Bundesrechenzentrum-Chef: „Wir arbeiten enorm innovativ und agil“
Der 57-jährige Roland Ledinger wurde Mitte Oktober neben der langjährigen kaufmännischen Geschäftsführerin Christine Sumper-Billinger zum neuen Geschäftsführer für die Bereiche Betrieb und Kundenmanagement im Bundesrechenzentrum (BRZ) bestellt. Der IT-Topfachmann gilt, wie der KURIER berichtete, als parteiunabhängig. Er soll das Image des Unternehmens wieder auf Vordermann bringen. Mit der technischen Verzögerung bei der Einführung der Impfpflicht habe das BRZ nichts zu tun, wird betont.
KURIER: Wie bewerten Sie den Stand Österreichs hinsichtlich Digitalisierung?
Roland Ledinger: Wir sind bei der öffentlichen Verwaltung auf einem guten Weg, das Niveau ist sehr hoch, aber natürlich geht immer mehr. Wir sind nicht mehr ganz so weit vorne wie vor 10 Jahren. Wir haben die Entwicklung nicht verschlafen, aber andere Länder holen schnell auf. Vielleicht müssen wir gemeinsam mehr Anstrengungen über alle Gebietskörperschaften tätigen, damit wir hier nicht zurückfallen.
Ist der Föderalismus hier ein Handicap?
In manchen Dingen ja, wenn es darum geht, Lösungen bundesweit zur Verfügung zu stellen. In anderen Dingen ist er hilfreich, weil in einem kleineren Rahmen Innovation schneller möglich ist. In der Pandemie wäre es manchmal einfacher gewesen, Dinge zentraler zu lösen. Wobei die Pandemie ein gewisser Treiber für die Anwendung vorhandener Themen war: Viele Menschen wurden etwa mit Videokonferenzen vertraut oder haben die Handy-Signatur genutzt.
Wie schauen Ihre Pläne für das BRZ aus?
Das BRZ hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt und sich für die Herausforderungen der Zukunft gut aufgestellt, da die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung auf breiter Ebene umgesetzt werden muss. Wir werden aber noch immer sehr stark als reines Rechenzentrum gesehen, das ist historisch bedingt. Was oftmals nicht ausreichend wahrgenommen wird ist die Tatsache, dass wir vom Innovationsprojekt über die Entwicklung bis hin zu Consulting und Betrieb die ganze Kette von Leistungen im Portfolio der digitalen Transformation haben. Das BRZ ist auch ausgezeichnet international vernetzt. Das alles soll nach außen hin sichtbarer werden.
Wären wir in der Privatwirtschaft, dann würde man nach 25 Jahren den Namen ändern.
Das wäre schon denkbar, aber wir haben den Anspruch, eine gewisse Kontinuität zu verfolgen. Es ist nicht so wichtig wie etwas heißt, sondern für was es steht. In der Außenwirkung wollen wir zeigen, dass wir der verlängerte Arm der Digitalisierung der Bundesministerien sind. Das müssen wir leben, egal wie wir heißen. Wir haben also keine Ambitionen, den Namen zu ändern. Zudem hätte eine Namensänderung in der Technik starke Folgewirkungen durch Änderung von Zertifikaten, Domainnamen und so weiter. Wichtiger ist, unsere digitale Kompetenz sichtbar zu machen. Dem BRZ trauen viele von außen nicht zu, dass wir enorm innovativ und agil arbeiten.
Dennoch gilt das BRZ in der Branche als behäbig. Kunden sollen 6 bis 8 Wochen auf ein Angebot warten müssen, die Effizienz könnte um 25 Prozent gesteigert werden.
Wir sind bei der Angebotslegung an gewisse Rahmenbedingungen, die in der Privatwirtschaft so nicht vorliegen, gebunden. Etwa an das Kostendeckungsprinzip, das uns das BRZ Gesetz vorschreibt. Wir müssen daher gewisse Dinge vorab abklären, bevor wir ein verbindliches Angebot legen können. Wie liegen aber nicht bei 6 Wochen, sondern weit darunter. Wir haben auch eine Fast Lane eingeführt, sodass Angebote, die dringend notwendig sind, sehr schnell erfolgen. Da wir aber auch sehr viel Leistung zukaufen, ist ein formaler Prozess notwendig.
Und bei der Effizienz?
Das sind typische Analystenaussagen. Die gehen immer davon aus, dass wir Dinge wie vor 30 Jahren machen. Das BRZ hat sich aber enorm weiterentwickelt. Die von Ihnen genannten 25 Prozent stimmen auf keinen Fall. Es wird ständig optimiert, wir haben Benchmarks, etwa bezüglich Verfügbarkeit oder Produktivität. Das Unternehmen wird nicht wie ein Amt geführt, sondern wie ein modernes IT-Unternehmen. Unsere Kunden fordern auch eine Preisgestaltung, die dem Markt entspricht. Und was man verkennt ist, dass hier oft Äpfel mit Birnen verglichen werden. Unsere Kunden haben einen sehr hohen Anspruch auf Qualität und Sicherheit. Das ist auch mit Kosten verbunden. Aber ich traue mich zu sagen, dass wir mit dem Markt gut vergleichbar sind.
