Die Aufräumer: Was Nachfolger von Erfolgschefs alles zu tun haben
Sie müssen nicht nur in große Fußstapfen treten. Sondern auch Entscheidungen ausbaden, die ihre Vorgänger trafen.
16.02.20, 05:01
Auf den ersten Blick scheint es unerklärlich: Gerade kannte man die Konzerne noch als hochprofitabel, erfolgreich und Marktführer. Doch plötzlich sind sie ganz unten, schreiben Verluste oder müssen zumindest steile Gewinnrückgänge hinnehmen, kündigen massenhaft Mitarbeiter und ringen um eine Neuausrichtung ihres Geschäfts. Das gilt für die Deutsche Bank ebenso wie für Semperit oder die voestalpine. Lässt sich ein Erklärungsmuster für den Niedergang finden?
„Ja“, ist der Schweizer Ökonom und Managementexperte Gilbert Probst überzeugt. Er beschäftigt sich schon zwei Jahrzehnte mit der „Logik des Niedergangs“ und hat in seinen Analysen von Großkonzernen einige Risikofaktoren erkannt: Neben exzessivem Wachstum und überzogener Erfolgskultur ist vor allem ein übergroßes Ego des Chefs ein Gefahrensignal. Dominierende Persönlichkeiten, visionär, charismatisch und selbsicher an der Unternehmensspitze, umgeben von Gefolgsleuten. Niemand wagt es, sie zu bremsen, alle bewundern, wie sie Millionen scheffeln.
Am Wendepunkt
Alexander Kainer, Partner im Consulting bei DeloitteÖsterreich, glaubt, dass die Wirtschaft jetzt wieder an einem Wendepunkt angekommen sei, an dem bisherige Super-Unternehmen in tiefe Krisen zu stürzen drohen. Er versucht aus den Geschäftsdaten zu erkennen, wann es gefährlich wird. „Wenn das Wachstum von Umsatz und Betriebsgewinn weit auseinanderklaffen, ist Handlungsbedarf gegeben“, sagt er. Oder wenn die Vertriebsleute mit der Produktion zu streiten begännen. Denn im Verkauf erkenne man Nachfragerückgänge am schnellsten.
Das aber wollen übermächtige Unternehmenschefs oft nicht akzeptieren. Im Gegenteil: Sie treiben das Vertriebspersonal noch mehr an. Es gebe aber auch Lösungen, die vor dem Absturz bewahren, sind Probst und Kainer einig: Geteilte Macht an der Spitze und ausgewogene Unternehmensstrukturen schützen vor allzu harten Krisen.
Voestalpine: Und plötzlich war alles anders
Wolfgang Eder führte den Stahlkonzern voestalpine in seinen 15 Jahren als Vorstandsvorsitzender in neue Dimensionen. Er verdoppelte die Mitarbeiterzahl und verdreifachte den Umsatz. Eder stellte den ehemaligen „Stahlkocher“ breiter auf und machte ihn internationaler und moderner. Unter seiner Ägide wurde u.a. der Edelstahlproduzent Böhler-Uddeholm übernommen, in Texas ein Stahlwerk errichtet und in Linz ein Pilotprojekt gestartet, um mit Wasserstoff umweltfreundlich Stahl zu produzieren. Seit Eders Abgang im Sommer 2019 häufen sich jedoch die Negativmeldungen und daran soll nicht sein Nachfolger Herbert Eibensteiner schuld sein, heißt es in Branchenkreisen.
Die Voest leidet unter der schwachen Nachfrage in der Autoindustrie, steigenden Eisenerz- und sinkenden Stahlpreisen und den US-Importzöllen auf Stahl und Aluminium. In den ersten drei Quartalen 2019/20 brachte das nach vielen guten Jahren einen Verlust von 160 Millionen Euro ein, sogar Kurzarbeit ist bei den Linzern wieder ein Thema. Analysten sehen die Voest zu stark auf die Hauptabnehmerbranchen Automotive und Energie fokussiert. Eine rasche Erholung erwarten sie nicht.
