Zweifel am neuen EU-Plan: Was bringt der Clean Industrial Deal?

Arbeiter in einer Autofabrik von Volkswagen
Zusammenfassung
- Der Clean Industrial Deal zielt darauf ab, die europäische Industrie wettbewerbsfähiger zu machen und gleichzeitig die Dekarbonisierung voranzutreiben.
- Skepsis herrscht bezüglich der Deregulierung, da die EU oft zu Überregulierung neigt, was Innovationen bremsen kann.
- Wie Energiepreise gesenkt werden sollen, bleibt fraglich. Netzentgelte zu senken, würde auf Kosten des Erneuerbaren-Ausbaus gehen.
"Die Unternehmen haben uns gesagt, ihr seid verrückt und ihr macht uns verrückt. Wir haben gesehen, dass wir da etwas machen müssen", so fasst Hubert Gambs von der EU-Kommission die Motivation für den Clean Industrial Deal zusammen. Der stellvertretende Leiter der Generaldirektion für Binnenmarkt und Industrie war am Montag Gast einer Veranstaltung des Energieversorgers Verbund, bei der darüber diskutiert wurde, ob die neue Industriestrategie der EU eine Trendwende in der eher trüben wirtschaftlichen Lage bringen wird.
Welche Stellschrauben die EU drehen will
Der Clean Industrial Deal sei der Versuch, die europäische Industrie wettbewerbsfähiger zu machen - vor allem gegenüber Konkurrenz aus den USA und China - und gleichzeitig die Dekarbonisierung zwecks Klimaschutz zielstrebig weiter zu verfolgen. Gelingen soll dies u.a. durch eine Senkung von Energiekosten, eine Bewerbung sauberer Produkte aus Europa, mehr finanzielle Mittel für Innovationen, eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft, eine Förderung von beruflichen Kompetenzen und vor allem einen umfassenden Bürokratieabbau.
Größte Skepsis bei Deregulierung
Deregulierung lautet momentan die große Devise in der EU. Ob sie gelingt, darüber herrscht Skepsis. Der Wille zu weniger Regulierungswut sei gut, sagt Florian Frauscher, Chef der Sektion Wirtschaftsstandort und Innovation im Wirtschaftsministerium. Aber die EU sei bekannt dafür, in bestimmten Bereichen rasch wieder in Überregulierungen zu landen. Ein Beispiel sei der AI Act, der den Umgang mit künstlicher Intelligenz regelt. "Die grundsätzlichen Ziele, etwa Transparenz und Datenschutz, kann jeder unterschreiben, aber wenn es ins Detail geht, sieht man, dass Innovation gebremst wird."
Für Verbund-CFO Peter Kollmann haben die Ankündigungen der EU "momentan noch etwas sehr Verbales". Es werde viel gesagt, aber auf die Umsetzung komme es an. Europa hätte hier ein strukturelles Problem. "Wir haben so viele Akteure. Viele Köche verderben den Brei. Aber wir haben unglaublich viele Köche, die nicht einmal um den selben Topf stehen, sondern vor vielen Töpfen in vielen Küchen." An den USA sehe man momentan, wie schnell Dinge umgesetzt werden. Die seien zwar nicht positiv, damit werde Europa aber ein guter Spiegel vorgesetzt.
Energiepreise senken, aber wie?
Um Energiepreise zu senken, könnte die EU bei der Senkung von Steuern und Abgaben ansetzen oder bei einer Senkung des CO2-Preises, meint Kollmann. Frauscher hält das für weniger sinnvoll, denn: "Wir haben ambitionierte Klimaziele. Dafür ist der CO2-Preis da." Abgaben wie Netzentgelte seien ebenfalls schwer zu ersetzen. "Wenn wir mehr erneuerbare Energien haben wollen, müssen wir die Netze ausbauen. Das Geld dafür kommt entweder von Verbrauchern oder vom Staat, und damit dem Steuerzahler. Am Ende zahlt es immer der Verbraucher."
Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, merkt an, dass man am CO2-Preis nicht rütteln bräuchte, wenn man Kosten dafür über eine Strompreiskompensation wieder an Verbraucher zurückgibt. "Diese Möglichkeit nutzen wir noch nicht." Michael Soder, Experte für grüne Industriepolitik der Arbeiterkammer Wien, ist gegen eine Verringerung des CO2-Preises. Eine stabile Wertentwicklung sei wichtig, um Unternehmen Pfadsicherheit zu geben und Investitionsentscheidungen zu erleichtern.
100 Milliarden Euro eventuell zu wenig
Was die Investitionen der EU in die Dekarbonisierung der Industrie betrifft, stellt sich Soder die Frage, ob ein 100 Milliarden-Euro-Paket, wie es die EU vorsieht, wirklich ausreicht. Doch die fiskalischen Instrumente der EU seien begrenzt, sagt Gambs. "Im Vergleich zu den Budgets der Mitgliedsstaaten ist das EU-Budget klein." Geld könne man also nur im begrenzten Maß zur Verfügung stellen, Regulierungen seien der größere Hebel.
Ärger über Sonderabgabe für Stromerzeuger
Geld für die Energiewende der Industrie ist auch in Österreich nicht massenhaft vorhanden. Ein rasch wieder zurückgezogener Versuch der neuen Regierung, mit einer Sonderabgabe für Stromerzeuger zur Budgetsanierung beizutragen, hat die Energiebranche sehr erzürnt. Die Maßnahme würde Investitionen unattraktiver machen, höhere Kosten würden Konsumenten tragen, lauteten die Kritikpunkte. Laut Frauscher war die Absicht hinter dem Vorstoß, zusätzliche Einnahmen zu erzielen ohne Verbraucher zu belasten. Die neue Regierung bekenne sich aber auch dazu, hohe Lohnnebenkosten zu senken und über einen "Rot-weiß-roten Dachfonds" mehr Risikokapital anzubieten.
Es geht nicht so weiter wie bisher
Risikokapital sei nicht nur für neue Unternehmen notwendig, es sei auch wichtig, um es bestehenden Unternehmen zu ermöglichen, ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. "Viele Unternehmen werden sich ändern müssen. Es wird zum Beispiel nicht möglich sein, dass die Automobilindustrie in Europa so weitermacht wie bisher", sagt Gambs. Bei der Umsetzung des Clean Industrial Deal komme es sehr stark auf die Nutzung der Mittel durch Unternehmen, Kammern, Verbände oder Forschungseinrichtungen an. "Wir brauchen ihren vollen Einsatz und ihre Zusammenarbeit, um gemeinsam schnell voran zu kommen."
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