Sie wechseln gerade von Borealis in den Vorstand der OMV, die mittlerweile 75 Prozent an Borealis hält. Was haben Sie bei der OMV vor?
Die Möglichkeiten, die wir mit Chemie und Materialien haben, sind noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Wir wollen uns dorthin verlagern. Dazu können wir von der Borealis sehr viel beitragen.
Die OMV ist damit nicht mehr der Öl- und Gaskonzern, der er einmal war.
Kunststoffe kann man aus vielen Rohstoffquellen erzeugen, Öl kann einer davon sein. Bei Borealis arbeiten wir bereits mit erneuerbaren Rohstoffen, also Kunststoffmüll. Wir wollen mit der OMV in der Kreislaufwirtschaft führend werden. Gerade in Europa ist das sinnvoll, wo wir mit Rohstoffen nicht gesegnet sind.
Sehen Sie genügend industriepolitische Strategien in Europa und in Österreich?
Wir sind hier nicht zufällig in Linz. Österreich ist ein innovatives Land mit gut ausgebildeten Menschen. Unsere Stärke sind die Netzwerke – mit Firmen und Universitäten. Nur ein Beispiel: OMV, Borealis, Verbund und Lafarge bemühen sich gerade in einer Machbarkeitsstudie, aus CO2 von der Zementproduktion Kunststoff herzustellen. Ähnliche Diskussionen gibt es auch mit der Voest.
In Österreich herrscht wie in Deutschland eine gewisse Technik- und Wirtschaftsfeindlichkeit. Stört Sie das?
Ja, es stört mich persönlich. Ich mag Technik und Naturwissenschaften, aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass es eine Herausforderung für unsere Gesellschaft wird. Weil die Hoffnung, dass wir das Klima retten, indem wir weniger konsumieren, unrealistisch ist. Wir werden Innovation und Technologie brauchen, um unsere Ressourcen effizienter nutzen zu können – um Energie einzusparen oder auf neuen Wegen und auch billiger zu erzeugen. Wir werden neue Energiespeicher erfinden, Autos leichter machen und neue, besser rezyklierbare Materialien erfinden müssen. Ich spüre ein langsames Umdenken bei jungen Leuten. Die wollen auch einen Beitrag leisten. Firmen wie die Borealis oder die OMV können dafür Begeisterung erzeugen.
Der Ton hier in Linz wirkt kameradschaftlich, nahezu amikal. Jetzt springen Sie in das Haifischbecken OMV. Wird wohl ein scharfer Kulturwechsel für Sie?
Sie haben recht, bei Borealis ist Wertschöpfung durch Innovation wichtig. Dafür braucht man eine Unternehmenskultur, wo sich die Leute trauen, Neues zu wagen und selbst Entscheidungen zu treffen: eine gute Grundlage für ein fortschrittliches Unternehmen.
OMV-Chef Seele soll von Ihrer Ernennung in den Vorstand nicht so begeistert gewesen sein.
Ich glaube, wir sollten uns auf Themen fokussieren und Ziele klar artikulieren. Die Schwierigkeit ist dann, wie man dort hinkommt. Das machen die Mitarbeiter. Die entsprechend mitzunehmen, ist eine extrem wichtige Führungsaufgabe. Ich habe mich sehr gefreut, als mir der Job für Chemie und Materialien bei der OMV angeboten wurde und werde ihn voller Enthusiasmus und Energie antreten.
Worauf sind Sie stolz nach 13 Jahren Borealis?
Als ich 2008 in Linz angefangen habe, war da noch eine Schutthalde nach dem Abriss des alten Gebäudes. Heute ist hier ein Top-Innovation-Center. Ich bin stolz darauf, Borealis an die Spitze von Innovation und Technologie in unserem Industriefeld gebracht und zum österreichischen Patentkaiser gemacht zu haben. Wir haben innovative Produkte am Markt und sind in allen Kontinenten lieferfähig. Als wir 2016 unseren ersten Recyclingbetrieb gekauft haben, war die Ratlosigkeit darüber in der Kunststoffindustrie noch groß. Heute versuchen alle, in diesen Bereich hineinzukommen. Da haben wir einen Vorsprung, und da werden wir als Borealis plus OMV stärker aufgestellt sein.
Gibt’s mit einem arabischen Partner im Konzern manchmal einen Cultural Clash?
Natürlich gibt es unterschiedliche Kulturen, aber auch in Abu Dhabi hat man Interesse daran, Geld zu verdienen.
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