Einkauf im Netz nimmt rasant zu
Plattensammlungen und Regale vollgestopft mit Musik-CDs wirken schon fast antiquiert: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Musik ausschließlich über das Internet gekauft wird. Das Smartphone wird das Hauptmedium für Musik“, glaubt Peter Györffy, Handelsexperte und Chef der Unternehmensberatung Conplementation.
Fest steht, dass der Onlinehandel an Fahrt gewinnt. Im Vorjahr haben die Österreicher 2,1 Milliarden Euro beim Onlineshopping ausgegeben – um 28 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Das hat das EHI Retail Institute Köln errechnet. Ein knappes Drittel des Online-Geschäfts teilen sich zehn Händler, die gemeinsam 663 Millionen Euro in Österreich umgesetzt haben. Nummer eins ist der US-Riese Amazon.
Die Konsumlaune im Internet freut auch die Post: Knapp 30 Prozent der Packerln werden von ihr geliefert. Aber auch wenn sich der Internethandel zwischen 2006 und 2010 mehr als verdreifacht hat, muss man die Kirche im Dorf lassen: In Österreich wird der Anteil der Online-Erlöse an den Einzelhandelsumsätzen mit gerade einmal knapp vier Prozent beziffert. Weltweit macht der Handel rund fünf Prozent des Umsatzes online, binnen zwei Jahren rechnen Experten aber mit einer Verdoppelung.
Wäsche im Web
Aber: „Kaum ein Spieler des stationären Einzelhandels wird seine Marktanteile ohne Onlinevertrieb halten können“, ist Michael Oberweger vom Standortberater RegioPlan überzeugt. Bereits 92 Prozent der Elektronik- und 78 Prozent der Buchhändler haben laut RegioPlan einen Online-Shop. Jeder zweite Textilhändler sei bereits im Internet vertreten.
„Österreich ist ein interessanter Markt. Die Online-Penetration liegt mit 75 Prozent zehn Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt“, rechnet Marc Bolland, Chef von Marks&Spencer im KURIER-Gespräch vor. Die britische Handelskette, die 2001 ihre Läden in Österreich zugesperrt hat, startet daher gerade ihren Online-Shop für Österreich, in dem allen voran Textilien angeboten werden. „Für neue Shops gibt es aber keine Pläne“, stellt Bolland klar.
Glaubt man einer Studie des Gallup-Instituts, werden Kleider und Wäsche übrigens vor allem aus drei Gründen online gekauft: bequeme Lieferung, Öffnungszeiten rund um die Uhr und Preise, die – zumindest gefühlt – unter jenen des stationären Handels liegen. Handelsexperte Györffy schätzt, dass in zwei Jahren mehr als die Hälfte der Einzelhandelsumsätze vom Netz beeinflusst sein werden. „Im Elektronik-, Buch- oder Fahrzeughandel haben wir diese Quote bereits erreicht. Wer kauft heute noch ein Auto, ohne ins Internet zu schauen?“
Selbst Zuseher von Shoppingsendern wie HSE24 ordern online. „2011 haben wir 20 Prozent des Geschäfts online gemacht, mittelfristig werden es 30 Prozent sein“, sagt Jörg Simon, Leiter Neue Medien bei HSE 24. Seit Anfang 2012 hätte sich der Umsatz mit jenen Kunden, die über Smartphones und Tablets bestellen, verachtfacht. Simon: „Wir starten von einem niedrigem Niveau, aber die Zuwachsraten übertreffen alle Erwartungen.“
Die 10 umsatzstärksten Unternehmen machten 2011 in Österreich gemeinsam 663 Mio. Euro Umsatz - 31,6 Prozent des ganzen Kuchens. Die Firmenliste führt Amazon (amazon.at und amazon.com) unangefochten mit 283 Mio. Euro vor den Versandhändlern. Hier hat der Otto-Konzern (164 Mio. Euro) mit den Marken Universal (84 Mio. Euro), Otto (60 Mio.) und Quelle (20 Mio.) die Nase vor dem Konkurrenten Neckermann (53,8 Mio.). Eduscho, Conrad, Weltbild, DiTech und Esprit sind ebenfalls unter den Top-10. Apple liegt mit 17 Mio. Euro nur auf Rang 17.
