Drohender Handelskrieg: "Wir lassen uns von Trump bluffen"
Grober kann man seine Partner kaum noch brüskieren: Per Tweet sprengte US-Präsident Donald Trump am Sonntag die gemeinsame Erklärung des G-7-Gipfels von Quebec in die Luft. Jede Hoffnung auf eine Entspannung in den verfahrenen Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU ist vorerst verflogen. Denn Trump bleibt dabei: Eine unausgeglichene Handelsbilanz sei eine Art offene Rechnung. Deshalb schulde die EU den USA 151 Milliarden Dollar. So groß ist Europas Handelsüberschuss.
Einer, der dies ganz anders sieht, ist Clemens Fuest. Im KURIER-Interview erklärt der Leiter des ifo-Institutes für Wirtschaftsforschung in München, warum „Trump blufft“ und die EU sich „bluffen lässt“.
KURIER: Wie sollte die EU am besten auf die Strafzölle der USA reagieren?
Clemens Fuest: Die EU sollte zwei Dinge tun. Zum einen maßvoll antworten, also nur in jenem Umfang, in dem die Amerikaner Strafzölle eingeführt haben. Zweitens sollte die Europäische Union nicht nur negativ reagieren, sondern konstruktiv Gespräche anbieten und über Zollabbau reden. Das wird am Ende beiden nutzen.
Wäre die Einführung einer Digitalsteuer, die besonders die amerikanischen Internetriesen wie amazon, google und Co. betreffen würde, eine angemessene Antwort?
Die Digitalsteuer wäre eine ziemlich aggressive Maßnahme gegen diese amerikanische Unternehmen. Das ist protektionistisch und eine Art von Politik, wie sie Trump durchführt. Europa sollte das nicht tun. Europa sollte aber zeigen, dass es in der Lage ist, solche Instrumente einsetzen, wenn US-Präsident Trump seine Zölle verschärft. Klar werden muss aber vor allem, dass Europa antworten muss, wenn die Politik der USA protektionistischer wird.
Hat US-Präsident Trump recht, wenn er behauptet, er wolle seinen Markt schützen?
Der amerikanische Präsident sagt, der Handel sei unfair, Europa würde viel mehr Geld in den USA verdienen als umgekehrt. Das stimmt aber nicht. Amerikanische Statistiken weisen ganz andere Zahlen aus als die europäischen, sie zeigen einen Überschuss. Es ist zwar richtig, dass mehr Güter aus Europa in die USA fließen. (Anmerkung: Das US-Minus gegenüber der EU-28 betrug laut US-Wirtschaftsministerium 153 Milliarden Dollar). Die USA verdienen aber viel mehr in Europa mit Dienstleistungen und mit Unternehmensgewinnen (Plus auf US-Seite: 167 Mrd. Dollar) Die Leistungsbilanz zwischen den USA und Europa ist ausgeglichen. Unter dem Strich steht dort sogar ein Plus von 14 Milliarden Dollar für die USA. Der Handel zwischen EU und USA ist also nicht unfair. Und das bedeutet auch, dass Donald Trumps Verhandlungsmacht ist nicht so groß, wie er glaubt. Europa müsste also sagen: Es stimmt nicht, dass diese Handelsbeziehungen unfair sind.
Aber Trump müsste die amerikanischen Statistiken, die von den europäischen so stark abweichen, doch auch kennen. Taktiert er dann nur, wenn er so auf den Tisch haut?
Er blufft und wir lassen uns bluffen. Wir lassen uns ins Bockshorn treiben, indem wir nichtgenau hinschauen. Die europäische Statistik hat offenbar Lücken, und das müssen wir aufklären.
Welche Folgen hätte ein ausufernder Handelskonflikt?
Wenn sich die Strafzölle hochschaukeln, wird der Handel leiden. Die anderen Länder der Weltwirtschaft, wie etwa China oder Indien werden beim Freihandel bleiben, das heißt, die Geschäfte zwischen Europa und diesen Ländern werden zunehmen. Die USA werden die Hauptleidtragenden sein, denn viele amerikanische Unternehmen brauchen ja Produkte aus dem Ausland, um ihre Produktion sicherzustellen. Also ausländische Produkte kaufen und darauf Zölle zu legen, das ist selbstschädigend. Wir müssen damit rechnen, dass es zu einem Handelskrieg kommt. Man hat doch den Eindruck, dass Trump ziemlich irrational handelt. Ich hoffe, dass er es nicht so weit kommen lässt, aber man kann nichts ausschließen.
Wie begegnen Sie Trumps großem Ärger auf Deutschland? Die USA weisen allein gegen Deutschland ein Handelsminus von 65 Milliarden Dollar aus.
Viele amerikanische Unternehmen machen Geschäfte in Deutschland, transferieren aber ihre Gewinne in die Niederlande. Von dort aus können sie ihre Gewinne weiter in Steueroasen außerhalb Europas verschieben. Gegenüber den Niederlanden haben die USA ein Plus in der Leistungsbilanz von fast 100 Milliarden Dollar. Europa ist ein sehr stark integrierter Wirtschaftsraum. Es hat nicht viel Sinn, Deutschland und die USA als Wirtschaftspartner isoliert zu betrachten. Denn innerhalb von Europa gibt es Gewinnverschiebungen, die unerwünscht sind. Davon profitieren die amerikanischen Unternehmen, sie sind aber nicht die einzigen. Auch europäische Unternehmen nützen diese Steuerlücken aus, das kann man ihnen nicht vorwerfen. Da muss der Gesetzgeber aktiv werden und die Lücken schließen.
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