Christen sollen "mehr Profil zeigen"

Bischof Alois Schwarz
Er sieht Religion als "Zukunftsfrage" und hofft auf einen "europäisch geprägten Islam".

Der Wirtschaftsbischof über schöpfungsbewussten Lebensstil, Osterbotschaft und Vollverschleierung.

KURIER: Darf sich ein Bischof für Gewinn aussprechen?

Bischof Alois Schwarz: Ja, auf jeden Fall. Ohne unternehmerischen Erfolg kann kein Gewinn geteilt und keine Armut beseitigt werden. Gewinn ist aber noch nicht der Beweis, dass das Unternehmen der Gesellschaft dient. Deswegen muss man genau hinschauen. Von der Kirche wird ja eher vermutet, dass sie unternehmerkritisch ist.

Was Sie ja auch ist, wenn man Papst Franziskus zuhört.

Der Papst spricht aber auch von der Unternehmertätigkeit als "edle Berufung, die darauf ausgerichtet ist, Wohlstand zu erzeugen und die Welt für alle zu verbessern".

Die Kirche selbst ist ja ein starkes, reiches Unternehmen.

Die Kirche gleicht eher einem Familienunternehmen. Sie ist ein starker Arbeitgeber mit hoher Verantwortung.

Wie transparent sind die Geschäfte der Kirche?

Jeder Kirchenbeitragszahler kann Einblick nehmen in die Jahresbilanzen der Diözesen und sehen, wofür sein Geld verwendet wird.

Sind die Steuerprivilegien (etwa bei der Grundsteuer) der Kirche noch gerechtfertigt?

Ja, weil diese dem Gemeinwohl der Menschen und der Kultur dient.

Wie vermögend darf die Kirche selbst sein?

Die Kirche muss sehr vermögend sein, was die Gottesverbundenheit und die soziale Zuwendung betrifft.

Sie engagieren sich stark für Wirtschaftsethik – was wünschen Sie sich da?

Unsere vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in Österreich arbeiten sehr verantwortungsvoll. Für mich ist die ökosoziale Marktwirtschaft das Zukunftsmodell. Ich bin ein Vertreter der sozialen Leistungsgesellschaft.

Es hat einmal einen Kanzler gegeben ( Alfred Gusenbauer), der von solidarischer Hochleistungsgesellschaft gesprochen hat. Nicht ganz falsch, oder?

Nicht ganz falsch.

Wie kann in einer globalisierten Wirtschaft der soziale Gedanke bestehen bleiben?

Ich entdecke oft hohe soziale Standards auch in großen internationalen Firmen, die sehr viel für ihre Mitarbeiter tun. Eine Plünderung der Erde können wir uns auf Dauer nicht leisten.

Österreich hat einen besonders hohen Flächenverbrauch. Wie kann man das stoppen?

Da gefällt mir die Initiative von Claus Raidl und der Hagelversicherung. Sie fordern, dass zuerst jene Flächen verbaut werden, wo es brachliegende Industriehallen und leerstehende Häuser gibt. Wichtig ist auch, dass die Ortszentren nicht ausbluten.

Wie kann man ohne Raubbau an der Erde auch Wohlstand für Chinesen oder Inder erreichen?

Indem die reichen Länder Wohlstandsverzicht üben. Wir leben mit unserem Energieverbrauch und unserer Mobilität auf Kosten der armen Länder. Vielleicht müssen wir in anderen Bereichen wachsen – zum Beispiel in der alternativen Energie, wo Österreich ja auch vorbildlich ist. Man müsste nachhaltige Energie weniger besteuern.

Sie fordern einen schöpfungsbewussten Lebensstil. Wie schaut der aus?Dass wir wahrnehmen, dass unsere Welt kein Materiallager ist, sondern ein Geschenk Gottes, der täglich die Sonne aufgehen lässt und uns eine Welt schenkt, in der es eine Artenvielfalt und Lebensentfaltung für Menschen gibt, die jeden Tag staunen macht.

Klingt nach Osterbotschaft. Haben Sie noch eine?

