Müssen die Energieversorger in Österreich die Strompreise niedrig halten?

Euroscheine und Gerätestecker auf einer Stromrechnung
Die großen heimischen Stromlieferanten sind großteils in öffentlicher Hand. Das verpflichtet sie aber nicht, rein kostendeckend zu arbeiten.

Die gestiegenen Energiekosten sind ein Thema, das viele KURIER-Leser sehr verärgert. Das kommt in Leserbriefen deutlich zur Geltung. Einigermaßen verbreitet ist dabei die Überzeugung, dass es ein großes Versäumnis des Staates sei, für leistbare Preise zu sorgen. Die großen heimischen Energieversorger werden von der öffentlichen Hand kontrolliert. Sie sollten doch den öffentlichen Auftrag haben, kostendeckend und nicht gewinnmaximierend zu arbeiten, lautet ein Argument. Aber ist das tatsächlich so?

Freier Markt mit einer gewissen Verzerrung

"Nein", sagt Alexandra Schwaiger-Faber, Leiterin der Abteilung Recht der E-Control. "Energielieferanten in Österreich arbeiten in einem liberalisierten Markt." Die großen Landesenergieversorger seien davon nicht ausgeschlossen. Ein freier Markt solle dafür sorgen, dass es eine gute Angebotssituation gibt, weil Anbieter in Konkurrenz zueinander stehen.

Die spezielle Situation in Österreich sei, dass Landesenergieversorger in ihren Bundesländern eine sehr dominante Stellung hätten und in ihrem Netzgebiet viele Kunden beliefern. Außerdem gebe es eine hohe Konzentration bei Querbeteiligungen. Die großen heimischen Energieversorger halten gegenseitig Anteile aneinander. Dass sich das negativ auf den Wettbewerb auswirke, darauf weisen Bundeswettbewerbsbehörde und E-Control schon länger hin.

Landesenergieversorger können jeden Preis verlangen

"Eine Vorschrift, die sagt, sie dürfen nur einen gewissen Preis verlangen, gibt es aber nicht", sagt Schwaiger-Faber. In der Einleitung des kommenden Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) sei zwar festgeschrieben, dass Elektrizitätsunternehmen, die sich mehrheitlich im Besitz von Gebietskörperschaften befinden, die Verpflichtung hätten, eine sichere und leistbare Energieversorgung zu gewährleisten. "Das in einen konkreten Rechtsanspruch umzuwandeln, wird aber nicht funktionieren", so die Expertin.

"Rechtlich gesehen handelt es sich um einen freien Markt. Der Staat ist interessiert daran, dass Energie leistbar ist, bei der Preisgestaltung hat er aber keine rechtliche Handhabe", bestätigt Manuela Robinson, Abteilungsleiterin Beratung beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) diese Einschätzung. Kunden, die ein Problem damit haben, welche Preise ein Landesenergieversorger verlangt, könne man nur raten, flexibel zu sein und den Anbieter zu wechseln.

Einfacher Ausweg: Anbieter wechseln

Die Vielfalt an Strom- und Gasanbietern in Österreich sei groß, sagt Schwaiger-Faber. Es gebe Produkte für unterschiedlichste Bedürfnisse und Verbrauchssituationen. Nur die Wechselbereitschaft sei in Österreich nicht sehr ausgeprägt. "Es ist ein sehr träger Markt, verglichen etwa mit dem Mobilfunkmarkt." Robinson rät Energiekunden, Vergleiche anzustellen. Werkzeuge wie der Tarifkalkulator der E-Control würden dies sehr einfach machen. Auch der Wechsel des Anbieters an sich sei sehr einfach und laufe nach klar definierten Regeln ab.

Der VKI habe erkannt, dass es vielen Menschen nicht leicht falle, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. "Es ist schon eine gewisse Hürde, überhaupt nachzuschauen, was Strom und Gas woanders kosten. Wir bieten eine Beratung an, wie man mit dem Tarifkalkulator umgeht."

"Leute halten sehr an ihrem Anbieter fest"

Zu der These, dass viele Energiekunden möglicherweise an eine Zeit vor der Strommarktliberalisierung (im Jahr 2001) zurückdenken und die Möglichkeit eines Anbieterwechsels nicht in Betracht ziehen, meint Robinson: "Das kann schon sein. Viele Leute halten sehr an ihrem Anbieter fest. Es ist aber sinnvoll, die Einstellung zu haben, dass man durchaus wechseln kann."

Grundversorgung war während der Krise attraktiv

Wo Energieversorger tatsächlich einem öffentlichen Auftrag nachkommen müssen, ist bei der Grundversorgung. Die Unternehmen sind dazu verpflichtet, Kunden unter Vertrag zu nehmen, die von ihrem Lieferanten gekündigt worden sind und keinen neuen finden - wenn diese sich auf die Grundversorgung berufen. Während der Energiekrise 2022 sei diese Funktion für manche Menschen plötzlich attraktiv geworden, schildert Schwaiger-Faber.

Durch die Grundversorgung mussten Energieversorger neue Kunden aufnehmen und ihnen Preise bieten, zu denen sie ihre jeweils größte Kundengruppe bedienten. Das habe zu einem Aufschrei in der Branche geführt. Den Unternehmen sei es nämlich schwer gefallen, am Strommarkt teuer einzukaufen und Neukunden niedrigere Preise zu bieten. Im ElWG wird es deshalb auch eine Neuregelung geben.

Finanzielle Optimierung ist nicht das Ziel

Kunden, die durch die Grundversorgung aufgenommen werden müssen, erhalten künftig den gleichen Tarif wie andere Neukunden. "Die Grundversorgung hat nicht das Ziel der finanziellen Optimierung. Sie dient dazu, dass Menschen nicht aus der Versorgung hinausfallen. In Krisenzeiten war das ein zufällig auftretender Effekt. Aber im Grunde soll es ein Kontrahierungszwang sein, der sicherstellt, dass es nicht zu einem vertragslosen Zustand kommt."

Bei Strom tritt im Übrigen durch das ElWG eine Neuregelung in Kraft, bei Gas allerdings ist es weiterhin so, dass die Grundversorgung zu Bedingungen abläuft, wie sie der größte Teil der Kunden eines Unternehmens vorfindet.

Bleiben Preise hoch, helfen Floater oder Wechsel

Eine oft vorgetragene Beschwerde an Energieversorger besagt auch, dass Preise während der Krise an höhere Großhandelspreise angepasst wurden, bei seitdem sinkenden Preisen aber auf höherem Niveau verharren. Das Problem hatten Kunden mit einem Floater-Tarif - bei dem Preise ständig an die Großhandelslage angepasst werden - nicht.

Schwaiger-Faber ist überzeugt, dass man auch mit Fixtarifen vor einer solchen Situation gewappnet wäre, solange man regelmäßig Preise vergleiche. "Man kann einfach wechseln und dabei etwa auch von einem Wechselbonus profitieren. Eine Sache, zu der wir auch stark raten, ist eine Monatsrechnung. Damit haben Kunden einen besseren Überblick über ihr Verbrauchsverhalten. Und wenn die Rechnung höher ausfällt, ist der Anreiz höher, Strom zu sparen oder den Anbieter zu wechseln." 

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