Die Briten brauchen die EU mehr als umgekehrt

Knausrige Briten wären schlecht für den Tourismus.
Brexit-Folgen treffen Malta, Irland und Niederlande am stärksten - Österreich vergleichsweise wenig.

Das britische Referendum über den EU-Austritt hat vor allem eins gebracht: Verunsicherung. "Die Unternehmen sitzen auf den Händen", sagte Christian Kesberg, Wirtschaftsdelegierter in London, am Montagabend bei einer Diskussion im Außenministerium. Investiert wird aktuell kaum. Ziegelhersteller Wienerberger habe begonnen, die Produktion zurückzufahren. Kesberg erwartet eine Phase mit schwachem Wachstum und starken Schwankungen des Pfundkurses. Sollte die Regierung wie angekündigt ein Infrastruktur-Paket schnüren, dürften sich jedoch Firmen wie Andritz und voestalpine wohl auf Aufträge freuen.

Insgesamt sind die Briten stärker auf die EU angewiesen als umgekehrt, vor allem im Güterhandel und bei Investitionen, ergab eine Studie des WIIW-Ökonomen Robert Stehrer. Bei Dienstleistungen verzeichnen sie einen Überschuss, was in den Verhandlungen über die neue Zusammenarbeit mit der EU eine Rolle spielen werde.

Gemessen an der Wertschöpfung liegt Großbritannien auf Platz sieben der wichtigsten Exportländer Österreichs. Der Anteil an der Wirtschaftsleistung (BIP) ist mit 1,2 Prozent aber eher gering. Deshalb würde sich ein britischer Wachstumseinbruch um 2 Prozentpunkte (über drei Jahre) nur mit –0,3 Prozent auf Österreichs BIP niederschlagen. Länder wie Malta, Irland oder Niederlande wären stärker betroffen. Relativ am stärksten bekommt die Auswirkungen der Abschwächung die produzierende Industrie in Österreich zu spüren, insbesondere Hochtechnologiesparten wie Fahrzeuge und Komponenten, Papier-, Chemie-, Kunststoff- und Elektroindustrie sowie Maschinenbau.

Trend "Staycation"

Allerdings bangt auch der Tourismus um 900.000 Urlauber pro Jahr. Österreich gilt bei den Briten als beliebtes Ziel auch für mittlere Verdiener. Für die wird Reisen teurer, weil der Pfund-Kurs stark gefallen ist. Viele Briten entscheiden sich deshalb für "Staycation" (Urlaub in Balkonien), sagte Österreichs Botschafter Martin Eichtinger.

Die Hoffnung mancher EU-Länder, London die Rolle als größter Finanzplatz abspenstig machen zu können, hält Claus Raidl, Sprecher der Standortinitiative 21st Austria, für "maßlose Selbstüberschätzung. Dort ist unglaublich viel Know-how vorhanden." Der Brexit werde dem Finanzplatz eine "Delle, einen Blechschaden" verursachen. Dass andere Länder profitieren, glaube er nicht, sagte auch Kesberg. Die Schlagzeilen über Abwanderungspläne von Banken seien Drohgebärden.

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