Brisanter Streit um Konstruktionspläne: Russen klagen Voest-Tochter Böhler

Streit um Liefervertrag für ukrainisches Atomkraftwerk Khmelnitskaya
Bei einem Auftrag für Turbinenblätter für ein Atomkraftwerk in der Ukraine soll es zu Ungereimtheiten gekommen sein. Böhler weist die Vorwürfe zurück.

Ein brisanter Millionen-Streit um Konstruktionspläne beschäftigt seit Donnerstag das Handelsgericht Wien. Der russische Turbinenhersteller Power Machines des Milliardärs Alexej Mordaschow klagt die Voest-Tochter Böhler auf fast 2,72 Millionen Euro Schadenersatz. Laut der Klage, die aus der Feder des Wiener Anwalts Alexander Petsche (Kanzlei Diwok Hermann Petsche Baker & McKenzie) stammt, soll Böhler bei einem Großauftrag über die Lieferung von Turbinenblättern für das ukrainische Atomkraftwerk Khmelnitskaya technische Zeichnungen von Power Machines bzw. ihrer Tochter LMZ illegal verwendet haben.

"Diese Zeichnungen verschaffen dem Inhaber einen signifikanten Wettbewerbsvorteil auf dem Markt", behaupten die Russen. Sie wollen Böhler im Jahr 2010 die Zeichnungen übergeben haben. Damals hatten die Russen Pläne, diese Titan-Bauteile bei der Böhler Schmiedetechnik in Kapfenberg herstellen zu lassen.

Doch es blieb bei einer Absichtserklärung. Im Mai 2012 sollen die Verhandlungen über den Auftrag abgebrochen worden sein. Drei Jahre später hat Böhler mit einem italienischer Partner den Zuschlag für Turbinenblätter vom ukrainischen Staatsbetrieb Energoatom erhalten. Die eingebauten Turbinenblätter hatten mit 100.000 Stunden die höchstzulässige Gebrauchsdauer bei weitem schon überschritten.

Dabei soll Böhler "ohne Zustimmung" der Russen deren technischen Zeichnungen verwendet haben. Die Russen behaupten auch, dass Böhler sich dadurch hohe Kosten erspart habe, "die für die mehrjährige Entwicklung kompatibler technischer Zeichnungen notwendig gewesen wären". Außerdem soll es sich dabei um Geschäftsgeheimnisse handeln.

Alles ganz anders

Indes bestreiten Voest und Böhler die Vorwürfe. "Es liegt keine rechtswidrige Verwendung von geheimem Know-how vor", lautet der Konter. "Die aufgestellten Behauptungen sind faktisch unrichtig und rechtlich verfehlt." Die Version von Böhler geht so: Die Russen haben 2010 mit der Böhler Schmiedetechnik über eine Zusammenarbeit für ein indisches Kernkraftwerksprojekt verhandelt. Böhler sollte die Turbinenschaufeln herstellen. Ende 2010 übergaben die Russen die umstrittenen Zeichnungen an Böhler. Zwei Monate zuvor hatten die Kapfenberger schon eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnet. Doch aus dem Auftrag für Indien wurde nichts, die Inder haben das Projekt verschoben. Wie oben erwähnt, erhielt Böhler aber den Auftrag aus der Ukraine.

Deutsche Zeichner

"Es war für die Ausführung dieses Auftrags nicht erforderlich, auf Zeichnungen von den Russen zurückzugreifen", heißt es dazu von Böhler-Seite. Der ukrainische Staatsbetrieb Energoatom habe nämlich einer Düsseldorfer Firma die nötigen technischen Daten und Anforderungen im Wege des "Reverse-Engineerings" geliefert und die Deutschen haben daraus die erforderlichen Original-Zeichnungen erstellt. Außerdem habe Böhler nur die Rohlinge geschmiedet, das Endprodukt habe der italienische Partner produziert. Die Russen behaupten außerdem in ihrer Klage, dass sie den Auftrag aus der Ukraine bekommen hätten, hätte nicht Böhler mit ihren technischen Zeichungen die öffentliche Ausschreibung gewonnen.

Die Böhler-Anwälte legen hier aber noch nach: "In Anbetracht des russisch-ukrainischen Konflikts wäre ein russischer Lieferant für die ukrainische Energoatom als Vertragspartner nicht infrage gekommen und hätte nie den Auftrag erhalten." Detail am Rande: Parallel zum Prozess in Wien läuft ein Schiedsverfahren beim Schiedgericht der Internationalen Handelskammer ICC in Stockholm.

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