Ein Vierteljahrhundert in Pension
Es gibt derzeit wenige Rankings, wo Österreich Spitze ist. Doch bei der Pensionsbezugsdauer von Frauen belegen wir Platz eins. Nirgendwo sonst in einem OECD-Land verbringen Frauen mehr Lebensjahre im Ruhestand: Laut aktuellen Zahlen des Sozialministeriums im Schnitt 25,2 Jahre – mindestens fünf Jahre länger als die Männer. Das faktische Pensionsantrittsalter bei Männern beträgt momentan im Schnitt 61 und bei Frauen 60 Jahre. (Mögliche Erklärung: Frauen fehlen wegen der Kinderbetreuung oft Beitragsjahre, sie können sich damit weniger oft eine Frühpension leisten.)
Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, kritisiert seit Jahren die nur zögerliche Reformbereitschaft der Regierung. Die wachsenden staatlichen Ausgaben für Pensionen (inklusive Beamte) würden den Spielraum für wichtige, zukunftsorientierte Bereiche einschränken. In einem Strategiebericht der Bundesregierung (für die mittelfristige Budgetprognose) lassen sich die Zuwachszahlen herauslesen: Zwischen 2013 und 2019 wird bei den staatlichen Pensionskosten ein Zuwachs von 5,45 Milliarden Euro erwartet. Zum Vergleich: Für denselben Zeitraum rechnet man für Wissenschaft und Forschung mit 466 Millionen plus.
Ohne Beamte (die ja keinen Arbeitgeberbeitrag haben) schießt die Bundesregierung derzeit rund 10 Milliarden Euro direkt aus dem Budget für die 2,1 Millionen Pensionisten zu. In Summe bekommen Pensionisten 34 Milliarden Euro. Der Bundeszuschuss für Beamte beträgt noch einmal 10 Milliarden.
Die Zahl der in Pension verbrachten Lebensjahre steigt kontinuierlich. Dass das Antrittsalter zuletzt auf 60,1 Jahre gestiegen sei, liegt laut Gleitsmann lediglich daran, dass die Rehabilitations- und Umschulungsgeld-Bezieher nun herausgerechnet werden.
"Teure Sause"
Und er hat in den Berechnungen noch ein interessantes Detail entdeckt: Rechnet man die Auslandspensionisten (also Personen, die im Ausland leben, aber einen Teil ihrer Pension aus Österreich beziehen, weil sie hier gearbeitet haben) heraus, sinke das heimische Antrittsalter noch einmal um 0,8 Jahre.
Die Debatten um mangelnde Reformbereitschaft in Griechenland lenkt nun auch die Aufmerksamkeit deutscher Beobachter auf Österreich. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spekuliert man, dass die "Milde" von Kanzler Werner Faymann gegenüber Griechenland auf mögliche Parallelen zwischen den beiden Ländern zurückzuführen sei: überdimensionierter öffentlicher Sektor, Wettbewerbsschwäche – und: niedriges Pensionsantrittsalter. Ätzendes Fazit der FAZ: "Auf Dauer wird sich Österreich seine teure Sause nicht mehr leisten können."
Lehre aus Griechenland
Dieser Meinung schließt sich auch der Thinktank "Agenda Austria" vollinhaltlich an. Österreich solle Lehren aus der griechischen Tragödie ziehen: "Innerhalb von nicht einmal vier Monaten eine Pensionsreform auf die Beine zu stellen und das Rentenantrittsalter auf 67 Jahre anzuheben, ist ein steiler Reformpfad, der wohl auch von uns Österreichern zu schaffen sein müsste." Dabei gehe es definitiv nicht um Pensionskürzungen, sondern um eine Erhöhung des Antrittsalters an die "erfreulicherweise steigende Lebenserwartung".
Eine Studie desselben Instituts zeigt auf, dass durch eine höhere Beschäftigung Älterer die Arbeitslosigkeit bei den Jungen nicht – wie befürchtet – steigt. So wuchs in den Jahren 2004 bis 2013 die Zahl der Erwerbstätigen 55- bis 64-Jährigen um 69 Prozent, die Zahl der arbeitslosen 15- bis 24-Jährigen blieb konstant. Begründung: Die hohe Beschäftigung bei Älteren würde für mehr Kaufkraft und mehr Nachfrage sorgen, wodurch auch mehr Jobs für Jüngere entstehen.
Ältere länger im Erwerbsprozess zu halten, scheitert laut Studie oft an ihren hohen Löhnen, die deutlich über jenen Jüngerer liegen (siehe Grafik). In Deutschland und Schweden etwa ist die Differenz deutlich geringer.
61 Prozent der Österreicher halten laut einer Umfrage aus dem Frühjahr das niedrigere Frauen-Pensionsantrittsalter für gerechtfertigt. Klar: Frauen bekommen Kinder und schupfen oft zusätzlich zu ihrem Job den Haushalt, die Doppelbelastung ist nicht ohne. Dennoch ist es an der Zeit, mit historisch gewachsenen, aber nicht mehr finanzierbaren Annehmlichkeiten aufzuräumen. Zumal Frauen heute vielfach auf Kinder zugunsten der Karriere verzichten. Selbst im viel gescholtenen Griechenland verbringen Frauen weniger Jahre in Pension als hierzulande. Erst in den Jahren 2024 bis 2033 soll eine Annäherung an das Pensionsantrittsalter der Männer beginnen. An eine Vorverlegung will Sozialminister Hundstorfer "gar keinen Gedanken verschwenden".
Sollte er aber, meinte nicht zuletzt die EU in ihren Empfehlungen für Österreich. Wo verschleppte, unpopuläre Reformen hinführen, sehen wir in Griechenland. Und seien wir uns doch ehrlich: Wer Gleichberechtigung fordert, sollte auch in diesem Punkt dafür eintreten. Denn das erhöht die Lebensverdienstsumme.
1906 wurde für Frauen und Männer das gleiche Antrittsalter vorgesehen (70). Damals gab es eine Witwen-, aber keine Witwerpension. Frauen wollten deshalb weniger Beiträge zahlen, da ihre Pensionsansprüche mit ihrem Tod erloschen und nicht auf den Partner übergingen. Da das zu einer Verzerrung am Arbeitsmarkt geführt hätte, wurde beschlossen, dass sie gleich viel einzahlen, aber fünf Jahre früher in Pension gehen sollen. Als Jahrzehnte später die Witwerpension eingeführt wurde, wurde diese Regel nicht geändert. Ab 2024 wird das Antrittsalter der Frauen schrittweise angehoben.
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