"Die Grundstimmung passt nicht"

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV): "Wir brauchen mehr Schulautonomie und einen Mittlere Reife am Ende der Sekundarstufe I."
IV-Generalsekretär Neumayer: Bürokratie-Abbau soll Trendwende einleiten.

Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich auf Rekordhoch, das Wachstum stagniert, die Verschuldung steigt weiter und im Wettbewerbsranking verliert das Land laufend an Terrain. "Es manifestiert sich jetzt in Zahlen, wovor wir seit zwei bis drei Jahren warnen", sagt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), im KURIER-Gespräch. "Und die Menschen sind nicht überzeugt, dass es Lösungen gibt." Dies zeige sich auch anhand der jüngsten Wahlen. So sei in der Steiermark nicht etwa die Reform-Mannschaft abgestraft worden. "Die Ergebnisse sind ein Zeichen, dass die Grundstimmung nicht passt."

Auch bei den Unternehmern sei die Stimmung schlecht. "Es gibt zum Beispiel nur Ersatz-, aber kaum Erweiterungsinvestitionen. Das Geld dafür wäre da, aber es fehlt das Vertrauen."

Die Stimmung im Land zu drehen sei Aufgabe der Regierung, so Neumayer. "Wir alle leiden darunter, dass die falschen Themen aufgegriffen werden." Man habe den Eindruck, die Rekordarbeitslosigkeit werde nicht ernst genommen, dafür aber lange über Ampelmännchen oder Pograpschen diskutiert.

Fass ist voll

Der Ärger entlade sich jetzt, weil das Fass voll sei. Am Beispiel Autobranche: Die Steuererhöhung bei Dienstautos alleine wäre kein so großes Thema, wenn es nicht die bereits elfte Steuererhöhung in zehn Jahren wäre, welche die Branche trifft. "Die Regierung scheint die Lage anders wahrzunehmen", fürchtet Neumayer. Der Leidensdruck sei offenbar noch nicht groß genug. "Will sie so lange warten, bis sie bei der nächsten Wahl weniger als 50 Prozent der Stimmen erhält?"

Eine Trendumkehr wäre möglich, ein erster Schritt dazu wäre für die Wirtschaft ein Bürokratieabbau. So wünscht sich Neumayer endlich flexiblere Arbeitszeiten. "Die Industrie wird immer mehr zu einem Dienstleister, der kurzfristig Aufträge erhält." Dies sei mit dem jetzigen Arbeitszeitrecht oft nicht vereinbar.

Nichts hält er davon, mehr Flexibilität gegen eine sechste Urlaubswoche abzutauschen oder eine Lohnnebenkostensenkung gegen ein Bonus-Malus-System für die Beschäftigung von über 50-Jährigen. "Wenn wir nicht von dieser Praxis des Abtauschens wegkommen, werden wir nicht wettbewerbsfähig bleiben." Der Industrie-General lehnt aus diesem Grund auch eine Maschinensteuer, Überstunden-Euro und Arbeitszeitverringerung ab. Bei weniger Überstunden würde die Flexibilität zusätzlich leiden und Dienstnehmer hätten geringere Einkommen.Neumayer wünscht sich weiters Vereinfachungen im Anlagerecht. Derzeit warte man für geringfügige Veränderungen, wie etwa beim Aufstellen einer Rigipswand, wochenlang auf alle Genehmigungen. Künftig soll eine Meldepflicht reichen, sofern keine Schutzbestimmungen betroffen sind. Die Bezirkshauptmannschaften sollen zu One-Stop-Shops werden und alle nötigen Bescheide in einem Zug ausstellen.

Über eine Bürokratie-Reform gibt es am 23. Juni einen Gipfel der Regierung und Sozialpartner.

Kommentare