China: Nach der Krise noch stärker
Diese Woche tagen in Peking unter der Leitung von Präsident Xi Jinping die Spitzen der Kommunistischen Partei Chinas. Thema: der nächste Fünfjahresplan (2021 – 2025). Zentraler Punkt: China will weniger von ausländischen Märkten und Technologien abhängig sein. Wegen Corona und auch aufgrund der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den USA.
Chinas Außenhandel, bisher der entscheidende Wachstumsfaktor, hat bereits 2019 unter den Folgen des Handelskonflikts mit den USA gelitten.
„Autarkie lautet das neue Schlagwort“, sagt Christina-Maria Schösser, Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Schanghai zum KURIER. „China versucht, seine Wirtschaft auf ein stärker auf Konsum basierendes Wachstum auszurichten, um weniger abhängig von Exporten und Investitionen zu werden.“
Schösser betont, dass das auch für die Technologie und Industrie gelte. „Auch bei der Industrieproduktion will man weniger von ausländischen Importen von Zulieferteilen abhängig sein.“ Vor allem was die USA angeht. Denn die US-Sanktionen haben chinesische Technologieriesen wie den Telekomausrüster Huawei (siehe Bericht rechts) und Internetunternehmen wie Tiktok oder Wechat in Schwierigkeiten gebracht.
China geht übrigens davon aus, dass auch im Falle eines Wahlsiegs von Joe Biden, die Spannungen mit den USA anhalten werden.
Droht hier aber auch Gefahr für europäische Zulieferer nach China?
Aus österreichischer Sicht kaum, wie Schösser erläutert. „Die österreichischen Unternehmen, die hier in China produzieren, wollen die Produkte auch hier in China verkaufen.“
Die Expertin betont, dass der Binnenkonsum der entscheidende Faktor für die weitere Entwicklung der chinesischen Wirtschaft sein wird. „Es ist die große Frage, ob das derzeitige Vertrauen in der Bevölkerung bleibt. Oder ob man mehr spart. Denn auch hier steigt die Arbeitslosigkeit.“
Und China hat ein gewaltiges Schuldenproblem. Schätzungen gehen davon aus, dass die Verschuldensquote bei zirka 300 Prozent des BIP liegt. Ein Großteil davon konzentriert sich auf staatliche Banken im Inlandsgeschäft.
Offener Markt
Eines aber steht für Schösser fest: China wird weiterhin ein gigantischer Zukunftsmarkt bleiben. Speziell die Bereiche E-Health, Biotech, Pharma und Medizintechnik werden boomen. Und China werde ein offener Markt bleiben. Xi Jinping betonte erst unlängst wieder, dass die Türen für Investitionen und Kapital aus dem Ausland offenbleiben.
Die Partei verbreitet zudem Optimismus. Man habe die Corona-Pandemie unter Kontrolle. Auf lokale Ausbrüche wie vergangenes Wochenende in einer Stadt in der westchinesischen Provinz Xinjiang reagiert man sofort mit strengen Abriegelungsmaßnahmen. China dürfte die Corona-Lage tatsächlich im Griff haben.Mit positiven Folgen für die Wirtschaft. Schließlich dürfte China heuer der einzige große Wirtschaftsraum sein, der Wachstum verzeichnet, wie Mikko Huotari, Chef des renommierten Mercator Institute for China Studies an der Humboldt-Universität in Berlin, in einer Analyse festhält.
So legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt im dritten Quartal im Vorjahresvergleich um 4,9 Prozent zu. Offizielle Zahlen aus China sind immer mit Skepsis zu betrachten. Aber die Erholung gehe schneller als erwartet voran, heißt es auch beim Internationalen Währungsfonds IWF.
Demnach werde die chinesische Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 1,9 Prozent zulegen. Weltbank und WHO gehen sogar von zwei Prozent aus. Und für 2021 rechnet der IWF gar mit einem Wachstum von 8,2 Prozent.
Kräftige Erholung
Der Aufbruchsstimmung folgt auch Airbus-CEO Guillaume Faury, der zuletzt verlauten ließ, dass der inländische Flugverkehr wieder zu 100 Prozent das Vorkrisenniveau erreicht habe. Eine Aussage, die Schösser in Bezug auf die zuletzt starke Reisetätigkeit der Chinesen teilweise bestätigen kann.
Auch die Autobranche floriert wieder. Im dritten Quartal lieferte Mercedes 224.000 Pkw aus. Ein Plus von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Audi meldet sogar neue Rekordstände. Die Einbrüche aus dem ersten Quartal wird das freilich nicht ganz wettmachen. Experten rechnen für das Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang des Automobilabsatzes in China von zehn bis 20 Prozent.
Ist also ausgerechnet das Land, in dem das Virus ausbrach, der ganz große Sieger der Krise?
Christoph Leitl, Präsident des EU-Wirtschaftskammer-Dachverbandes Eurochambres, beantwortet die Frage im KURIER-Gespräch auf seine Art: „Faktum ist: Wirtschaftlich ist China positiv, die USA und Europa sind negativ.“
Chinas Stärke, so Leitl, sei aber auch auf Europas Schwäche zurückzuführen. Er kritisiert, dass die Nationalstaaten keine gesundheitspolitische Koordination zustande bringen würden. Man beharre auf die nationalstaatlichen Kompetenzen. Das Ergebnis sei aktuell entsprechend sichtbar. „Wir müssen leider festhalten, dass das kollektivistische System in China dem europäischen bei der Bekämpfung des Virus offensichtlich überlegen ist.“
Mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen wie Leitl betont. Er befürchtet, dass Europa gegenüber China den Anschluss verlieren könnte. Und China habe ein klares Ziel. „2049, also exakt hundert Jahre nach der siegreichen Mao-Revolution, wollen sie politisch, militärisch und wirtschaftlich die Nummer eins sein. Daran arbeiten sie. Europa hat zwar Ziele, aber es fehlt an der systematischen Umsetzung“, sagt Leitl.
Freilich: noch ist das Jahr nicht zu Ende und auch China muss seiner Wirtschaft gehörig unter die Arme greifen. Für die sogenannte „Wiederherstellung der wirtschaftlichen Stabilität und die Bekämpfung der gestiegenen Arbeitslosigkeit“ machte die Regierung 460 Milliarden Euro locker (das sind etwa 3,6% des BIP).
Mit dem vielen Geld sollen Unternehmen steuerlich entlastet und Kreditvergaben vereinfacht werden. Kleine Unternehmen sollen auch erleichterten Zugang zu Vorzugsdarlehen erhalten. Hersteller von medizinischer Ausrüstung, Transportunternehmen, Kurierdienste und Anbieter von Dienstleistungen aus den Bereichen Kultur, Sport, Bildung, Tourismus, Unterhaltung und Gastgewerbe werden außerdem vorübergehend von der Mehrwertsteuer befreit.
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