Was Österreich den Berlinern auftischt

Auf der Grünen Woche werden österreichische Köstlichkeiten ausgegeben.
Österreich bedient bei der Berliner Verbrauchermesse "Grüne Woche" Klischees.

Herr Müller und Herr Schmidt haben es eilig. Der Berliner Bürgermeister und der deutsche Agrarminister müssen bei der Grünen Woche (siehe links) Händeschütteln. Und das im Minutentakt. Am Eröffnungstag haben sich die beiden für 10:08 Uhr am Messestand der Österreicher angekündigt. Das heißt, zu diesem Zeitpunkt müssen alle bereitstehen, die Hände schütteln und mit aufs Foto wollen. Also alle Politiker und Prinzessinnen.

Was Österreich den Berlinern auftischt
Grüne Woche, Berlin
Gemeinsam mit Agrarminister Andrä Rupprechter warten neben vielen Funktionären die österreichische Weinkönigin sowie Milchprinzessinnen auf die beiden Herren. Dass diese sich nähern, kündigt der Tross von Sicherheitsleuten – allesamt mit Knöpfen im Ohr – an, der sich wie ein Schneepflug durch die Hallen schiebt. Um Punkt 10.08 Uhr sind sie da: Müller und Schmidt. Sie begrüßen, verkosten, posieren. Ein paar Minuten später ist der Spuk schon wieder vorbei. Es herrscht wieder österreichische Gemütlichkeit in der Halle und bei den Ausstellern des Gemeinschaftsstandes der AMA Marketing.

Einer der Aussteller ist Felix Hörrlein. Er bringt die Berliner zum Weinen. Allerdings nicht, ohne sie vorab gewarnt zu haben. "Nichts für Heulsusen" steht auf seinem grünen T-Shirt. Hörrlein, für den Vertrieb von Steirerkren in Deutschland zuständig, reicht den Besuchern Kostproben des "geraspelten Meerrettichs", wie die Deutschen sagen. Die meisten verziehen erschrocken das Gesicht. "Nee, dat is nüscht für mich", stellt ein Herr fest und fächert sich und seinen tränenden Augen Luft zu. Eine oft gesehene Geste am Stand. Geriebener Krenn steht nördlich des Weißwurst-Äquators nicht am Speiseplan. "Hier müssen wir bei den Konsumenten erst das Interesse wecken", sagt Hörrlein. "In Süddeutschland sind wir schon in ein paar Tausend Läden gelistet." Für die Messetage hat er 25.000 Gläser Kren mitgenommen – das sollte nach den Erfahrungen der Vorjahre erstmal reichen.

Rasierpinsel aus Dachshaar

Ernst Falk kommt schon seit rund 20 Jahren zur Grünen Woche nach Berlin. Er ist Geschäftsführer der Grazer Bürsten- und Korbwaren GmbH. Vor ihm stehen Rasierpinsel – wahlweise aus Dachshaar oder Schweineborsten. Vor seinem Gesicht baumeln Bürsten vom Plafond des Standes. "Seit 37 Jahren stellen wir hier aus, unser Renner sind die Flaschenbürsten." Falk zieht die Augenbraue hoch, zieht eine leere Champagnerflasche unter dem Verkaufspult hervor und demonstriert wie "herrlich die Bürste den Flaschenboden reinigt". Als er zum handgefertigten Besen aus Rosshaar greift, macht er ein andächtiges Gesicht. Der blinde Herr, der diesen Besen fabriziert hat, sei leider in Pension gegangen. 69 Euro kostet der handgemachte Besen, etwa drei mal so viel wie ein maschinell hergestellter. Nach dem ersten Weltkrieg ist die Herstellung von Besen traditionell in Händen von blinden Kriegsversehrten gewesen, heute versteht fast niemand mehr das Handwerk, sagt Falk.

Was Österreich den Berlinern auftischt
Grüne Woche, Berlin
Leopold Klausl kommt währenddessen kaum mit dem Nachschenken seiner Liköre und Brände nach. Seit acht Jahren kommt er nach Berlin. "Die Gäste kaufen aber immer weniger direkt auf der Messe, weil sie die Flaschen nicht nach Hause schleppen wollen", sagt der Niederösterreicher, der die Hälfte seines Geschäfts in Deutschland macht. Es wird also viel verkostet und bestellt. Er schenkt einem Kunden einen Klaren ein: "Die Natur hat den Schnaps durchsichtig gemacht, sodass die Leber ihn nicht sehen kann", erklärt er. Schmäh führen gehört auf der Messe zum Geschäft.

Die Vorarlberger Käsealm Moosbrugger kredenzt ein paar Hallen weiter "kussechten Knoblauchspeck". Sechs Verkäufer schneiden Speck und Käse vor einer Fototapete, die eine Heidi-Alm-Idylle an den Verkaufsstand zaubert. Alles soll "ursprünglich, natürlich und gesund" und "von kleinen Sennereien" sein. In deutschen Supermärkten gibt es die Produkte aber nicht. "Das wollen wir nicht, obwohl wir immer wieder Anfragen haben", sagt David Thielmann, der am Stand Speck verkauft. Im Supermarkt würden die Preise einfach nicht passen, deswegen verkauft er lieber auf Messen und im Internet. Er kommt mit dem Aufschneiden kaum nach. Genauso wenig wie sein Kollege von der Alpbachtaler Heumilchkäserei am AMA-Stand. Er hat rund eine Tonne Käse für die zehn Messetage mitgebracht. Die Gegend um Reith, wo der Käse herkommt, lebt vor allem von deutschen Touristen. Ein Klientel, dass die Käse-Macher in Berlin erreichen wollen.

Multikulti am Bauernhof

Währenddessen schwärmt Hans Embacher am AMA-Stand vom schönen Weißensee. Sein Job ist es, in der Großstadt den Urlaub am Bauernhof zu promoten. "Die meisten die sich dafür interessieren, kennen sich ganz genau aus. Sie fragen oft nach einem ganz bestimmten Bauernhof in einem konkreten Ort", erzählt Embacher. Auch wenn die Deutschen die mit Abstand wichtigsten Sommerfrischler Österreichs sind, haben einzelne Höfe schon eine sehr internationale Gästeschar. Embacher: "Ein Hof in Salzburg hatte heuer Gäste aus 28 Nationen". Möglich machen das Buchungsportale, die als Schaufenster zur Welt fungieren – auch für kleine Bauernhöfe.

Dem Tagesspiegel ist der Auftritt der Österreicher bei der Grünen Woche übrigens keine zwei Zeilen wert. "Österreich und Polen sind wie immer (Wurst und Schnaps)" schreibt die Zeitung.

Kommentar dazu hier: https://kurier.at/meinung/kommentare/wirtschaft/durch-die-blume-gesagt/243.421.747

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