Der chinesische Autotraum wird wahr

BYD Autos im Hafen von Taicang
Der chinesische Autobauer BYD hat den amerikanischen Platzhirsch Tesla auf die Ränge verwiesen. Zwar hat Elon Musks Unternehmen den Absatz im vierten Quartal um 11 Prozent auf einen Rekordwert von 484.507 Autos gesteigert, BYD wuchs aber noch schneller. Weltweit hat das Unternehmen mit dem Marketing-Slogan „Build Your Dreams“ (Baue deine Träume) 525.409 Elektroautos verkauft.
Das Unternehmen entstand in seiner heutigen Form, als der Batteriehersteller BYD mit Sitz im südchinesischen Shenzhen 2003 den staatlichen Autohersteller Xian Qinhuan übernahm – und damit die Lizenz, Fahrzeuge herzustellen. Zunächst wurden erfolgreiche Modelle etwa von Toyota zum Verkauf am chinesischen Markt kopiert, patentierte Bauteile dabei durch eigene ersetzt.
Eigene Batterie-Produktion
Mit dem stärker werdenden Trend zur E-Mobilität profitierte BYD von der Erfahrung als Batteriehersteller. Das Unternehmen positionierte sich als Innovationsführer und brachte weltweit als Erster vollelektrische Sattelschlepper, Gelenkbusse und Doppeldeckerbusse auf den Markt. Am europäischen Pkw-Markt ist BYD seit 2021 vertreten, die Elektrobusse des Unternehmens fahren als öffentliche Verkehrsmittel unter anderem in London und Amsterdam.

BYD-Chef Wang Chuanfu ist laut Forbes der neuntreichste Chinese
Im Pkw-Segment punktet das Unternehmen vor allem mit vergleichsweise niedrigen Preisen. Möglich werden diese unter anderem dadurch, dass BYD seine Batterien und auch Chips selbst herstellt. Diese vertikale Integration ermöglicht dem Unternehmen mehr Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette, begonnen bei den Rohmaterialien. Auch hat die chinesische Regierung die Elektroauto-Industrie jahrelang gefördert.
Im Jahr 2023 hat BYD den Absatz um mehr als 60 Prozent gesteigert und es erstmals in die Top Ten der größten Autobauer der Welt geschafft (Rang neun). „BYD wächst exponentiell und dürfte in zehn Jahren größer sein als Toyota“, sagte dazu der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer.
Die Besonderheit im Vergleich zur Konkurrenz ist der hohe Anteil alternativer Antriebe: Von drei Millionen verkauften Autos waren 1,6 Millionen E-Autos und 1,4 Millionen Plug-in-Hybride. Zum Vergleich: Bei Volkswagen, dem weltweit zweitgrößten Autobauer nach Toyota, machen E-Autos nur etwa acht Prozent des Absatzes aus.

Der BYD Dolphin, hier auf einer Automesse in Bangkok, kostetet mit einem Listenpreis ab 28.980 Euro deutlich weniger als die Modelle der Konkurrenten Tesla oder Volkswagen
Über das gesamte Jahr 2023 betrachtet hat Tesla mit 1,8 Millionen reinen E-Autos die Nase noch vorne, es ist aber fraglich, ob das so bleibt. Denn Tesla konnte auch deswegen um fast 40 Prozent mehr Autos verkaufen als im Vorjahr, weil es die Preise gesenkt hat. In China wurden die Preise sogar mehrfach rabattiert, nachdem die staatlichen Subventionen für den Kauf eines E-Autos Ende 2022 ausgelaufen sind. Am meisten Autos verkauft hat am weltgrößten Automarkt China trotzdem BYD. Im Jahr 2022 hat das Unternehmen den langjährigen Marktführer Volkswagen abgelöst. Und die Zeichen stehen auf weltweite Expansion. BYD fertigt bereits unter anderem in den USA, Brasilien, Japan und Indien.
Expansion nach Europa
In der EU stellt das Unternehmen seit 2017 Elektrobusse im nordungarischen Komarom her. Im Dezember wurde bekannt, dass im südungarischen Szeged auch eine Pkw-Fabrik entstehen soll. BYD hat keine konkreten Angaben zur geplanten Größe gemacht, der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sprach aber von einer der größten Investitionen in der ungarischen Geschichte. Experten rechnen damit, dass in der Fabrik jährlich bis zu 200.000 Autos gebaut werden sollen.
Der US-Elektroautobauer Tesla ist derzeit mit einer Marktkapitalisierung von rund 830 Milliarden Dollar der weltweit wertvollste Vertreter seiner Branche. Zum Vergleich: Volkswagen kommt auf 260 Milliarden Dollar. Doch die Bewertung der Börsianer muss bekanntlich nicht den realen Umständen entsprechen. Und so gibt es einige Analysten, die die Aktie für deutlich überbewertet halten.
Etwa Craig Irwin vom Investmentbankinghaus Roth MKM, der den Kurs in 12 Monaten bei nur 85 Dollar sieht. Aktuell sind es 238 Dollar. Das wäre ein Rückgang um rund zwei Drittel. In einem Interview mit CNBC verglich er Tesla mit Toyota. „Es gibt nichts, was Tesla hat, das Toyota nicht hat. Warum sollte Tesla mit einem hohen Multiplikator zu Toyota gehandelt werden, wenn es nur einen Bruchteil der Fahrzeuge verkauft?“ Andere Analysten halten hingegen einen weiteren Anstieg auf bis zu 380 Dollar in diesem Jahr für möglich. Die Aktie hat 2023 im Zuge des allgemeinen Tech-Hypes bereits um rund 120 Dollar zugelegt, vom Höchststand von mehr als 400 Dollar im November 2021 ist sie aber noch weit entfernt. Im Durchschnitt aller Analystenziele hat die Aktie aktuell ihren fairen Wert erreicht. 21 Analysten raten zum Halten, 16 zum Kauf oder Aufstocken, 6 zum Reduzieren bzw. Verkaufen.
Die BYD-Aktie spiegelt hingegen die Erfolge des Konzerns nicht wider. In den vergangenen 12 Monaten gab es de facto keinen Kursgewinn. Doch hier sind die Analysten großteils deutlich optimistischer. Von 28 Experten raten 26 zum Kaufen oder Aufstocken, das Kursziel liegt im Schnitt derzeit 60 Prozent über dem aktuellen Wert der in Hongkong notierten Aktie. Doch auch hier gibt es warnende Gegenstimmen. So meint Andy Wong, Analyst bei LW Asset Management Advisors, gegenüber Bloomberg, dass es bei einem schwachen Wirtschaftswachstum und zunehmender Konkurrenz am Heimatmarkt schwierig werde, die hohen Wachstumszahlen des Vorjahres zu wiederholen.
Mit der eigenen Produktion in Europa könnte BYD etwaige EU-Strafzölle umgehen. Die Märkte würden mit billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt, kritisierte im Herbst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und kündigte eine entsprechende Untersuchung an. Bisher verkauft BYD in Europa fünf verschiedene E-Autos, heuer soll die Palette um drei Modelle erweitert werden.
In Österreich gab es zuletzt eine Kontroverse darum, ob die chinesischen E-Autos im öffentlichen Dienst eingesetzt werden sollen. BYD hat zwei von acht öffentlichen Ausschreibungen der Bundesbeschaffung gewonnen. Bis zu 640 BYD-Pkw könnten dadurch in den nächsten vier Jahren für den österreichischen Staatsdienst angeschafft werden.
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