Auch Europa steht vor dieser Entscheidung, die für die Beziehungen zu China nicht minder bedeutsam sein dürfte, wie Europas Haltung in der Hongkong-Frage, bei Menschenrechtsverletzungen oder zu Chinas Umgang mit Taiwan.
Huawei wurde ab 2019 mit immer schärferen US-Sanktionen belegt. Donald Trump nennt das Unternehmen „Spy-wei“, wirft ihm offen Spionage vor, was Huawei natürlich zurück weist.
Einigkeit in Europa sieht anders aus: In Österreich setzt Magenta beim neuen Mobilfunkstandard 5G auf Huawei. Großbritannien hat als erstes Land in Europa Huawei-Technologie ab 2027 aus seinem 5G-Netz verbannt, Schweden und Belgien haben kürzlich nachgezogen. Frankreich wiederum hat Huawei nicht grundsätzlich vom Aufbau des neuen Mobilfunkstandards ausgeschlossen, aber mit strengen Auflagen belegt. Und in Deutschland wird noch diskutiert, ob Huawei nun gut oder böse ist. Und so ambivalent verhält sich Europa bei vielen Themen.
Europas Spitzenpolitiker wollen die wirtschaftliche Abhängigkeit von China schon lange reduzieren. Gleichzeitig verhandeln Brüssel und Peking schon seit sechs Jahren über ein Investitionsabkommen, das einmal den Weg zu einem Freihandelsabkommen ebnen könnte.
Erst vor einer Woche betonten Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Siemens-Chef Joe Kaeser auf einer Asien-Pazifik-Konferenz in Berlin, deutsche Firmen sollten in Asien nach Alternativen zu China suchen. Vietnam, Indonesien, Singapur oder Südkorea wurden genannt. Altmaier: „Wir wollen unsere Lieferketten diversifizieren.“
Ja, aber – die Realität ist eine andere. Die Corona-Krise hat sichtbar gemacht, wie angewiesen die Welt auf China ist – in diesem Fall bei medizinischem Gerät und Medikamenten.
Positiv formuliert, ist diese Abhängigkeit eine immer intensiver werdende Handelsbeziehung. So profitieren etwa die deutschen Autobauer BMW, Audi und Mercedes enorm vom wiedererstarkten Wachstum in China und ziehen damit auch die heimischen Zulieferer ein Stück weit aus dem Coronaloch.
Einer, der die Entwicklung seit rund zwei Jahrzehnten aus nächster Nähe beobachtet hat, ist Ex-Finanzminister und Industrieller Hannes Androsch.
Sein Leiterplattenkonzern AT&S ist mit 1,7 Milliarden Euro und rund 7000 Mitarbeitern an den Standorten Schanghai (seit 2002) und Chongqing (seit 2016) Österreichs größter Auslandsinvestor in China.
Androsch sagt im KURIER-Gespräch: „Die Handelskonflikte sind die eine Sache. In Wahrheit tobt hier ein Strukturwettkampf um die globale Technologieführerschaft und die geopolitische Vorherrschaft im Westpazifik. Facebook, Google, Microsoft, Amazon, Twitter, Instagram sind vorne. Aber China holt auf. Und Europa? Wir werden mehr und mehr zu einer digitalen Datenkolonie und sitzen bei der feindseligen Rivalität zwischen den USA und China zwischen zwei Stühlen.“
China will „jetzt Weltmacht sein, seine Import- und Exportwege sichern, sei es über die Seidenstraße oder den digitalen Highway“, analysiert Androsch. Im Endeffekt seien das keine rein wirtschaftlichen Fragen, es gehe letztlich um „Fragen der Sicherheit, der digitalen Souveränität bis hin zur Verteidigungsfähigkeit Europas“.
Auch Wifo-Ökonom Klaus Friesenbichler ist betont China-skeptisch. Er kennt viele kritische Beispiele vom Diebstahl geistigen Eigentums durch chinesische Firmen über den Billigstahl, mit dem China den Weltmarkt überschwemmt hat, bis hin zu den Handelskonflikten rund um Huawei, Tiktok und die Zukunft der Schlüsseltechnologien. Die Entwicklung gleiche einer „schiefen Ebene“. China sei eine Diktatur, die ihr Weltmachtstreben nicht verheimliche, sondern offen und weltweit demonstriere.
Wie stark Chinas Anteil am globalen Wachstum mittlerweile ist, hat Industrie-Chefvolkswirt Christian Helmenstein für den KURIER errechnet. Sein Ergebnis: Ohne Corona wäre heuer bereits ein Drittel des weltweiten Wachstums von China (USA: 9 Prozent, EU 7,6 %) gekommen. Und mit bzw. nach Corona gibt es de facto überhaupt nur noch China mit Wachstum. Helmenstein sagt: „Man sieht mit freiem Auge, dass China drauf und dran ist, zur wirtschaftlichen Nummer 1 in der Welt aufzusteigen.“
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