Der erbitterte Kampf um jeden Kunden
Es geht sich gerade rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft aus: Am Donnerstag eröffnet der erste Teil des Einkaufszentrums „The Mall“ am Bahnhof Wien-Mitte. Mit einem Interspar-Hypermarkt mit über 2500 m² und einem 4000 m² großen Mediamarkt-Flagship-Store. Die restlichen Geschäfte sperren im April auf. Insgesamt stehen dann 30.000 m² Verkaufsfläche zur Verfügung.
Damit nicht genug: Etwas weiter südlich entsteht schon der nächste Shoppingtempel. 2014 eröffnet das Einkaufszentrum am Hauptbahnhof mit 115 Geschäfte und 20.000 m² Verkaufsfläche.
„Österreich gehört jetzt schon europaweit zu den Ländern mit der höchsten Dichte an Einkaufszentren. Es sind fast keine weißen Flecken mehr vorhanden“, sagt Wolfgang Richter, Geschäftsführer von RegioPlan Consulting, zuständig für Standortberatung und Markt¬analysen. Er erwartet einen harten Verdrängungswettbewerb. Etwa im Norden Wiens, wo die Shoppingcenter durch das neue Zentrum G3 in Gerasdorf unter Druck geraten könnten.
Bedrängnis
Doch auch die Einkaufsstraßen kommen in Bedrängnis. Dabei haben sich die 23 Wiener Geschäftsstraßen in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Zumindest oberflächlich betrachtet: Seit 2004 wuchs die Gesamtzahl der Geschäftsflächen um 4,4 Prozent auf 1,2 Millionen m². Das zeigen Daten der Beraterfirma Standort+Markt (S+M).
Profitiert hätten von diesem Trend aber vor allem die jetzt schon florierenden Big Player wie die Mariahilfer Straße, die überregionale Kundschaft anlocken. Nicht ganz so rosig sieht es in weniger zentralen Lagen aus. Etwa auf der Reinprechtsdorfer Straße in Margareten. Sie ist mittlerweile nur mehr ein lokaler Nahversorger, der kaum noch Publikum aus anderen Bezirken anlockt. Doch wie gegensteuern? „Wir forcieren die Marketing-Maßnahmen“, betont man in der Wiener Wirtschaftskammer. „Etwa Broschüren, die in Haushalte der Umgebung gehen, oder Straßenfeste.“
Boom
Ob das reicht, wagt Experte Roman Schwarzenecker von S+M zu bezweifeln. Ein Trend nach unten ließe sich nur schwer wieder umkehren. Als gelungenes Beispiel nennt er die Neubaugasse im 7. Bezirk, die sich erfolgreich als „Straße der Spezialisten“ vermarktet. Mit Shops, deren Angebot sich vorwiegend an ein jüngeres, alternatives Publikum wendet.
Freilich profitiere die Neubaugasse auch von der perfekten Verkehrsanbindung – heute mehr denn je die Voraussetzung für eine funktionierende Einkaufsstraße. Dazu gehören auch genügend – und vor allem kostenlose – Parkplätze. In dieser Hinsicht geraten die Wiener Einkaufsstraßen im Vergleich zu den Shoppingtempeln an der Peripherie immer mehr ins Hintertreffen. „Man jammert, dass es den Einkaufsstraßen schlecht geht. Aber mit der Ausweitung des Parkpickerl tut man ihnen erst recht nichts Gutes“, kritisiert Schwarzen¬ecker. „Aus diesem Grund fordern wir, dass man künftig dort 30 Minuten gratis parken darf“, heißt es dazu aus der Wirtschaftskammer.
Den Boom der innerstädtischen Shoppingzentren sieht man dort keineswegs als Bedrohung für die Einkaufsstraßen. Sie würden das Angebot vielmehr ergänzen und so die Shoppingmeilen aufwerten. „Ein Beispiel ist der große Intersport in der Äußeren Mariahilfer Straße, der zu einer Belebung der gesamten Umgebung geführt hat.“ Eine ähnliche Entwicklung erwartet man sich auch für die Landstraßer Hauptstraße mit dem neuen Shoppingcenter in Wien-Mitte.
Warteschlangen an der Bushaltestelle, Warteschlangen bei den Umkleidekabinen, an den Kassen, auf den Toiletten und beim Bankomaten. Wer einen Fenstertag zum Besuch des neu eröffneten Einkaufszentrums G 3 in Gerasdorf nutzt, braucht gute Nerven. Und Zeit.
