Corona-Lockdown: Schnitzel und Steak werden zum Ladenhüter
Bleiben Restaurants und Kantinen zu, wird weniger Fleisch gegessen. Das spiegelt sich in Lagerhäusern wider, in denen sich die Bestände von Rind- und Schweinefleisch türmen. Mit gravierenden Folgen für Landwirte. Sie bekommen für ihre Tiere immer weniger bezahlt.
„Vor einem Jahr haben Bauern noch 200 Euro für ein Schwein bekommen, jetzt sind es 140“, sagt Johann Schlederer von der Schweinebörse. Von Kostendeckung könne keine Rede sein. Im Gegenteil: „Der Mäster hat pro Schwein 25 Euro Verlust.“ Zu einem gewissen Grad sind die Bauern das freilich gewöhnt – Stichwort Schweinezyklus: Steigen die Preise, holen sich Bauern mehr Tiere auf den Hof. So lange, bis es zu viel Angebot gibt, die Preise wieder fallen und die Produktion wieder gedrosselt wird. Da das alles nicht auf Knopfdruck, sondern nur zeitverzögert funktioniert, kommt es zu den üblichen Preisausschlägen.
Oben drauf kommen jetzt die Folgen von Corona und der Afrikanischen Schweinepest. Als Letztere in Europa ausbrach, stoppte China die Importe aus Deutschland. Seitdem fluten die Deutschen Europa mit seiner Überproduktion – und drücken so das Preisniveau. Zugleich sei die Nachfrage in der Gastronomie um zwei Drittel eingebrochen, sagt Schlederer. Die Folge: Die Kühlhäuser sind voll, die Ställe auch. „In Österreich stehen 50.000 Schweine im Stall, die längst geschlachtet sein sollten. Und jede Woche kommen 100.000 dazu.“
Ohne Wirt kein Schnitzel
„Uns fehlen 50 Prozent des Marktes und es ist nicht damit zu rechnen, dass sich das im ersten Halbjahr ändert“, sagt Werner Habermann, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf. Denn mehr als die Hälfte des Rindfleischs werde in Österreich außer Haus konsumiert – sofern die Gastro offen hat. Man dürfe auch nicht unterschätzen, wie viel bei Veranstaltungen, Messen, Kongressen konsumiert worden sei.
In der Folge bleibt selbst Kalbfleisch ein Ladenhüter, was laut Adi Marksteiner von der Landwirtschaftskammer Österreich „völlig atypisch“ ist. Seit dem EU-Beitritt ist der Selbstversorgungsgrad Österreichs von 140 auf 50 Prozent gefallen, Österreich hat also immer mehr importiert. „Unter Covid-Bedingungen würden wir mit der Inlandsproduktion auskommen“, sagt Marktsteiner. Normalerweise importiert Österreich jährlich das Fleisch von rund 100.000 Kälbern und exportiert 50.000 Tiere. Eine Folge des Preiskampfes.
„Holland hat eine Kalbfleisch-Produktion hochgefahren, die unter österreichischen Tierschutzbedingungen undenkbar wäre“, so Marksteiner. Die Tiere würden mit einem billigen Gemisch aus Milchpulver, Palmölfett und Maismehl gemästet werden, bis sie 300 Kilo haben. „Das ist so, als würden Sie einen Menschen bis 9 Jahre mit der Flasche aufziehen.“ Doch im Konkurrenzkampf zähle eben der Preis und österreichisches Kalbfleisch wird aufgrund der Tierwohlbestimmungen verhältnismäßig teuer produziert. „Ein Holländer hat mich einmal gefragt, was ich gegen seine Produktionsmethoden habe. Ohne diese gäbe es die Hälfte der Wiener Schnitzel doch gar nicht“, sagt Marksteiner. Nachsatz: „Und damit hat er leider recht gehabt.“
Auf politischer Ebene soll heuer ein Regionalitätsschwerpunkt gelegt werden, sind sich Bauernbund-Chef Georg Strasser, Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Kammerpräsident Josef Moosbrugger einig. Zudem sollen Tierwohlstandards ausgebaut und eine im November 2018 angekündigte Ombudsstelle installiert werden, bei der Produzenten unfaire Geschäftspraktiken melden können.
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