB habe vier Gesundheitseinrichtungen, darunter zwei Kuranstalten. Deren notwendige Modernisierung summiere sich auf 70 bis 80 Millionen Euro.

Wozu aber betreibt die VAEB überhaupt eigene Kurheime? Man bemühe sich sehr um aktive Gesundheitspolitik und wolle nicht, dass die eigenen Versicherten in fremden Einrichtungen monatelang warten müssten, argumentiert Völkl und verweist auf die hohe Zufriedenheitsrate seiner Versicherten. No na, bei solchen Leistungen.

Die Effizienz der rund 870 Mitarbeiter (davon 530 in der Verwaltung) ist stark verbesserungsfähig. Beim Personalstand pro 1000 Anspruchsberechtigte liegt die VAEB weit über den Gebietskrankenkassen, den Beamten, Gewerblichen und den Bauern.

Beschäftigte der Sozialversicherungen können sich grundsätzlich über Zusatzpensionen freuen. Die VAEB musste dafür 2015 mehr als 16 Millionen aufwenden, das ist fast ein Viertel der gesamten Personalkosten.

Die sechsköpfige Direktion kostet 1,27 Millionen Euro im Jahr. Deswegen sechs Manager, weil Eisenbahner und Bergbau 2005 fusionierten, aber alle Chefs an Bord blieben. Daher auch sechs Dienstautos (Audi A4) und einige Chauffeure.

Der Generaldirektor wohnt in Graz und teilt die Arbeitswoche zwischen der steirischen Geschäftsstelle und der Zentrale in Wien. In Zeiten der Digitalisierung müsse er nicht permanent in Wien vor Ort sein, meint Völkl. Dass er sich von Graz nach Wien und retour immer im Dienstwagen chauffieren lässt, sei völlig korrekt, weil zeitlich viel flexibler als mit der Bahn . . .

Der Vorstand, quasi der Aufsichtsrat, ist akribisch sozialpartnerschaftlich aufgeteilt. Selbstverwaltung nennt man das. Obmann ist Gottfried Winkler, Vize-Betriebsratsboss der ÖBB-Infrastruktur. Als Funktionsgebühr erhält er 40 Prozent einer Abgeordneten-Gage, rund 48.000 Euro im Jahr.

Für Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker ist die VAEB "ein Paradebeispiel dafür, dass sich die Zusammenlegung verschiedener Träger auszahlt. Einer der kleinsten Versicherer bekommt besonders hohe Zuschüsse, ist wenig effizient und baut gleichzeitig hohe Rücklagen auf".

Der Generaldirektor sieht das naturgemäß ganz anders. Bei Fusionen würden die Träger ja nur "ineinander verschoben. Außer Stagnation und verschlechterter Betreuung bringt das gar nix". Sicher gebe es Sparpotenzial, aber man könne die Mitarbeiter ja nicht auf die Straße setzen. Zwei Drittel der Belegschaft sind praktisch unkündbar, die Sozialversicherungen sind traditionell straff gewerkschaftlich organisiert. Effizienzverbesserungen seien also erst möglich, wenn 2020 rund 50 Mitarbeiter in die Pension gehen.

Systembewahrer Völkl lehrt an der Grazer Uni – Entrepreneurship (Unternehmertum). Seinen Nebenjob als Managementtrainer hat er wegen Zeitmangels wieder aufgegeben.

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