Woran es bei der E-Mobilität noch mangelt
Für Fans von Elektroautos sorgte die Meldung in der Vorwoche für Ernüchterung: Im ersten Halbjahr wurden in Österreich weniger neue Elektroautos zugelassen als im Vorjahreszeitraum, während zugleich die Zahl der verkauften Verbrenner signifikant zulegte. Auch weltweit hat sich das Wachstum bei den Stromern eingebremst.
Laut dem Unternehmensberater Roland Berger gab es nach einer Verdoppelung der Neuzulassungen im Jahr 2022 im Vorjahr einen Rückgang auf 33 Prozent. Der Anteil der E-Fahrzeuge an den weltweiten Neuzulassungen wächst damit dennoch weiter – von 14 Prozent auf 20 Prozent 2023. In Österreich sind es aktuell 16 Prozent. Was sind die Gründe für das zumindest vorläufige Abflauen des E-Auto-Hypes global und in Österreich im Speziellen?
Hohe Kosten. Negativen Einfluss auf die Absatzzahlen haben laut Roland Berger weltweit unter anderem hohe Stromkosten und die Inflation. Auch die Reduktion staatlicher Kaufzuschüsse bremst, denn viele Länder verlagern ihre Förderungen weg vom Fahrzeugkauf hin zur Ladeinfrastruktur.
Ladeinfrastruktur. „Der Ausbau geht in vielen Ländern zu langsam“, sagt Stefan Riederle, Partner bei Roland Berger. „Aber ohne Ladeinfrastruktur verkaufen sich Elektrofahrzeuge schlecht.“ Österreich im Speziellen müsse einen Mangel an schnellen Ladegeräten beheben, da das Verhältnis hier deutlich unter dem globalen Durchschnitt liege. So seien in Österreich nur 17 Prozent aller Ladestationen sogenannte Super Charger, global seien es 24 Prozent; in den führenden E-Auto-Ländern USA, China und Deutschland sogar 57 Prozent.
Besser sieht es der Erhebung nach mit der generellen Versorgung von Ladestationen aus. Hier kommen in Österreich auf jede Station 9,4 Autos, global sind es 15,3, bei den Top-3-Ländern allerdings nur 4 Autos.
Weltweit stieg die Zahl der Ladepunkte im Vorjahr stark, zugleich der Anteil der Schnelllader. „Auch wenn diese Zunahme nicht in allen Ländern Schritt hielt mit der wachsenden Zahl von Fahrzeugen, sagen über 81 Prozent der Verbraucher, dass das Laden in den vergangenen sechs Monaten einfacher geworden sei“, so Riederle.
Auch viele Hersteller investieren in Ladenetze, um den Absatz indirekt anzukurbeln. Erschwerend kommt aber in vielen Ländern, so auch Österreich, hinzu, dass es zu viele Ladesysteme und Abrechnungsmodalitäten gibt, die zum Teil nicht untereinander kompatibel sind.
Positiv hebt Riederle hervor, dass die Bundesregierung alleine heuer für Ladestationen 114,5 Mio. Euro bereitstellt. Ziel bis 2030 ist es, dass jeder Österreicher innerhalb eines Radius von 15 Kilometern Zugang zu einer Schnellladestation hat.
Hybride. Rund fünf Prozent aller zugelassenen Pkw in Österreich sind Hybridfahrzeuge, sprich sie haben sowohl einen Verbrenner- als auch einen Elektromotor. Auch wenn diesen Autos aufgrund der zwei Antriebe ein höherer Wartungsbedarf nachgesagt wird, erfreuen sie sich steigender Beliebtheit. So gab es in Österreich im ersten Halbjahr einen Zuwachs von rund 17 Prozent. Die Käufer schätzen bei diesen Varianten die Sicherheit, unterwegs mangels E-Ladestation nicht liegen zu bleiben und auf regelmäßigen kurzen Fahrten keinen Sprit zu verbrauchen. Und das Laden dauert bei Hybriden (bei aktuellen Modellen 70 bis 90 Kilometer Reichweite) nicht so lange.
Die Zahl der Elektroautos in Österreich hat in den vergangenen Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Die ersten nennenswerten Zulassungen gab es 2016. 2018 waren schon rund 20.000 unterwegs, zwei Jahre später mehr als doppelt so viele. Ende des Vorjahres waren es 155.000 und Ende Mai 2024 rund 173.000 zugelassene E-Autos. Ihr Anteil am Gesamtbestand beträgt aktuell dennoch erst 3,3 Prozent.
Die Zahl der Neuzulassungen war im ersten Halbjahr – trotz guter Zahlen im Juni – im Vorjahresvergleich um 5,1 Prozent bzw. um rund 1.200 auf 22.178 Stück geringer. Die Monatsstatistiken zeigen eine Pendelbewegung (siehe Grafik).
Wie in vielen anderen Ländern ist auch in Österreich der US-Hersteller Tesla klarer Marktführer, wobei VW schon die Verfolgung aufgenommen hat. BYD, weltweit die Nummer zwei bei reinen Stromern, liegt noch weit abgeschlagen dahinter. Doch die Chinesen blasen zur Aufholjagd. Die von der EU verhängten Strafzölle dürften die chinesischen Hersteller nicht dauerhaft bremsen können.
Teurere Modelle. Trotz großzügiger Förderungen sind E-Autos in der Anschaffung teurer als Verbrenner. Noch. Denn die Stromer werden immer günstiger, wogegen Verbrenner auch wegen steigender Steuern bei den Preisen zulegen. Schon 2028 könnte es einen preislichen Gleichstand geben.
Wartung. Entgegen der landläufigen Meinung, dass E-Autos weniger oft technische Probleme haben, kommen aktuelle Studien zu einem anderen Schluss. Laut US-Marktforscher J.D. Power etwa müssen E-Autos und Plug-in-Hybride drei Mal so oft in die Werkstatt wie Benziner.
Höherer Wertverlust. Wer ein gebrauchtes E-Auto möchte, dem steht bereits ein durchaus breites Angebot offen. Allerdings müssen die Verkäufer wegen der rasanten Entwicklung bei den Autos mit einem höheren Wertverlust gegenüber Verbrennern rechnen.
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