CETA-Abkommen: Fünf Jahre umsonst verhandelt?

Handelsdeal als "Trojanisches Pferd".
EU-Kommission und Kanada sind sich einig, die Mitgliedsstaaten skeptisch.

Der EU-Kanada-Gipfel war als feierlicher Termin angesetzt gewesen. Doch als Ratspräsident Herman Van Rompuy, Kommissionschef Jose Manuel Barroso und der kanadische Premierminister Stephen Harper Freitagnachmittag vor die Kameras traten, war die Feierlaune einigermaßen getrübt.

Die Situation ist auch einigermaßen schräg: Fünf Jahre lang wurde über ein Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU gefeilscht. Die Gesprächspartner sind sich einig, die Verhandlungen abgeschlossen – doch ob das Abkommen je in Kraft treten wird, ist ungewiss. Denn rechtzeitig zum Abschluss der Verhandlungen ist in den EU-Mitgliedsstaaten der Widerstand gegen das CETA-Abkommen erwacht.

Viele offene Fragen

Heftig kritisiert wird – wie beim geplanten TTIP-Abkommen mit den USA – der Investorenschutz (siehe auch Artikel unten). Hier gibt es die Sorge, dass CETA amerikanischen Firmen über den Umweg einer kanadischen Dependance die "Hintertür" für den Gang vor ein Schiedsgericht öffnen würde.

Mehrere Staaten wollen deshalb CETA nur ohne den vereinbarten Investorenschutz abschließen – aber ob jetzt noch nachverhandelt werden kann, ist offen. Der scheidende Handelskommissar Karel de Gucht sagt "Nein" – möglicherweise sieht sein Nachfolger in der nächsten Kommission das anders.

Strittig ist auch, ob CETA in der EU noch von allen 28 nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss. Die Kommission hält das nicht für notwendig. In den Staaten sieht man das anders: Die deutsche Regierung hat diese Woche ein Gutachten vorgelegt, wonach CETA von den Parlamenten abgesegnet werden muss. Diese Position hat auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bei den jüngsten CETA-Debatten im Nationalrat vertreten. Österreich hat im Vorjahr Waren im Wert von knapp einer Milliarde Euro nach Kanada exportiert und rund halb so viel importiert. Mitterlehner erwartet durch CETA eine Steigerung der Exporte um 50 Prozent.

In Brüssel wird CETA auch als Testlauf gesehen – nicht nur für TTIP. In Kommissionskreisen ist man einigermaßen frustriert, wie ein Beamter sagt: "Wenn es sich durchsetzt, dass wir fünf Jahre verhandeln und dann die Staaten alles über den Haufen werfen, können wir künftige Abkommen vergessen."

Der Text des CETA-Abkommens im Internet

Die Kanadier sind ein aufgeschlossenes Volk: 68 Prozent begrüßen den Handelspakt, nur 11 Prozent sind dagegen. In der EU hat sich hingegen im Sog des US-Abkommens TTIP heftiger Widerstand formiert. Seit Freitag ist der finale CETA-Text (mit schlanken 1634 Seiten) offiziell verfügbar.

Die gute Nachricht: Geflügel ist von CETA ausgeschlossen, es droht also kein „Chlorhuhn“. Ausgeklammert ist auch der Zugriff auf Wasserresourcen. Dafür sollen viele Schranken fallen, was das EU-BIP bis zu 11,6 Mrd. Euro pro Jahr erhöhen wird, verspricht Brüssel – ein eher bescheidenes Plus von 0,086 Prozent.

Zölle

99 Prozent der Zölle fallen, vor allem für die Industrie. Kanada will eine Reihe von EU-Normen für Pkw anerkennen. Gut für Österreich: Der Großteil unserer Exporte betrifft den Anlagenbau, Zugmaschinen und Kfz.

Agrar

Für Landwirtschaftsgüter entfallen 93 Prozent der Zölle. In „empfindlichen“ Bereichen (Milch für Kanada; Mais, Rind- und Schweinefleisch für die EU) wird der Zugang nur etwas vergrößert. Große Exportchancen sieht die EU für Wein und Spirituosen.

Dienstleistungen

Für Finanzen, Telekom, Energie, Seeverkehr und öffentliche Ausschreibungen werden die Märkte geöffnet. Viele Berufsqualifikationen sollen einfacher anerkannt werden.

Investitionen

Für Empörung sorgen Schiedsgerichte, vor denen Konzerne gegen Staaten vorgehen können, wenn sie ihr Geld gefährdet sehen.
Privatisierungen Kein Zurück mehr: Unternehmen, die privatisiert wurden, dürfen nicht mehr staatlich werden.

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