IHS: Wirtschaftsprognosen für heuer und 2022 wackeln

IHS: Wirtschaftsprognosen für heuer und 2022 wackeln
Worst Case: Grippesaison im Jänner trifft mit wieder steigenden Corona-Zahlen zusammen. Folgen im Bildungsbereich kommen teuer.

Fachleute des Instituts für Höhere Studien (IHS) haben zu aktuellen Fragen rund um den Lockdown Stellung genommen. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum für heuer und nächstes Jahr werden wahrscheinlich nicht halten, erwartet IHS-Ökonom Klaus Weyerstrass. Auch die erwarteten Folgen für den Bildungsbereich kommen teuer, erläuterte IHS-Experte Mario Steiner. IHS-Expertin Katharina Gangl sieht angesichts der Impfpflicht eine Radikalisierungsgefahr bei Impfgegnern.

Insolvenzen

Die nächste IHS-Wirtschaftsprognose wird in vier Wochen veröffentlicht. Es sei "höchstwahrscheinlich, dass wir heuer nicht die 4,5 Prozent Wachstum erreichen werden", sagte Weyerstrass. Die wirtschaftlichen Auswirkungen würden aber vermutlich im nächsten Jahr noch größer sein. Der Arbeitsmarkt habe sich gerade wieder erholt, die Arbeitslosigkeit lag unter den Werten von 2019. Angesichts geschlossener Restaurants, Hotels und Geschäfte sei natürlich zu befürchten, dass Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit wieder kräftig ansteigen werden. Der Ökonom erwartet Auswirkungen in etwa so wie im zweiten Lockdown, die ungefähr halb so stark wie im ersten Lockdown waren. Im schlimmsten Fall sei im nächsten Jahr mit einer Insolvenzwelle zu rechnen. die Gläubigerschützer sind zuversichtlich.

Gesundheitsökonom Thomas Czypionka findet "drei Wochen Lockdown besser als gar nichts". Man wisse aber nicht, wie die Leute reagieren, also ob sie den Lockdown auch einhalten. Die Lage in den Spitälern sei besorgniserregend, die Verschiebung von Krebs-Operationen sei eine Katastrophe. Jedes freie Intensivbett ermögliche nicht nur eine, sondern zahlreiche OPs, die jetzt nicht durchgeführt werden könnten. Aus Solidarität habe man sich für einen Gesamt-Lockdown entschieden.

Spitäler entlasten

Offen sei, ob der Lockdown lange genug sei, um die Lage in den Spitälern zu entspannen, da die schweren Erkrankungen der jetzt Neuinfizierten erst in einigen Wochen auftreten. Am schlimmsten wäre es, wenn nach drei Wochen Lockdown alle die Geschäfte stürmen und sich zu Weihnachten treffen, und dann setze im Jänner die Grippesaison ein und die Corona-Zahlen steigen auch wieder. Dann könnten die Spitäler bald wieder sehr voll sein, gibt er zu bedenken. "Nach diesem General-Lockdown muss es Diversifizierungen auf Bundesländerebene geben, alles andere wäre nicht vermittelbar", meint er.

Impfpflicht als Chance

Die nun beschlossene Corona-Impfpflicht ist für die Verhaltensökonomin Katharina Gangl eine Chance - "wenn man es klug umsetzt". Die Mehrheit der Bevölkerung sei für die Impfpflicht. Für die Ungeimpften sei die Impfpflicht eine Chance, um ihr Gesicht zu wahren und ihre Meinung zu behalten, aber trotzdem der Impfpflicht nachkommen zu müssen und dadurch eine Impfung zu bekommen.

Allerdings bestehe auch die Gefahr, dass sich eine kleine Gruppe radikalisiere: "Wenn Menschen den wissenschaftlichen Studien zur Impfung keinen Glauben schenken, aber bereit sind, Medikamente für Pferde einzunehmen, sieht man die Irrationalität". Angesprochen auf die früher in Österreich bestehende Impfpflicht gegen Pocken meinte sie, seitdem habe sich gesellschaftlich viel verändert bezüglich mehr Individualität und Skepsis gegenüber Autoritäten, und Impfpflichten seien aus der Mode gekommen. In den letzen Jahren sei jedoch auch in Europa wieder ein Trend hin zur Impfung erkennbar.

Bildungsbereich

Auf Folgen im Bildungsbereich verweist IHS-Experte Mario Steiner. Wenn es mehr frühe Ausbildungsabbrecher gebe, beeinflusse das die Erwerbskarriere ganz massiv, denn je niedriger das Bildungsniveau desto höher seien die Arbeitslosenquoten und desto geringer der Verdienst. Dies habe nicht nur individuelle Folgen, sondern auch die volkswirtschaftlichen Effekte seien extrem hoch. Wenn Lernleistung privatisiert werde, wie es bei Distance Learning geschehe, dann würden die benachteiligten Kinder am stärksten negativ betroffen, hieß es.

Milliardenverluste

Ein bundesweiter Corona-Lockdown würde der heimischen Wirtschaft wöchentlich eine Milliarde Euro an Einbußen bescheren, sagt IHS-Experte Klaus Weyerstrass. Bliebe der Lockdown auf Oberösterreich und Salzburg beschränkt, wären es rund 250 Mio. Euro pro Woche, sagte der Ökonom vom Institut für Höhere Studien (IHS) am Freitag im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radios.

Für den Wintertourismus wäre ein neuer Lockdown sicher wirklich sehr, sehr problematisch, meinte der Arbeitsmarktexperte. Ob das Weihnachtsgeschäft verlorengehe, hänge von der Art und Dauer des Lockdowns ab: "Wenn er sich als nicht effektiv herausstellt und dann länger dauert, sind wir sehr schnell im Weihnachtsgeschäft."

Für die betroffenen Unternehmen, die jetzt wirklich behördlich gezwungen würden zuzusperren, sollte entgangene Gewinne in irgendeiner Form ausgeglichen werden. "Das ist da sicher notwendig." Man müsse aber sehr genau darauf achten, dass es keine Mitnahmeeffekte gebe. Die Hilfen müssten so ausgestaltet sein, "dass wirklich echt entstehende Einbußen auch wirklich ausgeglichen werden". Gegenüber dem Vorjahr sollte man nachschärfen - und sich vielleicht nicht am Umsatz, sondern am entgangenen Gewinn orientieren. Schon am Donnerstag hat die EU-Kommission grünes Licht für weitere staatliche Coronahilfen bis Juni 2022 gegeben.

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