Zum Grünen Pass aus Ihrem Haus: Es gibt 4,5 Millionen Downloads, aber rund 7 Millionen Geimpfte und Genesene. Wie kann das ausstehende Potenzial in diesen Gruppen zur Benutzung noch gehoben werden?
Und wir sind kein typischer IT-Dienstleister, der seine Kunden oder Benutzer in ein System drängen will. Die Verwaltung muss mehrere Kanäle anbieten. Es gibt Bürger, die noch nicht auf der digitalen Welle mitschwimmen. Wir sind primär der Dienstleister, der diese digitalen Produkte für seine Kunden entwickelt und zur Verfügung stellt. Erfolgreich sind jene Angebote, die dem Bürger nützen. Die Bürgerkarte als Chipkarte ist nie ins Fliegen gekommen, die Handy-Signatur und digitale Signatur aber hat sich in den vergangenen Monaten von 1,5 auf über 2,8 Millionen Nutzer gesteigert. Sie wird 200.000 bis 300.000 Mal am Tag genutzt. Damit ist es kein Orchideenthema einiger weniger Techniker mehr.
Wie fälschungssicher ist der Grüne Pass? Es gab ja vor kurzem die Meldung, dass der Zugang gehackt wurde.
Man kann beim Thema Cybersecurity nie 100 Prozent sicher sein. Aber wir haben enorme Sicherheitslevels. Wir müssen das Restrisiko so gering wie möglich halten, denn es geht um sensible Bürgerdaten. Wir können ausschließen, dass Zertifikate des Grünen Passes in Österreich durchbrochen worden sind. Grundsätzlich ist der EU-weite Zugang kein Sicherheitsproblem, aber je mehr Stakeholder involviert sind, desto größer das Risiko.
Hat Datenschutz generell einen höheren Stellenwert als die Pandemiebekämpfung, siehe etwa den Wirbel um die Rot-Kreuz-App?
Das ist eine kulturelle Frage. Im deutschsprachigen Raum gibt es ein sehr hohes Datenschutzempfinden. Daher ist es schwierig, auch mangels rechtlicher Grundlage, bestimmte Daten zusammenzuführen. Ein Beispiel: Im BRZ gilt die gesetzliche 3-G-Pflicht am Arbeitsplatz. Daher haben wir eine Lösung gekoppelt mit der Zutrittskontrolle umgesetzt, bei der wir sicherstellen mussten, dass keine Daten aus Zertifikaten abgespeichert werden. Daher müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Gebäudezugang jeden Monat erneut freischalten.
Die IT-Branche beklagt einen großen Mangel an Fachkräften. Wie kann man dem begegnen und wie viel sucht das BRZ?
War es in der Vergangenheit der Wettbewerb um die Kunden, ist es jetzt der um die Fachkräfte. Das ist momentan sehr schwierig. Vor allem wenn man manchmal noch fälschlicherweise als amtsnahe oder verstaubt wahrgenommen wird. Wir versuchen durch optimales Recruiting und transparente Darstellung der Leistungen, die wir im Unternehmen bieten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Wir suchen derzeit über 100 IT-Fachkräfte, auch über Social Media sowie eigene Lehrlings- und Trainee-Programme. Übrigens hat das BRZ heuer erneut den Best Recruiters-Award in Gold in der Branchenwertung IT/Software/Telekom gewonnen.
Ein großes Problem sind die stark steigenden Gehaltswünsche, wo wahrscheinlich das BRZ nicht mitkann.
Wir haben eine sehr geringe Fluktuation innerhalb der Branche. Wir sind nicht an das Gehaltsschema des Bundes gebunden und haben einen eigenen KV und zahlen besser als die Ministerien. Wir bemühen uns aber nicht, von Kunden oder Lieferanten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuwerben. Das ist auf Dauer kein gutes Modell.
Sie haben weite Teile des IT-Betriebs des AMS übernommen, nachdem es mit dem früheren Dienstleister IBM größere Probleme gab. Läuft jetzt alles reibungslos?
Bestens, das AMS bestätigt eine große Zufriedenheit. Wir sind mit den Projektzielen am Punkt genau gelandet. Es ist für uns ein wichtiges Projekt, das vor meiner Zeit begonnen hat. Wir konnten dabei auch viel an Erfahrung für die IT-Konsolidierung des Bundes sammeln.
Was hat Sie am Job im BRZ gereizt?
Das, was auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszeichnet: Wenn man einmal im Verwaltungsumfeld tätig ist, hat man eine gewisse Bindung an die Sache und eine hohe Loyalität. Wir haben sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon lange im Haus sind. All die, die in große Konzerne gehen, sind irgendwann nicht mehr in der Lage, ihre Kreativität und Innovation ausleben zu können, weil die Steuerung meist durch Zentralen in Übersee erfolgt und bestimmt wird, welches Produkt wie zu vertreiben ist. Im Public Sector – und das verkennt man oft – hat man ein hohes Mitwirkungspotenzial in der Gestaltung und man sieht sehr oft einen unmittelbaren Nutzen bei den Bürgern, sei es etwa der Grüne Pass, österreich.gv.at, das Unternehmensserviceportal, Justiz 3.0 oder FinanzOnline. Das stärkt die Motivation und Bindung.
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