Denn die werden schon bei der Anfahrt strapaziert. Der Gratis-Shuttlebus von Floridsdorf ist bereits bei der Abfahrt bummvoll. Da hilft auch die flehende Bitte des Buslenkers nichts. „Gehen Sie weiter nach hinten, damit Passagiere zusteigen können.“ Keine Chance. Das Gefühl in einer Sardinendose gefangen zu sein, lässt kein Ausweichen zu. „Wenigstens kannst’ nicht mehr umfallen.“ Aber auch Autofahrer sind nicht besser dran. Sie brauchen Geduld bei der Parkplatz-Suche. „Um 9.15 Uhr bin ich gekommen. Da war kein Platz mehr frei. Dabei sperren die Geschäfte doch eh erst um 9.30 Uhr auf“, schüttelt eine Besucherin ungläubig den Kopf.
„Günstig, aber stressig“
Das Einkaufszentrum am Wiener Stadtrand zieht vor allem Wiener und Weinviertler Besucher an. Und sie haben vor allem ein Ziel: Primark – eine Billig-Modekette, die es in Österreich bisher noch nicht gegeben hat. Auch Derya Kilinc ist mit ihrer Freundin Keziban Tosun deswegen nach Gerasdorf gekommen. „Günstig ist es schon“, sagt sie. „Aber stressig. An einem Fenstertag oder am Wochende komme ich sicher nicht mehr her.“ Sie kauft meistens in Einkaufzsentren. „Weil es hier viel wärmer ist.“ Das graue Nieselwetter draußen wird im G 3 von unzähligen Lampen verbannt.
Manuela Weidinger wohnt im 22. Wiener Gemeindebezirk. Sie ist mit dem Kinderwagen da. „Das ist praktisch, weil alles ebenerdig ist. Und wir haben es ja nicht weit.“ Zumindest ist das G 3 deutlich näher als die Mariahilfer Straße. „Und hier bekomme ich alles, was ich brauche.“ Auch Markus Lindner hat den Fenstertag zum Einkaufen in Gerasdorf genutzt. „Aber das mit den Parkplätzen ist eine Katastrophe“, sagt er. „Und das Leitsystem für das Center auch. Wir haben etwas auf dem Plan gesucht – und fast nicht gefunden, weil es so klein gedruckt war.“
Freitagnachmittag. Allerseelen. Ein Fenstertag. Auf Wiens größter und bekanntester Einkaufsstraße tummeln sich die Menschenmassen. Lange Wartezeiten für die Kunden sind die Folge – und jede Menge Stress für die Geschäftsleute.
„Der Ansturm ist enorm“, berichtet Anna Stevanovic, die bei Kleiderbauer arbeitet. „Speziell an Fenstertagen in der Vorweihnachtszeit ist hier die Hölle los.“ Matthias Ulbrecht von der Firma Niedermeyer kann das nur bestätigen: „Wir rechnen an Fenstertagen immer mit einem besonders großen Andrang. Da muss dann auch extra viel Ware geordert werden, um der großen Nachfrage gerecht zu werden. Außerdem achten wir verstärkt darauf, dass wir ein möglichst breites Angebot und viele spezielle Aktionen haben.“
Wetterfest
Egal ob Kleidergeschäft, Lebensmittelladen oder Handyshop – in der Mariahilfer Straße ist an diesem Tag alles zum Bersten voll. Und das obwohl das Wetter deutlich zu wünschen übrig lässt. Nieselregen, kühle Temperaturen und grau in grau scheinen die Menschen nicht von ihren Shoppingtrips abzuhalten. „Man sollte meinen, dass die Leute bei schlechtem Wetter eher in die Einkaufszentren ausweichen“, wundert sich auch ein Angestellter der Buchhandlung Thalia. Die Kunden sehen das aber anders. Andrea Kwiatkowski zieht speziell im Winter die Einkaufsstraßen vor. Niedrige Temperaturen machen ihr nichts aus – im Gegenteil: „Gerade in der kalten Jahreszeit ist es in Einkaufscentern ungeheuer heiß und stickig. Da kaufe ich doch lieber draußen ein.“
Derselben Meinung ist auch Johanna Holoubek, die ihren schulautonom freien Tag für eine Shoppingtour nutzt: „Ich kaufe grundsätzlich auf Einkaufsstraßen ein. In Einkaufszentren ist es mir viel zu warm. Es ist doch viel angenehmer, wenn man auf dem Weg zwischen den Shops ein bisschen frische Luft schnappen kann.“ Größere Einkäufe erledigt sie außerdem am
liebsten an Fenstertagen: „Die sind total praktisch, weil man selbst frei, die Geschäfte aber geöffnet haben. An normalen Wochentagen hat man zum Shoppen meistens eh keine Zeit.“
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