Der E-Scooter kommt in Fahrt

Der E-Scooter  kommt in Fahrt
Im Verleih ist der Boom schon da, bei privaten Käufern rollt er jetzt voll an.

Anfangs sah man sie in Wien ganz selten, nur langsam wurden sie mehr. Doch dann, auf einen Schlag, waren sie in der ganzen Stadt verteilt. Der große Siegeszug der E-Scooter begann zwischen Herbst 2016 und Frühling 2017. Sprunghaft stiegen die Verkaufszahlen im Einzelhandel und E-Scooter-Verleiher breiteten sich auf dem Markt aus.

2018 wurden 25.000 Stück verkauft, um 14 Prozent mehr als 2017, im Jahr davor lag die Steigerungsrate bei zehn Prozent. 2019 sollen es bereits 30.000 Stück sein. Das zeigt eine Erhebung, die der Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ) für den KURIER gemacht hat.

Großstadt-Phänomen

Doch sind die Roller, die die einen begeistern und die anderen auf die Palme bringen, gekommen, um zu bleiben? „Wir glauben, dass der E-Scooter so wie der klassische Scooter, den es seit 20 Jahren gibt, seine Berechtigung hat“, sagt Michael Nendwich, Vorsitzender des Sportartikelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich.

Der typische E-Scooter-Fahrer ist 20 bis 40 Jahre alt, männlich und in Großstädten zu Hause. Der E-Tretroller kommt vor allem dort zum Einsatz, wo das öffentliche Verkehrsnetz gut ausgebaut ist. Denn der Roller wird im Alltag meist als Ergänzung verwendet, sei es auf dem Weg zur Arbeit oder zu einem Termin. Auch Touristen erkunden damit gerne die Stadt. In kleineren Städten oder am Land ist der E-Scooter dagegen noch nicht stark vertreten.

25.000 Stück klingt zwar nach einem stolzen Wert, für den Sportfachhandel ist er aber eher enttäuschend. „Vor ein paar Jahren hätten wir geschätzt, dass 2018 an die 50.000 bis 60.000 Stück verkauft werden“, sagt Nendwich. Man habe sich an der Zahl der herkömmlichen Tretroller orientiert, von denen rund 90.000 Stück pro Jahr verkauft werden.

Top- und Flop-Modelle

Es habe sich aber herausgestellt, dass E-Scooter nicht so einfach zu handhaben sind. „Die kann man nicht einfach in den Kofferraum schmeißen und dort liegen lassen“, so der Experte. Die Batterie sei eines der Hauptprobleme, sie werde bei 40 Grad Hitze oder minus 20 Grad Frost anfällig.

Der Fachhandel hat den Trend ein wenig verschlafen, gibt sich Nendwich selbstkritisch: „80 Prozent werden über den Online-Handel und über Elektrohandelsketten verkauft.“ Doch ist er optimistisch, dass die Fachhändler aufholen werden: In vier bis fünf Jahren werden die Absatzzahlen bei 50.000 Stück pro Jahr liegen, der Fachhandel wird bis dahin einen Marktanteil von 50 Prozent haben, glaubt Nendwich.

Preisfrage

Derzeit ist der Preis eines der wichtigsten Kaufkriterien. Die allergünstigen Modelle liegen bei knapp unter 200 Euro, im Schnitt kosten die billigeren Roller jedoch 300 Euro. Vielfahrer werden auch mit ihnen nicht viel Spaß haben, denn technische Probleme lassen in dieser Kategorie nicht lange auf sich warten. Bessere Roller gibt es ab 600 Euro, mit 1000 Euro hat man schon ein Top-Modell erstanden. Über alle Kategorien betrachtet liegt der Durchschnittspreis in Österreich bei 380 Euro, der Jahresumsatz dürfte heuer also 11,4 Millionen Euro betragen.

Der Verleih von E-Scootern ist laut Nendwich kein schlechtes Geschäft. Dies sei vor allem auf Wien konzentriert. Zwei Beispiele für eine typische kürzere und eine typische längere Nutzung zeigen das wirtschaftliche Potenzial: Eine dreiminütige Fahrt von 0,4 Kilometern kostet 1,45 Euro – etwa ein Weg zu einem Termin. Eine zweistündige Fahrt über 5,6 Kilometer kommt auf 16 Euro – zum Beispiel eine Stadtrundfahrt.

„Das rechnet sich tatsächlich, wichtig ist nur, dass die Scooter rasch wieder aufgeladen werden und gut platziert sind“, sagt Nendwich. Dann stehe ein Scooter nur fünf Minuten, nach drei Fahrten pro Tag sei der Break-even (der Moment, ab dem Gewinne eingespielt werden) erreicht.

Weniger Konflikte

In Wien gibt es fünf Anbieter, die 7500 Roller anbieten – die Zahl ist gedeckelt, jeder Verleiher darf laut Gesetz nicht mehr als 1500 E-Scooter haben. Österreichweit schätzt Nendwich die Zahl auf 8000, in ein paar Jahren sollte es aber auch in den Landeshauptstädten mehr Angebote geben. Die Nutzungsdauer der Verleihgeräte liegt bei zwei Jahren und ist damit deutlich kürzer als bei privaten, die auf fünf Jahre kommen.

 

Die Konflikte zwischen Roller-Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern werden sich legen, glaubt Nendwich. Für E-Scooter-Fahrer gelten nun die gleichen Regeln wie für Fahrräder, weshalb sie von den Gehsteigen auf die Radwege verbannt seien. Eventuell könnte es auf den Radwegen nun enger werden und wieder zu Konflikten kommen. Doch das sei ein guter Grund, die Radwege auszubauen und so langsam, aber doch mehr Menschen zum Ausstieg aus dem Auto zu bewegen.

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