Der Streit um die Kartoffel: Umweltschutz um jeden Preis?

Der Streit um die Kartoffel: Umweltschutz um jeden Preis?
In der Debatte um Notfallzulassungen für Pflanzenschutzmittel geht es auch um die Selbstversorgung.

Die Importabhängigkeit bei Lebensmitteln steigt. Kartoffeln werden derzeit aus Ägypten und Israel importiert, weil die Erntemengen in Österreich zu gering ausgefallen sind. Eine Ursache dafür sind Verbote von Pflanzenschutzmitteln. Der Schädlingsdruck und die Dürre haben einen Teil der Ernte vernichtet.

Den Wunsch der Kartoffelbauern nach weiteren Notfallzulassungen von Pflanzenschutzmitteln lehnt Helmut Burtscher-Schaden ab. Der Umweltchemiker von Global 2000 verlangt auch ein Ende der Notfallzulassung in anderen Bereichen wie für den Zuckerrüben-Anbau. Die Notfallzulassung von Neonicotinoiden für den Rübenanbau ist für ihn eine „missbräuchliche Umgehung des europäischen Pestizidverbots“. Gregor Schamschula vom Ökobüro bemängelt die „intransparente Vorgangsweise“ bei der Vergabe der Zulassungen.

Der Streit um die Kartoffel: Umweltschutz um jeden Preis?

Bis 10. August können „Heurige“ geerntet werden. Fast zeitgleich startet das Klauben der Lagererdäpfel.

Das zuständige Bundesamt für Ernährungssicherheit weist die Vorwürfe zurück. Man habe genau festgelegt „in welchem Gebiet, mit welchem maximalen Mengenaufwand das Pflanzenschutzmittel unter strengen Auflagen angewendet werden darf“. Außerdem sei die Zustimmung der Bundesländer eingeholt worden.

Hinter dem Streit um Notfallzulassungen stehen grundsätzliche Fragen des Umgangs mit dem Agrarsektor und der Lebensmittelproduktion. Soll es einen möglichst hohen Grad an Selbstversorgung bei der Lebensmittelproduktion geben? Bisher galt, dass ein hoher Selbstversorgungsgrad ein Vorteil ist. Wenn das weiterhin ein Ziel bleibt, dann müssen auch Notfallzulassungen möglich sein.

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Was sind EU-Notfallzulassungen?

Notfallzulassungen für chemische Substanzen sind im Agrarbereich erlaubt, wenn sie sich „angesichts einer anders nicht  abzuwehrenden  Gefahr  als notwendig erweisen“, heißt es in der Pestizidverordnung der EU. Als Gefahr gelten massive   Ernteausfälle.  Notfallzulassungen werden von den Behörden der jeweiligen EU-Staaten erlassen. Da sie auf eine  konkrete  Situation abzielen,  sind  die  Zulassungen zeitlich begrenzt und nicht  auf andere EU-Staaten übertragbar.

Notfallzulassungen dürfen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln für eine „begrenzte und kontrollierte Verwendung“ und für eine maximal Dauer von 120 Tagen erlauben. Ein Monitoring der Ergebnisse ist vorgesehen.

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Konsequente Verbote

Die Alternative sind konsequente Verbote bei der Anwendung von Substanzen zum Pflanzenschutz. Das sorgt für Produktionsrückgänge, die dann durch höhere Agrar-Importe ausgeglichen werden müssen. Der ökologisch heiklere Anbau von Feldfrüchten wird durch eine solche Verbotspolitik ins Ausland exportiert.

Burtscher-Schaden kann sich damit durchaus anfreunden. „Importieren ist nicht grundsätzlich etwas Schlechtes.“ Wobei es bei Importen in die EU keine Möglichkeit gibt, auf die dortigen Vorgaben beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder sonstigen Verboten Einfluss zu nehmen.

Die Produktion von Kartoffeln in Ägypten ist nur mit künstlicher Bewässerung möglich. Für ein Kilo Kartoffeln sind dort im Schnitt mehr als 400 Liter Wasser notwendig. Laut dem deutschen Verbrauchermagazin Öko-Test haben Kartoffeln aus Wüstenregionen einen höheren Schadstoffgehalt.

Streit um Zucker

Die von den Umweltorganisationen kritisierten Notfallzulassungen für Neonicotinoide sichern die Zuckerherstellung in Österreich. Burtscher-Schaden glaubt, dass der Einsatz von Neonicotinoiden keine Vorteile bei der Bekämpfung des Rüsselkäfers bringt. Laut der Statistik der Landwirtschaftskammer haben Pflanzenschutzmittel aber sehr wohl etwas gebracht. Auf den Äckern der Biobauern betrug der Ernteausfall 80 Prozent, auf den konventionellen Anbauflächen waren es lediglich 30 Prozent.

Wobei die Zuckerfabrik in Tulln nur dann rentabel betrieben werden kann, wenn die Anliefermengen nicht sinken. Wenn die Fabrik zusperrt, dann gibt es weder eine konventionelle noch eine biologische Zuckerproduktion in Österreich. Die Folge wären Importe aus EU-Ländern, in denen weiter Notfallverordnungen möglich sind.

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