Ich beobachte derzeit eine gewisse Müdigkeit und Gleichgültigkeit von Leuten, weil sie in dieser unübersichtlichen Welt nicht wissen, wie es weitergehen wird. Und da ist die Botschaft der Kirche dringend gefragt. Es gibt ein Leben über den Tod hinaus. Daher sagen wir: Engagiere dich in dieser Welt mit all deinen Kräften.

Hat die Kirche nicht sehr an Glaubwürdigkeit verloren? Sie wird schon lange nicht mehr als die moralische Instanz wahrgenommen, die sie sein könnte.

Ich glaube, dass jetzt die große Chance der Kirche gekommen ist. Der Zeitgeist sagt dem Menschen nämlich: Du genügst nicht. Deshalb musst du dieses und jenes kaufen und konsumieren. Unsere Botschaft ist: Mensch, du genügst. Gott sagt: Mensch, du wirst geliebt, trotz aller Schuld.

Wobei in der katholischen Kirche die Schuld sehr oft im Vordergrund stand und steht. Der Mensch ist hier eigentlich immer schuldig.

Richtig. Daher bin ich sehr froh, dass Papst Franziskus jetzt nicht mehr so von der Sünde, sondern vielmehr von der "Wunde des Menschen" spricht.

Hoffen Sie auf eine Rückbesinnung der Christen auf ihre Kirche durch die Angst vor dem radikalen Islam?

Ich hoffe, dass Christen in unserem Land künftig mehr Profil zeigen.

Sonst könnten wir in Jahrzehnten vielleicht ein muslimisches Land sein?

Das könnte durchaus sein. Wir leben ohnedies auf einem sterbenden Kontinent. Das macht mir auch Sorgen: Dass Europa eines Tages nur noch ein Altenheim mit schönen Museen ist.

Ist die Kirche nicht feig geworden?

Wir haben viele innerkirchliche Probleme zu lösen gehabt, die uns vielleicht müde gemacht haben.

Muss nicht auch die katholische Kirche die Stimme lauter erheben gegen Tendenzen radikaler Muslime?

Das höre ich immer wieder. Es kommt aber nicht auf die Lautstärke, sondern auf die Botschaft an.

Katholische Kirchenvertreter haben bei diesem Thema immer die Ökumene im Auge, kritisieren aber so gut wie nie radikale Auswüchse von Religionen. Für sehr viel Leid und Kriege sind Religionen aber die Ursache.

Die Frage, was Religion bedeutet, wird eine Zukunftsfrage sein. Ich bin zum Beispiel sehr froh über die hohe Beteiligung am Religionsunterricht in Österreich. Aber auch die Erwachsenen haben die Pflicht, sich hier kundig zu machen.

Das Pendel könnte in die Gegenrichtung ausschlagen: Aus Angst vor einem Islam, der sich in alle Lebensbereiche drängt, wird der Ruf laut, alle Religionen und ihre Symbole aus öffentlichen Einrichtungen zu vertreiben.

Ich bin für einen anderen Weg: Der säkulare Staat sichert den Religionen einen entsprechenden Platz zu. Da denke ich, haben wir einen enormen Vorsprung, weil wir aus der christlich-jüdischen Tradition Aufklärung und Humanismus haben. Das hat unsere Religion neu geformt und fähig gemacht, dem Staat ein verlässlicher Gesprächspartner zu sein. Darauf bin ich sehr stolz. Andere Religionen müssen diesen Weg erst gehen.

Im Christentum war der Weg allerdings blutig.

Ja, und die Aufklärung wurde dem Christentum von außen aufgezwungen.

Beim Islam hat man manchmal den Eindruck, er bewegt sich eher zurück, als nach vorne.

Wir brauchen hier bei uns einen europäisch geprägten Islam, sonst wird es schwierig. Es ist Aufgabe des Staates, das einzufordern. Sonst wird unsere europäisch-christlich geprägte Kultur eine Minderheit ...

... und ist dem Untergang geweiht.

Das wäre eine Folge davon.

Muss sich die Kirche in die Kopftuchdebatte einmischen?

Wir müssen uns in die Vollverschleierung einmischen. Weil wir eine Kultur des offenen Gesichts sind. Unser Gott hat uns sein Gesicht gezeigt und ist Mensch geworden!

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