Djankov: "Zweiter Schuldenschnitt nötig"

Djankov: "Zweiter Schuldenschnitt nötig"
Bulgariens Finanzminister Simeon Djankov fordert von Athen mehr Reformen. Den Euro-Austritt schließt er nicht mehr aus.

Der konservative bulgarische Vizepremier Simeon Djankov wirft der griechischen Regierung vor, viel zu wenig für den Schuldenabbau des Landes zu unternehmen.

KURIER: Herr Finanzminister, sind Sie für weitere Hilfen an Griechenland?

Simeon Djankov: Wir lehnen weitere finanzielle Hilfen ab. Die Regierung macht nicht genug Reformen, um die Lage zu verbessern. Es muss mehr getan werden, das klingt hart. Griechenland steckt seit 2008 in der Rezession, das Einkommen der Bürger ist um ein Drittel zurückgegangen. Es geht nicht, dass die EU und der IWF nur geben, geben, geben – ohne Resultate.

Ist der Bankrott Griechenlands eine Lösung?

Bevor es dazu kommt, bin ich für einen Schuldenschnitt Ende 2012 oder 2013. Ein zweiter Haircut ist sicher nötig, Griechenland kann seine Schulden nie zurückzahlen. Wenn die Regierung keine Strukturreformen macht, darf es kein Geld mehr geben. Das bedeutet den Euro-Austritt. Die griechische Wirtschaft könnte sich dann schneller und besser erholen.

Können die EU-Politiker die schwere Schuldenkrise überhaupt noch in den Griff bekommen?

Es wurden sehr viele Fehler gemacht. Entscheidend war das Jahr 2010 als IWF und EU für das erste Griechenland-Hilfspaket keine Auflagen machten. Das hat die Krise verschärft und verlängert.

Das Krisenmanagement war also nicht gut?

Was heißt ,nicht gut", es war schrecklich. Im Juli 2009 war ich das erste Mal bei einem Finanzministertreffen, dann hieß es, wir sehen uns im Oktober wieder. Ich war in der Weltbank für Krisenmanagement zuständig, die EU-Minister hätten sich jede Woche treffen sollen. In der Krise kann man nicht auf Urlaub gehen. Die EU braucht viel schnellere Entscheidungen. Auch die Schuldenbremse kam viel zu spät.

Wird Bulgarien an der Bankenunion teilnehmen?

Wir sind dafür, stellen aber Bedingungen: Wir wollen gleichberechtigt mit den Euro-Mitgliedern in dem Kontrollgremium, das an die EZB angeschlossen ist, vertreten sein. Wir wollen dort Sitz und Stimme haben. Alles andere wäre diskriminierend. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es bei uns keine EU-Bankenaufsicht. Im Übrigen sind wir der österreichischen Finanzministerin sehr dankbar, dass sie das auch so sieht und unsere Haltung unterstützt.

Auch österreichische Banken sehen das so.

75 Prozent unseres Bankensektors sind in Händen von EU-Banken, davon sind die Hälfte österreichische Institute. Das zeigt, wie wichtige eine gemeinsame Bankenaufsicht ist.

Bulgarien erfüllt alle Maastricht-Kriterien. Ist das Land 2014 Teil der Euro-Zone?

Nein, wir verbleiben in der Nicht-Euro-Gruppe.

Warum? Der Vertrag sieht bei Erfüllung der Maastricht-Kriterien einen automatischen Euro-Beitritt vor.

Wir sind im Euro-Warteraum, auch wenn wir das einzige EU-Land sind, das die Maastricht-Kriterien e rfüllt. In unseren Budgetgesetzen gibt es eine Schuldenbremse, die eine Neuverschuldung von zwei Prozent und eine Schuldenlast von 40 Prozent erlaubt (die Maastricht-Kriterien sehen drei Prozent und 60 Prozent vor) . Wir warten, wie sich die Fiskalunion entwickelt. Wir sind entschieden gegen die Pläne Frankreichs, die Steuern zu harmonisieren. Unsere Flat Tax von zehn Prozent fördert Investitionen. Wir brauchen diesen Steuersatz noch mindestens zehn bis 15 Jahre. Wir beharren auf unserem Steuersyste m als Bedingung für die Fiskalunion.

Genügt der Fiskalpakt mit der Schuldenbremse, um die Budgetdefizite zu senken?

Die Kontrolle muss noch strenger und effizienter werden. Die EU-Kommission ist dazu nicht imstande. Die Durchsicht der Budgetpläne ist für sie eine bürokratische Übung. Wir schicken unsere Unterlagen an die Kommission, ihre Antwort ist nicht substanziell, als ob der Text nicht einmal gelesen worden wäre. Wir befürchten, dass die Kommission nicht in der Lage ist, die Fiskalunion aufzubauen und zu kontrollieren.

Verstehen Sie die Nettozahler, wie Österreich, beim EU-Budget 2014–2020 zu sparen?

Wir verstehen die Nettozahler. Wir müssen darüber reden, wie wir die Gelder besser verteilen und einsetzen. Bulgarien verwendet die EU-Mittel sehr gut. 2012 haben wir mit EU-Förderungen 100 Kilometer Autobahn gebaut, in 30 Jahren zuvor waren es nur 40 Kilometer. Es wurde kürzlich auch eine zweite Donau-Brücke eröffnet.

Wollen Sie bei den Wahlen im Juli 2013 Ihren Ministerpräsidenten beerben?

Nein, Premier Borrisov ist ein sehr guter Regierungschef. Trotz eisernen Sparens hat die Regierung hohe Anerkennung bei den Wählern.

Als Nachbar der Türkei sind Sie für den EU-Beitritt?

Langfristig ja. Zuvor müssen sich aber Strukturen und Institutionen der EU ändern.

Djankov: Weltbank-Ökonom als Minister

Ausbildung Geb. 13. 7. 1970 in Lowetsch. Ökonomiestudium; Doktorat, University of Michigan.

Karriere 1997 Eintritt in die Weltbank; Chefökonom für den Finanz- und privaten Sektor. Autor des Weltentwicklungsberichtes 2002. Gründer der Weltbank-Doing-Business-Serien. Er ist einer der 150 am meisten zitierten Ökonomen der Welt.

Politik Ab Mitte 2009 Vizepremier und Finanzminister in der konservativen Regierung von Premier Borissov. Architekt des bulgarischen Reformprogramms.

Privat Verheiratet, zwei Söhne.

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