Die Hälfte der Onlineshops hat den Firmensitz im Ausland - vor einem Jahr waren es noch 61,2 Prozent. 58 Prozent haben auch Filialen, 28 Prozent betreiben zusätzlich ein Kataloggeschäft. Auf dem Amazon Marktplatz sind 34 Prozent vertreten, über eBay wurden 16,4 Prozent abgewickelt. Die klassische Post profitiert auch von der Entwicklung, werden doch 29,6 Prozent der Packerl über sie versendet.
Smartphones
Smartphones
"Das Stichwort lautet klarerweise Multichannel, und dem österreichischen Handel ist zu wünschen, dass dieser Trend sich fortsetzt" kommentiert dies Mussi. Noch prägnanter ist der Trend zum mobilen Angebot: 30,8 Prozent bieten eine für Smartphones optimierte Website oder eine App (Programm für das Handy) inkl. Shop an. "Die Konsumenten erwarten Informationen zu Produkten, Preisen, Standorten, Zustellmöglichkeiten zu jeder Zeit und an jedem Ort" so Mussi.
Inzwischen haben 78,8 Prozent der Onlineshops eine Facebookseite, 2010 waren es erst 63,2 Prozent. Getwittert wird von 47,6 Prozent (33,2 Prozent), einen Youtube-Kanal betreiben 48,8 Prozent (13,2 Prozent), auf Google+ sind 28 Prozent präsent.
37 Prozent des Online-Umsatzes geht an "Generalisten" wie Amazon. Dahinter folgen Bekleidung, Textilien, Schuhe mit 487,6 Mio. Euro - hier führt Esprit vor H&M - sowie Computer, Handys und Zubehör - an der Spitze Ditech, erstmals Top-10, vor Redcoon, erstmals Top 20 und Apple - mit 339,2 Mio. Euro. Andere Branchen blieben unter 100 Mio. Euro Onlineumsatz. Mit Medikamenten etwa wurden nur 11 Mio. Euro umgesetzt.
Geschätzte 600 Restaurants in Österreich – vom Pizza-Bäcker über Schnitzl-Brater bis zum Sushi-Lieferanten – verdienen ihr Geld mit der Lieferung von Speisen und Getränken – bieten also keine Sitzplätze im Betrieb an. Ihre Bestellungen bekommen sie unter anderem von Plattformen wie mjam.at, willessen.at, habhunger.at oder netkellner.at.
Um die Restaurants tobt jetzt ein Streit unter den Online-Plattformen. Mjam – mit 100.000 abgewickelten Bestellungen im Monat laut eigenen Angaben etwa fünf Mal so groß wie die Nummer zwei am Markt – hat eine Klage von lieferservice.at zugestellt bekommen. Der Vorwurf: Mjam (mjam.at, mjam.net, pizzaportal.at, willessen.at) würde „seine marktbeherrschende Stellung“ ausnutzen und Restaurants mit Exklusivverträgen an sich binden. Wer nur mjam beliefert, muss sieben Prozent Provision zahlen, wer auch mit anderen Plattformen arbeitet zwölf Prozent, heißt es in der Klage.
Die Vorgangsweise ziele ausschließlich darauf ab, den Restaurants die Belieferung mehrerer Vertragspartner unmöglich zu machen, meint Johannes Öhlböck, Anwalt von Lieferservice.at. „Es geht darum, Wettbewerber aus den Markt zu drängen.“ Mjam hätte zahlreichen Vertragspartnern von lieferservice eine Exklusivitätsvereinbarung vorgeschlagen und gleich eine Kündigung bei Lieferservice eingeleitet, so der Vorwurf.
Mjam-Geschäftsführer Angelo Laub sieht das freilich anders: „Die Kunden arbeiten mit uns, weil wir größere Bestellmengen haben. Wir zwingen niemanden dazu.“ Ein gestaffeltes Tarifmodell sei durchaus üblich. Und dass mjam für Restaurantbesitzer gleich ein Kündigungsschreiben für die Zusammenarbeit mit mjam-Konkurrenten parat hatte, findet Laub nicht außergewöhnlich: „Das ist bei Stromversorgern ja auch nicht anders.“ Die Anwälte von Laub bezeichnen die Klage als „nicht nachvollziehbar“, die Vorwurfe als „unbelegt“. Dem Verfahren sehe man gelassen entgegen.
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