Semperit: „Gib’ Gummi“ endete mit Vollbremsung
Nach dem Motto „Gib’ Gummi“ trieb der als wenig risikoscheu bekannte deutsche Top-Manager Thomas Fahnemann die Expansion bei Semperit in rasantem Tempo voran. Getrieben von den Aktionären segelte der traditionsreiche niederösterreichische Gummikonzern jahrelang auf ungezügeltem Wachstumskurs. Fahnemann wollte nicht in der Unterliga, sondern auf dem Weltmarkt mitspielen, „einen globalen Footprint hinterlassen“, wie er sich ausdrückte. Höhepunkt des Kaufrausches war der Erwerb des Handschuh-Produzenten Latexx Partners im tiefsten Malaysia. Fremde Welt, fremde Kultur. Das ging nicht lange gut. Als sich die Konjunktur eintrübte, war die Party vorbei. Fahnemann suchte das Weite und überließ das Gesundschrumpfen des Konzerns seinem Nachfolger.
Eigentümer B&C Industrieholding holte den erfahrenen Industrie-Manager Martin Füllenbach an Bord.
Der ehemalige Offizier der deutschen Bundeswehr versucht seither mit viel Bedacht, den Konzern wieder flott zu machen und ihm eine neue Richtung zu geben. Sein Ziel: Bis zum 200. Firmenjubiläum im Jahr 2024 soll Semperit wieder glänzen.
Deutsche Bank: Gier ist gut? Bieder ist besser
Christian Sewing hatte als Banklehrling in Bielefeld begonnen und soll nun als Chef aufräumen, was der Schweizer Josef Ackermann von 2002 bis 2012 angerichtet hatte.
Die Deutsche Bank, groß geworden mit Krediten für Industrieriesen wie Siemens, die Autohersteller und Stahlkonzerne des Ruhrpotts, drängte es damals in die Finanzweltspitze. Gier galt als gut, Investmentbanker fühlten sich mit kühnen Deals als „Herrscher des Universums“. Ackermanns Victory-Zeichen von der Anklagebank aus und aberwitzige Ziele wie 25 Prozent Eigenkapitalrendite blieben im Gedächtnis. Erst nach der Krise wurde offenkundig, dass die Bank kaum ein dubioses Geschäft ausgelassen hatte: Ihr wurde vorgeworfen, faule Papiere verkauft, Zinsen und Währungen manipuliert, Sanktionen unterlaufen, Schwarzgeld gewaschen zu haben. Mit einem Aktienkurs unter Buchwert ist die Deutsche Bank ein Übernahmekandidat geworden. Woran das Führungsduo Anshu Jain/Jürgen Fitschen und der Brite John Cryan vor ihm gescheitert waren, soll Sewing schaffen: Ein Kahlschlag (18.000 Jobs weg), Rückzug aus Problemfeldern und die Rückbesinnung auf alte Tugend sollen der Bank eine Zukunft sichern.
Daimler: Ein scharfer Sparkurs ist nötig
Seine Verdienste waren unbestritten. 13 Jahre lang stand Dieter Zetsche an der Spitze von Daimler. Er manövrierte den Konzern durch die Finanzkrise, modernisierte das Image von Mercedes und fuhr wieder an die Spitze im Premiumsegment. Doch kaum machte er im Frühjahr 2019 den Weg für seinen Nachfolger Ola Källenius frei, offenbarten sich die Probleme. Der neue Boss musste drei Mal das noch von Zetsche ausgegebene Gewinnziel reduzieren, der Nettogewinn brach letztendlich um zwei Drittel ein. Nun steht ein scharfer Sparkurs ins Haus, 15.000 Jobs werden weltweit abgebaut.
Ein Grund für die Misere ist der Abgasskandal, wo hohe Strafzahlungen das Ergebnis drücken. Und weitere Belastungen sind zu erwarten. Neben der zu geringen Rendite je verkauftem Auto muss Källenius auch an der Elektromobilität arbeiten. Hier ist Daimler ins Hintertreffen geraten. Analyst Frank Schwope von der deutschen Nord LB rät dem Schweden, verstärkt mit anderen Autobauern zusammen zu arbeiten oder gar eine Fusion zu wagen. Denn die Kosten der Transformation sind hoch. „Für Daimler ist es 5 vor 12, also höchste Zeit für Veränderungen.“
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