Und wie in Österreich gibt es auch in Deutschland die Befürchtung beziehungsweise Kritik, dass besagtes Aus für die kalte Progression dem Fiskus in Wahrheit viel zu teuer kommt und lediglich eine Steuerentlastung per Gießkanne darstellt, die wirklich Bedürftigen nicht hilft, weil diese ja kaum oder gar keine Steuern zahlen.
Erst dieser Tage haben sogar die führenden deutschen Ökonomen, die sogenannten Wirtschaftsweisen, eine Verschiebung dieses Projekts von Finanzminister Christian Lindner (FDP) empfohlen.
„Der Ausgleich der kalten Progression ist steuersystematisch zwar grundsätzlich geboten“, erklärte der Wirtschaftsweise Achim Truger: „Aktuell geht es aber um eine zielgenaue Entlastung unterer und mittlerer Einkommensgruppen, und die öffentlichen Haushalte sollten nicht überstrapaziert werden. Daher sollte der Abbau der kalten Progression auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.“
In Österreich ist Fiskalratspräsident Christoph Badelt, Ex-Chef am WIFO, derselben Ansicht, wie wohl er weiß, dass politisch anders entschieden wurde. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat ja sein Modell für die Abgeltung der kalten Progression bereits erfolgreich durch National- und Bundesrat gebracht – es kommt damit ab Jahresbeginn 2023.
Badelt sagte zum KURIER: „Ja, das ist Gießkanne und keine Maßnahme zur Armutsbekämpfung. Und es fehlt eine Gegenfinanzierung. Das engt den Budget-Spielraum deutlich ein.“ Denn: Die Abgeltung der kalten Progression kostet 2023 bereits 1,85 Milliarden Euro, dazu kommt die Indexierung der Sozialleistungen um 370 Millionen.
Im Finanzministerium verteidigt man die Maßnahme. Bezieher kleiner Einkommen würden durchaus profitieren. Nach Jahrzehnten der Debatte sei endlich die Umsetzung gelungen. Zwei Beispiele: Ein Vollzeitbeschäftigter mit 3.171 Euro brutto monatlich werde bis 2026 um 4.100 Euro entlastet. Bei einer Pensionistin mit 1.582 brutto monatlich mache die Entlastung bis 2026 immerhin 3.770 Euro aus.
Noch dazu gelinge es durch die jährliche Anhebung der Tarifgrenzen um die Inflation, dass in Summer rund eine halbe Million Steuerzahler vor einer höheren Steuerklasse „geschützt“ sind.
Der Finanzminister selbst spricht von einem „Akt der Fairness“, wenn künftig mehr Netto vom Brutto übrig bleibt und verweist dabei auf die unteren Steuerstufen: „Mit der Abschaffung der kalten Progression werden im nächsten Jahr circa 130.000 Personen zusätzlich keine Steuern zahlen müssen. 230.000 Personen zahlen statt 30 lediglich 20 Prozent Steuern“, so Brunner.
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