China: Sorgenfalten im Land des Lächelns

Die heile Welt, alles Lug und Trug? Werbeplakat für eine chinesische Bank in Peking
Droht der nächste Finanzcrash? Hedgefonds wetten auf eine Bankenkrise samt Währungsverfall.

Das Boao-Forum, das heute (Freitag) endet, ist so etwas wie Chinas Antwort auf den Weltwirtschaftsgipfel im Schweizer Kurort Davos. Drei Tage lang trafen sich Bosse aus aller Welt in der schmucken Kleinstadt auf der noblen Urlaubsinsel Hainan.

Großes Thema: Ein Kampf der Giganten, der in der Finanzwelt tobt. Einige Hedgefonds mit Starmanagern wie George Soros, Kyle Bass, David Tepper oder Bill Ackman an der Spitze wetten nämlich mit Milliardeneinsätzen, dass Chinas Währung Yuan (Renminbi) massiv abwerten muss. Sie glauben, die Kreditblase werde platzen und der aufgehäufte Schuldenberg krachend umfallen.

Die Finanzhaie hätten den Drachen besser nicht gereizt. Die Retourkutsche kam im Februar, als Chinas Zentralbank unerwartet den Yuan-Kurs steigen ließ, was den Fonds hohe Verluste zufügte. Einige "notorische Schwarzseher" hätten keine Ahnung von Wirtschaft, ätzte die staatliche Agentur Xinhua.

Und Ministerpräsident Li Keqiang betonte nun in Boao, China habe keine Absicht, die Währung abzuwerten, um die Exporte zu stützen. Wer behält Recht?

Droht in China die nächste Finanzkrise mit weltweit verheerenden Folgen?

Das weiß niemand. Fest steht: Chinas Banken sind besorgniserregend rasch gewachsen. Die Regierung stieß im Kampf gegen die Krise gewaltige Bau- und Investitionsprojekte an, was die Kreditvergabe ausufern ließ. Die Bilanzsumme der Banken ist seit 2006 von umgerechnet 5000 auf 26.800 Milliarden Euro explodiert – viel schneller, als die Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Und das nach den offiziellen Zahlen. Vier der fünf weltgrößten Banken stammen heute aus China; auch die Wurzeln der Nummer fünf, der britischen HSBC, liegen in Hongkong.

Warum spitzen sich die Probleme jetzt so zu?

Dass sich Chinas Wachstum etwas abschwächt ist gewollt. Viele Unternehmen haben aber Schulden und hohe Überkapazitäten und tun sich schwer, die Kredite zurückzuzahlen. Deshalb die Sorge vor einem harten Aufprall.

Verleugnet die Führung in Peking die Probleme?

Nein. Im Wirtschaftsbericht, den der Nationale Volkskongress am 16. März abgesegnet hat, steht wortwörtlich: "Die Schulden der Lokalregierungen sind ein Risiko und eine verborgene Gefahr. Das Ausmaß und der Anteil fauler Kredite, die die Banken melden, steigt ebenso wie der Verschuldungsgrad der Unternehmen. Illegale Kreditaufnahme greift um sich, verborgene Finanzrisiken türmen sich auf." Ein erschreckend unverblümter Befund.

Hat China die Banken nicht eng an der Kandare?

Ja, aber das ist ein Teil des Problems. Auf den ersten Blick scheint alles unverdächtig: Der Anteil fauler Kredite steigt, ist aber mit 1,25 Prozent noch recht niedrig. Nur 75 Prozent der Spareinlagen sind als Kredite vergeben – ein grundsolider Wert. Großes Aber: Gerade weil das Regelkorsett für die Banken so eng ist, haben diese große Teile der Kreditvergabe zu Schattenbanken ausgelagert, die nahezu unkontrolliert sind.

Was ist mit Schattenbanken in China gemeint?

Reiche Kunden, die mit den staatlich erlaubten Zinsen für ihr Erspartes nicht glücklich sind, greifen oft zu Vermögensprodukten (Wealth management products). Das sind Kreditbündel, die die Banken zu Wertpapieren schnüren. Oder: Viele Firmen wenden sich für Kredite an Investmentgesellschaften, an denen Privatanleger beteiligt sind, die bei den Zinsen mitschneiden (Trust Beneficiary Rights). Schätzungen zufolge macht die Kreditvergabe abseits der Banken bis zu 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus – das wären weitere 6500 Milliarden Euro.

Wen würde ein Bankencrash treffen?

Direkt und massiv betroffen wären Hongkongs und Taiwans Banken, ebenso enge Handelspartner wie Singapur, Südkorea, Japan, Australien und Neuseeland, analysiert die Ratingagentur Standard&Poor’s. Aber auch Länder wie Malaysien, Thailand und Vietnam, die in Chinas Fahrwasser segeln, würden massiv leiden. Das sind die unmittelbar Betroffenen - wobei natürlich klar ist: Ein Bankencrash der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hätte fatale Folgen für die gesamte globale Finanz- und Realwirtschaft.

Warum könnte doch noch alles gut ausgehen?

China hat riesige Geldreserven angehäuft. Diese sind zwar wegen der Versuche, die Währung zu stützen (unter anderem, um US-Fondsmanager zu ärgern), von 3700 auf 3000 Milliarden Euro geschrumpft. Das ist aber immer noch viel Geld, um notfalls Banken mit Kapital zu versorgen. Das Geld ist aber gar nicht zur Gänze flüssig, wenden Skeptiker ein.

Das wohl triftigste Argument: Bisher lagen alle Unkenrufer falsch. Spätestens in zehn Jahren werde Chinas Partei- und Wirtschaftssystem kollabieren, prognostizierte der US-Experte Gordon Chang in einem vielbeachteten Buch – erschienen übrigens im Jahr 2001.

Zahlen & Fakten

Chinas Wirtschaft ist im Jahr 2015 nur um 6,9 Prozent gewachsen - der tiefste Wert seit 1990. In absoluten Zahlen betrachtet ist dieser Zuwachs aber immer noch gewaltig: Er übersteigt zum Beispiel das jährliche Bruttoinlandsprodukt von Schweden deutlich.

Umgerechnet 3250 Mrd. Euro beträgt die Bilanzsumme der größten Bank der Welt, der ICBC (Industrial & Commercial Bank of China). Zum Vergleich: Die Erste Group kommt auf 200 Mrd. Euro.

China: Sorgenfalten im Land des Lächelns
Kyle Bass, founder and principal of Hayman Capital Management, L.P., speaks at the Sohn Investment Conference in New York, May 8, 2013. REUTERS/Brendan McDermid (UNITED STATES - Tags: BUSINESS)

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