Die Marillengemeinde wächst

Die Marillengemeinde Kittsee.
Die letzte Gemeinde vor der Grenze zur Slowakei wächst rapide, der Zuzug aus dem Nachbarland reißt nicht ab. Ein Drittel der Bevölkerung sind Slowaken. Schokolade und Marillen sind die wichtigsten Erzeugnisse.

Größer kann der Kontrast nicht sein. Auf der einen Seite der Bahnlinie Idylle: burgenländische Höfe inmitten von Marillenbäumen. Auf der anderen Seite die Plattenbau-Türme Bratislavas. Die frühere Grenze existiert nicht mehr – präsent ist sie dennoch. Kein Wunder, dass der Zuzug aus dem Nachbarland in die beschauliche burgenländische Grenzgemeinde Kittsee nicht abreißt. "Ein Drittel der Bevölkerung sind heute Slowaken", sagt die Bürgermeisterin Gabriele Nabinger. "Wir sind die am stärksten wachsende Gemeinde Österreichs." Ein Ende des Zustroms ist nicht in Sicht und das verlangt vor allem eines: mehr Wohnraum. Der Baustopp in der Gemeinde läuft im November aus, ab dann werden viele Grundbesitzer ihre Baugründe an Entwickler verkaufen und verdichteter Wohnbau wird entstehen. Dieser ist Nabinger ein Dorn im Auge, da dadurch das Ortsbild verändert, vielleicht sogar zerstört würde. Vieles davon ist aber bereits im Gange. Neben den stimmigen Giebelhäusern aus dem 19. Jahrhundert beidseits der Krachgasse entstehen einige Gassen weiter erste Siedlungen, rund um den Schottersee nehmen Reihen- und Einzelhäuser unter dem Projektnamen "Seepark Kittsee" Gestalt an.

Gleichzeitig nimmt auch das Verkehrsaufkommen stetig zu, was regelmäßig zu Staus führt. Viele der 3300 Bewohner pendeln täglich in umliegende Gemeinden, nach Pressburg oder Wien. Um die Situation zu entschärfen, wird verstärkt auf den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel gesetzt. Mit dem Zug ist man in 53 Minuten in Wien. Die neben dem Bahnhof befindliche Park&Ride-Anlage wird erweitert. Auch Kindergarten und Schulen mussten an die gestiegenen Geburtenraten angepasst und ausgebaut werden. Im Kindergarten gibt es nun neun Gruppen, in der Volksschule zehn und in der Neuen Mittelschule sieben Klassen. "Die slowakischen Kinder lernen ab dem Kindergarten Deutsch", sagt Nabinger. Im Gegenzug wird den burgenländischen Kindern ebenfalls angeboten, Slowakisch zu erlernen, was bisher jedoch kaum angenommen wurde.

Die Marillen-Gemeinde

Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Kittsee sind die Marillen. "Vor allem die Sorte "Ungarische Beste" wird angebaut", erzählt Nabinger. Das milde pannonische Klima lässt die Früchte hier besonders gut gedeihen. Rund 150 Marillenbauern ernten jedes Jahr etwa 500.000 Kilo Früchte. Sie vermarkten ihr Obst selbst im Bauernladen oder verkaufen es an ansässige Firmen wie den Marmelade- und Kompotthersteller Unterweger. Dort werden sie zu Schnäpsen, Säften und Marmeladen weiterverarbeitet. "Damit sind wir die größte Marillengemeinde Österreichs", betont die Bürgermeisterin. Jedes Jahr veranstaltet der Verein "GenussRegion Kittseer Marille" zur Blüte eine Wanderung durch die Marillengärten.

Ebenfalls Süßes stellt die größte Fabrik der Gemeinde her. Die Firma Hauswirth, mit rund 200 Mitarbeitern wichtigster Arbeitgeber in der Region, verarbeitet jährlich rund 3000 Tonnen Schokolade. Schokobananen, Rumkugeln, Dragees, Osterhasen, Nikoläuse aus der Schokoladefabrik können in der angrenzenden Csarda verkostet und gekauft werden. Auch Werksführungen werden angeboten.

Nun ist ein dritter großer Arbeitgeber im Aufbau: Mit dem Krankenhaus mit 79 Betten, dem Seniorenzentrum SeneCura, dem Neurologischem Reha-Zentrum und dem Physikalisches Institut Optima-med entsteht in Kittsee nun ein Gesundheits-Cluster. Am Businesspark Kittsee der Wibag siedeln sich Unternehmen an, die den Standort für ihre Osteuropa-Aktivitäten schätzen: Vertreten ist die Firma Emka Beschlagteile, Weltmarktführer für Verschlüsse, Scharniere und Dichtungen, sowie die Firma Palbox Plastic Container, die Großbehälter für Obst und Gemüse herstellt, sowie das K1 Shoppingcenter. Die H. u. J. Steiner Gmbh, die Leitern, Zäune und Gerüste herstellt, baut ihren Standort gerade aus. Die beiden Ökostrom-Windparks versorgen 4000 Haushalte mit Energie aus den Windkraftanlagen.

Kulturelles Zentrum der Region ist das Schloss Kittsee. Hier werden Konzerte, Kabaretts und Opern aufgeführt, der Kultursommer und das Pannonische Forum sowie Publikumsmessen organisiert. Seit einem Jahr ist ein Restaurant im Erdgeschoß des Schlosses untergebracht und ergänzt das Angebot für die Besucher. Viele nutzen den historischer Spaziergang: Dieser führt vom Schloss zum Ortsteil Chikago. "Dieser ist nach Auswanderern in die USA benannt, die zurückgekehrt sind und die bauliche Entwicklung in Kittsee mit jener in Chicago verglichen haben", sagt die Bürgermeisterin. Der Rundgang endet an der denkmalgeschützten Alten Burg, die sich in Privatbesitz befindet und gerade renoviert wird.

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