Kaum wo wird das Herunterfahren der Wirtschaft und des Lebens so greifbar wie auf dem Flughafen Wien. Dort, wo sich normalerweise täglich Zehntausende Menschen bewegen, oft hektisch, ist seit Mitte März Ruhe eingekehrt.
Die meisten Airlines haben den Betrieb eingestellt, nur eine Handvoll Flüge mit gesamt 400 bis 500 Passagieren am Tag wird noch regulär durchgeführt (u.a. nach Deutschland, Taiwan, Saudi-Arabien, Katar, den Niederlanden und in die Türkei). Wizz Air will heute, Freitag, den Flugbetrieb zu ausgewählten Destinationen wie Dortmund wieder aufnehmen.
Auf dem Vorfeld stehen dutzende Flieger von AUA, Lauda und anderen Fluglinien dicht nebeneinander geparkt, die Triebwerke mit einem Stoffsack als Staubschutz verpackt, aber jederzeit bereit, um wieder abzuheben.
Bis auf weiteres bleibt dies aber den Vögeln vorbehalten. Ihr Zwitschern, normalerweise von den lauten Triebwerken um ein Vielfaches übertönt, ist meist das Einzige, was zu hören ist. "Es laufen auch vermehrt Hasen über die Rollfelder und Pisten", berichten die Arbeiter am Vorfeld während des KURIER-Besuchs.
KURIER Reportage: Ein Flughafen in der Corona-Krise
Schutzhandschuhe
Hier und da gibt es aber doch Bewegung. Sicherheitskräfte sind unterwegs und auch die Flieger müssen für Checks bewegt werden. Und dann sorgt das Coronavirus doch für Betrieb. Eine Boeing Triple Seven der AUA landet nach fast elfeinhalb Stunden Flugzeit aus Penang in Malaysien. Aber nicht mit Passagieren, sondern vollgepackt mit Schutzhandschuhen des heimischen Herstellers Semperit, der in dem südostasiatischen Land eine Produktion unterhält.
"Für uns ist das gewisses Neuland, ohne Passagiere und Flugbegleiterinnen unterwegs zu sein", sagt der für den Flug verantwortliche Kapitän Anton Jachs-Göbl. Aufs Catering muss er dennoch nicht verzichten - sowohl für den Hin- als auch Rückflug gibt es warme und kalte Speisen, die auf Trockeneis gekühlt werden.
"Zum Glück ist ein Kollege früher Mitarbeiter von Do&Co gewesen, er kann das Essen fachgerecht aufbereiten", lacht der Kapitän. Die Cockpit-Besatzung besteht übrigens aufgrund der langen Flugzeit aus drei Mitgliedern.
Umbau der Kabine
Von den 38 Tonnen Fracht (3.400 Pakete) sind 3,4 Tonnen in der Kabine gelagert – in den Gepäcksfächern und auf den mit Plastikfolien geschützten Passagiersitzen. 53 Mitarbeiter sorgen für die Entladung, wobei es nicht leicht ist, die Kisten aus der Kabine zu bringen.
An Bord reichen die Arbeiter die Pakete händisch bis zur Flugzeugtür weiter, wie der für die Abfertigung zuständige Manager Thomas Kogler erläutert. Dann werden sie in die eigentlich normalerweise fürs Catering genutzten Fahrzeuge, die über eine höhenverstellbare Rampe verfügen, umgeladen.
Die AUA führte mittlerweile schon mehr als 80 dieser Frachtflüge aus China und Malaysien durch, darunter eine tägliche Verbindung nach Schanghai. Um die Abwicklung zu beschleunigen, werden dieser Tage in zwei Triple Seven die Sitze ausgebaut. So wird die Frachtkapazität um 35 Prozent erhöht, so AUA-Chief Operating Officer Jens Ritter.
"Der Bedarf an Cargotransporten, vor allem für medizinische Schutzausrüstung, ist enorm groß. Wir machen auf unseren Langstrecken-Jets jetzt Platz für mehr Fracht. Damit überbrücken wir die Zeit, bis unser Passagiergeschäft wieder anläuft", erklärt Ritter. "Sobald die Nachfrage für Reisen wieder steigt, können wir die Flugzeuge jederzeit wieder in Passagiermaschinen umrüsten."
Weitere Flüge geplant
Aus Xiamen, Penang und Shanghai hat der österreichische Carrier bereits rund 50 Frachtflüge durchgeführt. Dabei wurden in Zusammenarbeit mit den Frachtspezialisten Lufthansa Cargo und time:matters Austria rund 770 Tonnen an Hilfsgütern für die medizinische Versorgung nach Österreich gebracht. Rund 45 weitere Flüge befinden sich im Planungsstadium.
Kommentare