Die fetten Jahre sind vorbei: 2020 wieder mehr Arbeitslose

Der Bau, der private Konsum und die Dienstleistungen stützen die österreichische Wirtschaft; am Industrie-Tief sind die Handelskonflikte und Unsicherheit Schuld.
Konjunkturprognose: Die heimische Wirtschaft wächst schwächer, steckt aber nicht in der Krise – Ausnahme ist die Industrie.

Es ist "keine ganz hohe, aber auch keine schlechte oder unerfreuliche Kunde", die die Wirtschaftsforscher kurz vor Weihnachten überbringen, sagte Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), am Freitag.

Das starke Wachstum wie 2016 bis 2018 mit Zuwachsraten über zwei Prozent ist zwar vorbei.

Von einer Krise oder Rezession, die viele "herbeireden", sei aber keine Rede. Der Unterschied ist entscheidend: Die Wirtschaftsleistung mag weniger stark wachsen als zuvor. Sie ist aber weit davon entfernt zu schrumpfen.

"Leise rieselt die Konjunktur so vor sich hin", sagte Christoph Badelt, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo).

Die fetten Jahre sind vorbei: 2020 wieder mehr Arbeitslose

Christoph Badelt (Wifo), Martin Kocher (IHS)

Industrie in Rezession

Einzige Ausnahme: die heimische Industrie. Sie leidet unter den von US-Präsident Trump angezettelten Handelskonflikten, der Brexit-Verunsicherung und dem ausgelaufenen Investitionszyklus. Angesteckt von der deutschen Industrie, deren Durststrecke schon ein Jahr länger dauert, steckt auch der österreichische Produktionssektor in der Rezession.

Kompensiert wird das in Österreich allerdings durch den starken privaten Konsum, der von kräftigen Einkommenszuwächsen begünstigt ist. Der Dienstleistungssektor expandiert ebenfalls und die Baukonjunktur steht gut da.

Die fetten Jahre sind vorbei: 2020 wieder mehr Arbeitslose

Der Abbau der Arbeitslosigkeit gerät dennoch ins Stocken. Der Grund: Die Zahl der Beschäftigten nimmt zwar zu, aber zu wenig, um das Arbeitskräfteangebot aufzufangen. Das wächst nämlich noch stärker. Deshalb wird die Arbeitslosenquote ab 2020 wieder steigen – wie von Wifo und IHS im März 2019 prognostiziert und im KURIER berichtet.

Konkret rechnet das Wifo mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von heuer 7,3 Prozent auf 7,4 Prozent in den Jahren 2020 und 2021. Das IHS ist eine Spur pessimistischer und prognostiziert 7,5 Prozent für 2020 und 2021.

Ihren Höhepunkt hatte die Arbeitslosigkeit nach der Krise übrigens 2016 erreicht. Damals waren im Jahrschnitt 357.300 Österreicher ohne Job, das waren 9,1 Prozent der unselbstständig Beschäftigten.

Viele Unwägbarkeiten

Die Prognose für 2020 ist allerdings mit besonders großen Unsicherheiten behaftet. Nicht nur, weil US-Präsident Trump unberechenbar agiert und Österreich auf eine Regierung und deren Programm wartet.

Sondern auch, weil ungewiss ist, ob sich die Industrie wie erhofft erfängt. Unterstellt ist dabei, dass der Welthandel nicht mehr wie heuer schrumpft (-0,6 Prozent laut IHS), sondern zumindest geringfügig, um erwartete 1,2 Prozent, wächst. Das würde auch ein Anziehen der Exporte ermöglichen und somit die Industriekonjunktur ankurbeln.

Je länger deren Schwäche anhalte, umso größer werde nämlich die Wahrscheinlichkeit eines Übergreifens auf den Dienstleistungssektor. Die Diskrepanz zwischen beiden Sektoren bestehe schon "untypisch lange", betonte das Wifo.

Briefe ans Christkind

Obwohl sie selten erhört werden, richteten die Ökonomen abermals Wünsche an die künftige Regierung. "Wir schreiben ständig Briefe ans Christkind", sagte Wifo-Chef Badelt mit leiser Ironie. Auf dem Wunschzettel: eine steuerliche Entlastung, die nach den kleinen jetzt den mittleren Einkommen zugute kommen sollte (Kocher). Der Faktor Arbeit wurde "bisher nur zart entlastet" (Badelt).

Handlungsbedarf sehen die Forscher unverändert bei Bildung, Forschung, Digitalisierung und in Sachen Demografie. So sollte der Kostenzuwachs bei den Pensionsausgaben eingedämmt werden. Die heuer wieder beschlossenen, abschlagsfreien Frühpensions-Optionen seien „aus Kostensicht nicht klug“ gewesen, kritisierte Kocher.

Und auch die Öko-Orientierung des Steuersystems fehle nach wie vor. Kocher plädierte für eine "Bepreisung klimaschädlichen Verhaltens. Macht man das klug, kann es aufkommensneutral sein." Denn, so Badelt: "Nicht in den Klimaschutz zu investieren, können wir uns nicht leisten."

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