Der Pleitegeier kreist über Österreich

Österreichs Wirtschaft schwächelt weiter, die Firmenpleiten stiegen im April um elf Prozent.

Die Terroranschläge in Frankreich und Belgien, der mögliche EU-Ausstieg der Briten und der Flüchtlingsstrom haben den wirtschaftlichen Erholungskurs in Europa zuletzt gestört. Trotz dieser Unsicherheiten hat sich die Lage in den früheren Krisenländern Südeuropas und in Osteuropa aber deutlich verbessert. So sind im Vorjahr die Firmenpleiten in Westeuropa nur um vier Prozent, in Osteuropa aber sogar um mehr als elf Prozent zurückgegangen. Musterschüler ist das ehemalige Krisenland Spanien mit einem Minus von 25 Prozent. Erfreulich ist auch die Lage in Großbritannien. Das Minus beträgt fast zehn Prozent.

"Die wirtschaftliche Stabilisierung in Europa geht auch 2016 weiter", sagt Helmut Rödl, Geschäftsführer des deutschen Wirtschaftsinformationsdienstleisters Creditreform, im Gespräch mit dem KURIER. In Deutschland haben sich die Pleiten seit 2003 auf rund 23.000 Fälle fast halbiert. Dieser positive Trend wird sich heuer fortsetzen.

Nachzügler Österreich

"In Österreich ist die Situation nicht so erfreulich. Es gab zwar 2015 einen leichten Rückgang, aber leider gibt es 2016 wieder einen Anstieg der Insolvenzen", sagt Rödl. "Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs und den Insolvenzen." Österreich hinke der positiven Entwicklung der Eurozone (1,7 Prozent BIP-Wachstum) deutlich hinterher. Österreich kommt nicht in die Gänge. Im Gegenteil. Alleine im April sind die Firmeninsolvenzen hierzulande um elf Prozent gestiegen. Das bedeutet nichts Gutes für das Gesamtjahr 2016.

"Staat sollte mehr investieren"

"In Österreich ist der Mut verloren gegangen. Es gibt eine Verunsicherung bei den Klein- und Mittelbetrieben", sagt der Wirtschaftsprofessor. "Es wird relativ wenig investiert, obwohl das Geld so billig ist wie noch nie." Nachsatz: "In Österreich ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit ein wichtiger Faktor, damit sinkt auch der private Konsum." Aber wie kann man gegensteuern? "Man sollte möglichst schnell eine politische Stabilisierung herbeiführen", sagt Creditreform-Chef Rödl. "Der Staat sollte als Investor vorbildlich vorangehen. Wenn Unternehmen sehen, dass der Staat investiert, dann machen sie das auch."

Indes sanken in Österreichs Nachbarländern wie Tschechien, Slowakei oder Ungarn, die Pleiten um bis zu 22 Prozent.

Der Pleitegeier kreist über Österreich

Sorgenkinder

In Westeuropa entfällt fast ein Drittel aller Pleiten (174.891 Fälle) auf Frankreich. "Dem Mittelstand in Frankreich geht es nicht gut, der Aufschwung läuft auf Sparflamme", sagt der Experte. Vor allem der Handel kränkelt massiv. Auch Italien kommt nicht vom Fleck. In Sachen Wachstum ist Italien das Schlusslicht in der Eurozone, die Lage ist eher labil. Die meisten Insolvenzen verzeichnen der Handel und die Dienstleister.

Den absoluten Rekordzuwachs verzeichnet Kroatien mit plus 164 Prozent. Ursache ist ein neues Gesetz. Laut Creditreform werden in Kroatien alle Firmenliquidationen über die Gerichte abgewickelt. Ähnliches gilt für Ungarn. Zuletzt eine gute Nachricht: Laut Rödl haben Österreichs Maschinenbauer und Ingenieure nach wie vor beste Positionen in der deutschen Wirtschaft.

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