Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der Kurzarbeit ab Juli

Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der Kurzarbeit ab Juli
Für besonders betroffene Betriebe wird großzügige Regelung bis Jahresende verlängert. Für alle anderen gibt es eine Übergangsregelung bis Mitte 2022

Regierung und Sozialpartner haben sich auf die Details für eine Fortsetzung der Kurzarbeit ab Juli geeinigt. Die bestehende Regelung läuft dann aus. Wie erwartet, wird es ob der unterschiedlichen Betroffenheit zwei Varianten geben: Für Betriebe, die besonders von der Pandemie gebeutelt wurden, also Stadthotellerie oder Kongresstourismus, wird eine großzügige Kurzarbeitsregel bis Ende des Jahres verlängert. Für den Rest der Betriebe gibt es eine neue Übergangsregel bis Mitte 2022, die eine Mindestarbeitszeit von 50 Prozent und Selbstbehalte vorsieht.

Lockerungen: Doppelstrategie bei Corona-Kurzarbeit

Die beiden Regelungen im Detail: 

Variante 1: 

Die Variante gilt für alle Betriebe, die entweder von Lockdown oder behördlichen Maßnahmen betroffen sind oder im 3. Quartal 2020 einen Umsatzrückgang von 50 Prozent im Vergleich zum 3. Quartal 2019 verzeichnet haben. In dieser Variante bleiben die Eckpunkte ähnlich der bereits bestehenden Corona-Kurzarbeit IV: Arbeitnehmer können in Kurzarbeit gehen und bekommen dafür weiterhin 80 bis 90 Prozent des letzten Nettogehalts. Diese Corona-Kurzarbeitsvariante soll bis Ende des Jahres 2021 gelten.

Variante 2: 

Das sogenannte Übergangsmodell ist für Betriebe mit Auftragsproblemen bzw. Unterauslastung in Folge der Pandemie gedacht und lehnt sich an der vor Corona gültigen Kurzarbeitsregel an. Die Mindestarbeitszeit muss 50 Prozent betragen, in Ausnahmefällen gelten weiter 30 Prozent. Für Arbeitnehmer bleibt es bei einer Nettoersatzrate von 80 bis 90 Prozent für die reduzierte Stundenanzahl. 

Neu an diesem Modell ist der Selbstbehalt für Unternehmen als Weg in Richtung des alten (vor der Corona-Krise geltenden) Kurzarbeitsmodells. Diese müssen künftig für 15 Prozent der Fördersumme selbst aufkommen. Gelten wird dieses Modell bis Sommer 2022. Neu ist auch die Möglichkeit, während der Kurzarbeit Mitarbeiter zu kündigen bzw. den Urlaub abzubauen. Konkret soll ein Urlaubsabbau von einer Woche je angefangener zwei Monate Kurzarbeit erfolgen. Die Gewerkschaft pocht darauf, dass Urlaub nur einvernehmlich zwischen Arbeitgeber- und -nehmer vereinbart werden kann. 

Weiterbildungsbonus

Mit 60 Prozent weiter gefördert wird die Weiterbildung in der Kurzarbeit. Hier soll es zudem lenkende Maßnahmen in Richtung Strukturwandel der Wirtschaft geben, also etwa mehr Schulungen im Bereich Klimaschutz oder Digitalisierung. Technische Details müssen erst ausverhandelt werden. Über die Sommermonate dürfte die Weiterbildung mangels entsprechender Angebote kaum eine Rolle spielen. 

Arbeitsmarkt fängt Arbeitslose auf

Arbeitsminister Martin Kocher rechnet nicht damit, dass das Auslaufen der bestehenden Kurzarbeitsregeln die Arbeitslosigkeit über den Sommer ansteigen lässt. "In den Bereichen des Arbeitsmarktes, wo es Aufschwung gibt, können die betroffenen Arbeitslosen rasch wieder aufgefangen werden", so Kocher. 

"Das künftige Kurzarbeitsmodell geht stärker auf die individuelle Betroffenheit ein und ist daher besonders treffsicher“, kommentierte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, die Einigung. Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl sagte, die Lösung sei "gelungen, gut und für beide Seiten sehr wichtig".

Fehlender Arbeitsanreiz

Arbeitsmarktexperten zeigten sich zufrieden mit der Verlängerung. Allerdings kritisiert der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria, dass die Ersatzraten für die Arbeitnehmer gleichbleiben, und es für sie keinen Unterschied mache, ob sie 50 oder 20 Prozent der Arbeitszeit in Kurzarbeit sind. Damit fehle der Anreiz, möglichst wenig in Kurzarbeit zu sein. Auch hätte das Institut ein rascheres Ende für die Kurzarbeit gewünscht.

Derzeit sind rund 330.000 Personen zur Kurzarbeit angemeldet. Kocher rechnet damit, dass die Zahl der Kurzarbeitenden bis Ende des Sommers auf 100.000 bis 120.000 fallen wird. Bisher hat das Arbeitsmarktservice (AMS) rund 11 Mrd. Euro an Corona-Kurzarbeitshilfen zugesagt und davon über 7,9 Mrd. Euro ausbezahlt. 

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