Eisenbahner fordern einen "Blaulicht-Tag" als Sonderurlaub
Es geht nicht nur um mehr Geld. Am Samstagnachmittag werden die Eisenbahn-Gewerkschafter und die Bahn-Arbeitgeber wieder Fahrt aufnehmen, um drei Kollektivverträge für 40.000 Beschäftigte in 60 Bahnbetrieben auf Schiene zu bringen. Nach dem zweistündigen Warnstreik am vergangenen Montag wird in der zehnten Verhandlungsrunde eine tragfähige Lösung angepeilt.
„Wir setzen uns am Samstag hin und verhandeln bis wir fertig sind“, kündigt Vida-Chef Roman Hebenstreit an. Eine etwaige Nachtschicht ist einkalkuliert. Doch eine Erhöhung der Ist-Löhne klar über dem Inflationsniveau (2,22 Prozent) und unter Berücksichtigung der Bahn-Produktivitätssteigerung (+6,5 Prozent) ist nur eine der Forderungen. Knackpunkt sind eigentlich die Rahmenbedingungen und die Einstiegsgehälter. „Beim Rahmenrecht könnten wir eigentlich schnell fertig sein“, sagt der gelernte Lokführer Hebenstreit. Vier Jahre seien die Experten beider Seiten schon damit befasst. Nach einer Annäherung in der vergangenen Woche sollen die Arbeitgeber diese teilweise wieder verworfen haben.
„Wir müssen aber die Rahmenbedingungen verbessern, damit wir junge Leute für die Schichtarbeit bei der Bahn gewinnen können“, sagt Hebenstreit. „Und wir müssen es schaffen, die alten Schichtarbeiter fit zu halten.“ Dazu muss man wissen, dass das Durchschnitts-Arbeitsalter auf der Bahn 46 Jahre beträgt und die Hälfte der Beschäftigen Schicht arbeitet.
Dienst an Allgemeinheit
Geht es nach der Gewerkschaft, so sollten die Einstiegsgehälter in der Bahnbranche einheitlich gestaltet werden, erfahrene Mitarbeiter mit Geld- oder Zeitprämien und attraktiven Zeitausgleich-Möglichkeiten gehalten werden. Außerdem geht es der Gewerkschaft um einheitliche Pausenregelungen für alle Bahnunternehmen. So müssen viele Bahnmitarbeiter viele Stunden Pausen bei sogenannten Wendefahrten auf fernen Bahnhöfen absitzen, bis der Zug wieder an den Ausgangsbahnhof zurückfährt. Diese mehrstündigen Pausen, oft in der Nacht, werden nicht bezahlt.
Stichwort: Lokführer. Das Einstiegsgehalt bei den ÖBB beträgt monatlich 1847 Euro brutto. Dabei sucht die Bahn derzeit 1300 neue Triebwagenführer. Bei den ÖBB beträgt das Grundgehalt eines ausgebildeten Lokführers 2265 Euro brutto im Monat – ohne Zulagen. Zum Teil werden die Schienenpiloten mit lukrativen Lockangeboten (1000 Euro brutto Überzahlung im Monat) von Mitbewerbern abgeworben. Sogar „Kopfprämien“ sollen für die Werbung bezahlt werden.
„Viele Eisenbahner sind in ihrer Freizeit ehrenamtlich tätig, bei der Feuerwehr und im Rettungsdienst “, sagt Hebenstreit. „Wir fordern daher einen Tag Sonderurlaub für die Weiterbildung bei Blaulicht-Organisationen als fairen Ausgleich.“
Sozialpartnerschaft
Für Thomas Scheiber, Chefverhandler der Bahn-Arbeitgeber, geht es in der heutigen zehnten Verhandlungsrunde um mehr als nur um die Kollektivverträge: „Wir müssen auch zeigen, dass die Sozialpartnerschaft funktioniert und dass wir Lösungskompetenz haben.“ Wenn nicht, sei man nicht mehr Teil des Spiels und das wäre eine gefährliche Entwicklung.
Nachdem die Metaller und die Beamten zu einer Lösung gekommen sind, müsse es heute bei den Schienenbahnen auch gelingen. Nahe seien sich beide Seiten bei Punkten im Rahmenrecht, die auf betrieblicher Ebene konkretisiert werden können, wie beim Einhalten von Ruhezeiten oder Mitarbeitern, die in Blaulicht-Organisationen freiwillig tätig sind.
Dem von der Gewerkschaft geforderten zusätzlichen Urlaubstag für diese Freiwilligen will Scheiber zwar nicht zustimmen, einen Tag für Weiterbildung kann er sich aber vorstellen.
„Es ist zwar nicht unsere Aufgabe, das zu regeln, weil es kein Branchenthema ist, aber es ist eine gute Sache, dass die Sozialpartnerschaft hier dem Gesetzgeber etwas vorzeigt.“ Nicht einig sind sich beide Seiten bei Punkten wie einem rechtlichen Anspruch auf eine Vier-Tage- oder 38,5-Stunden-Woche sowie dass Arbeitnehmer entscheiden können, wann sie sich Zeitausgleich nehmen.
Die Lohn- und Gehaltserhöhung soll laut Scheiber sowohl für KV- als auch für Ist-Löhne gelten. Er hofft, dass die Vorschläge der Arbeitgeber diesmal ernsthaft diskutiert werden. Zuletzt seien sie in Bausch und Bogen abgelehnt worden. Scheiber ist zuversichtlich, dass es in der Nacht von Samstag auf Sonntag ein Ergebnis erzielt wird. Und er übt sich in Optimismus: „Ich sage nicht, heute geht’s in die nächste Runde, sondern heute geht’s ins Finale.“
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