Wie man Strom nur dann verbraucht, wenn er günstig ist

Stromnetz-Kontrollraum mit riesigem Display und Mitarbeitern vor Computern.
Mit intelligentem Lastmanagement und smarten Netzen könnte man viel Kosten sparen. Anbieter kommen oft aus Österreich.

Beim Umbau des Energiesystems macht Österreich gute Fortschritte. Bei der Digitalisierung des Energiesystems besteht allerdings noch Aufholbedarf. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Klimaforschungsinstituts Kontext. Darin soll aufgezeigt werden, welche Chancen für Unternehmen und den gesamten Wirtschaftsstandort sich eröffnen, wenn technische Möglichkeiten genutzt werden - und dafür notwendige Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Studie soll Wissenslücken füllen

"Digitalisierung und Künstliche Intelligenz haben großes Potenzial", sagt Studienautorin Johanna Roniger zum KURIER. "Viele Akteure aus Wirtschaft und Politik haben dabei Wissenslücken und wünschen sich mehr Klarheit." Die Studie ist in vier große Bereiche gegliedert, in denen man mit kleinen Hebeln große Effekte erzielen und Kosten sparen könnte.

Betrieb von Anlagen zeitlich verschieben

Ein Bereich ist intelligentes Lastmanagement. Dabei wird der Stromverbrauch zeitlich verschoben, um Preisentwicklungen am Strommarkt auszunutzen. Sie schwanken im Tagesverlauf enorm. Am 19. August schwankten Großhandelspreise etwa zwischen 24 Euro pro Megawattstunde (zu Mittag) und 152 Euro (abends). Unternehmen, die es schaffen, ihre Produktion in die günstigeren Stunden zu verlegen, können davon enorm profitieren.

Die Studie nennt hier etwa das Beispiel eines Zementwerks, das bestimmte Anlagen wie Mühlen nicht permanent betreiben muss. Alleine durch zeitliche Flexibilität in einem Teilbereich kann das Werk seine Stromkosten pro Jahr um 4,2 Prozent reduzieren. Am Energiemarkt können Unternehmen ihre Flexibilität auch in Erträge umwandeln, indem sie die Abnahme von Strom anbieten und verkaufen.

Heimische Unternehmen bei Energie sehr innovativ

Die Nachfrage nach intelligenten Steuerungssystemen und Energiemanagementsystemen, die solche Handlungsoptionen eröffnen, wächst weltweit. "Österreich zählt im EU-Vergleich zu den innovativsten Mitgliedsstaaten in strategischen Schlüsseltechnologien", heißt es in der Studie. In der Handelsbilanz spiegle sich diese Innovationskraft aber nicht wider, was auf fehlende Skalierung, unzureichende Produktentwicklung und unausgeschöpfte Exportchancen hinweise.

"Wir haben eine geringe Gründerquote und es ist schwierig, zu Geld zu kommen", sagt Roniger. Bei staatlichen Förderungen könnte mehr darauf geachtet werden, digitale Lösungen stärker auf Internationalisierung auszurichten.

Die eFriends Watch zeigt an, wann besonders günstige Zeitpunkte für den Stromverbrauch sind.

Ein Beispiel für Plattformen, die Energiegemeinschaften vereinfachen: Die eFriends Watch zeigt an, wann besonders günstige Zeitpunkte für den Stromverbrauch sind.

Stromnetze könnten effizienter betrieben werden

Ausbaubedarf gibt es auch bei der Umsetzung von "Smart Grids". Intelligente Stromnetze könnten die Energieversorgung effizienter und resilienter machen. Als Ansatzpunkt genannt werden etwa Prognosesysteme und digitale Zwillinge. Sie könnten anhand von Echtzeitdaten verschiedene Szenarien simulieren und damit Ausfällen vorbeugen und Reaktionen auf Störfälle beschleunigen.

Auf der Verbraucherseite könnten digitale Stromzähler (Smart Meter) dabei helfen, Strombedarf und -Erzeugung besser aufeinander abzustimmen. Das kommende ElWG sieht die automatische Datenübertragung im Viertelstundenintervall vor, bisher musste man dies als Kunde aktiv einfordern.

Ein Risiko bei der Digitalisierung des Stromnetzes ist, dass dadurch viel neue Angriffsfläche für Cyberangriffe entsteht. Auch potenziell manipulierbare Energietechnikkomponenten - etwa Photovoltaik-Wechselrichter - stellten eine Gefahr dar.

Energiegemeinschaften mehr Optionen eröffnen

Als viertes großes Handlungsfeld identifiziert die Studie digitale Plattformen für Energiegemeinschaften. Sie ermöglichen es Menschen, selbsterzeugten Strom und Speicher optimal zu nutzen. Ein Beispiel sind Webseiten oder Apps, die genau anzeigen, zu welchem Zeitpunkt wie viel Strom produziert wird. Durch sie könnte überschüssige Energie bestmöglich genutzt werden.

Netzentgelte für Stromproduzenten wären okay

Vom ElWG erwartet sich Roniger einige Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen für die Digitalisierung. An der endgültigen Version wird derzeit noch gearbeitet. Aus Sicht der Studienautorin sei etwa besonders wichtig, die Integration von Speichern in das Energienetz durch das Gesetz zu vereinfachen. Ein aktuell heiß diskutierter Punkt sei eine neue Verteilung der Netzentgelte.

"Netznutzungsgebühren für Erzeuger sind nicht per se etwas Schlechtes", sagt Roniger. Sie müssten aber richtig ausgestaltet sein, um den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht zu bremsen. Das Argument, dass durch Netzentgelte für Einspeiser auch Strompreise steigen werden, kann die Forscherin nur teilweise nachvollziehen: "Einen Teil der Kosten würden sie wohl weitergeben, aber durch die Merit Order und die Ausrichtung auf teure Gaskraftwerke haben Energieerzeuger auch viel Gewinn gemacht." Teile davon sollten auch dem Netzausbau zugutekommen.

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