Berndorf-Chef Viehböck: "Wir werden mit Blockaden überhäuft"
Franz Viehböck hinterfragt den Nutzen bürokratischer Auflagen und fürchtet, dass sich die europäische Politik selbst in der Umweltpolitik auf das Falsche konzentriert.
Das Industriegelände von Berndorf mit seiner Kombination aus alten Backsteingebäuden und hochmodernen Hallen im Triestingtal atmet eine 180-jährige Geschichte samt Aufbruch ins Hightech-Zeitalter.
KURIER: Franz Viehböck und die Firma Berndorf: In der öffentlichen Meinung steht der eine noch immer für Raumfahrt und das Unternehmen für Besteck. Dabei sind Sie CEO eines globalen Technologiekonzerns.
Franz Viehböck: Berndorf wäre in den Achtzigerjahren - als damals verstaatlichter Konzern - mit Vollkaracho in die Insolvenz geschlittert, wenn es nicht eine Sanierung und ein Management-Buy-out durch Norbert Zimmermann gegeben hätte. Mittlerweile ist Berndorf eine Gruppe von mittelständischen Technologieunternehmen, die alle mit Metallverarbeitung zu tun haben. Das Besteck ist nur noch ein ganz kleiner Teil ...
.... den es nur noch aus Sentimentalität gibt oder macht es auch Gewinne?
Beides. Als das Metallbesteck in den Flugzeugen nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 verboten wurde, ist die Firma, damals in französischer Hand, in Schwierigkeiten geraten. Zimmermann hat das Besteck und die Marke zurückgekauft, weil diese das Firmenlogo hatte: den markanten Bären. Jetzt macht die Sparte Gewinne.
Was lernt man aus der Weltraumfahrt für diese Firma?
Bei beidem ist viel Technologie dahinter.
Vom US-Unternehmen Boeing in die „Provinz“ zu Berndorf. Hatten Sie zu Beginn nicht manchmal Sehnsucht nach mehr Internationalität?
Berndorf Band GmbH, wo ich zunächst war, ist zwar klein, hat aber Kunden in der ganzen Welt und viel Hightech. Da fehlt gar nix.
Viele heimische Spitzenmanager warnen dennoch, dass uns in Europa China und die USA den Rang ablaufen werden. Meinen Sie das auch?
Sehr stark sogar. Statt neue Technologien zu entwickeln, werden wir hier in Europa mit administrativen Blockaden überhäuft – etwa mit der EU-Whistleblowing-Richtlinie oder den neuen EU-Nachhaltigkeitskriterien. Darüber müssen wir ab nun jährlich ein ganzes Buch als Dokumentation erstellen. Da fragt man sich schon nach dem Nutzen. In den USA hingegen gibt es den Inflation Reduction Act mit 700 Milliarden Dollar: Geld, das in Firmen investiert wird, damit sich diese weiterentwickeln.
Aber selbst ein so internationaler Konzern wie die Voest hat in Texas einen Bauchfleck hingelegt und das neue Werk wieder verkauft. Vielleicht ist Amerika doch nicht so "golden"?
Die Gründe dafür kenne ich nicht genau. Aber man spürt in den USA extrem stark dieses „onshoring“: Die Fertigung wird speziell aus Asien wieder nach Amerika zurückgeholt.
Was auch Teil des US-Wirtschaftskriegs gegen China ist.
Ja, und natürlich auch befeuert von Lieferkettenproblemen während Corona. In China wiederum verstehen sie gar nicht, warum unsere Preise um zehn oder 15 Prozent raufgehen – aufgrund der hohen Energiepreise.
Vertreibt das die Industrie aus Europa und Österreich?
Ja, es ist eine riesige Herausforderung, die Arbeitsplätze in Österreich zu halten. Vielleicht bleiben nur die Headquarters, weil es hier schön ist. Aber ich befürchte, dass man in Europa nicht mehr investiert.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Ich wünsche mir, dass die Lohnabschlüsse nicht mehr so hinaufgetrieben werden und dass den Mitarbeitern vom Lohn mehr bleibt. Außerdem wünsche ich mir eine Förderung von Technologien, die für den Planeten gesund sind. Es wird viel Geld ausgegeben, aber vieles läuft in die falsche Richtung. Man kann nicht nur auf E-Mobilität setzen. Andere Technologien, die der Umwelt viel eher helfen würden, werden stiefmütterlich behandelt. Zum Beispiel Wasserstoff: Da fährt der Zug an uns vorbei.
Zur Person
Seit 2020 ist Franz Viehböck (63) Vorstandsvorsitzender der Berndorf AG. Er war 1991 der erste (und bisher einzige) Österreicher im Weltraum. Danach arbeitete er für Boeing und wurde 2002 für Berndorf engagiert. Während seiner Boeing-Zeit erarbeitete Viehböck im Auftrag des damaligen LH Erwin Pröll ein Technologiekonzept für Niederösterreich. Im Zuge dieser Tätigkeit hatte der gelernte Elektrotechniker Berndorf-Besitzer Norbert Zimmermann kennengelernt.
Mit ihm gemeinsam spielt er noch jetzt in der werkseigenen „Berndorf Jazz Band“ - Zimmermann als Saxofonist, Viehböck am Klavier.
180 Jahre alt
Die Berndorf-Gruppe wurde 1843 gegründet. Einst gehörte sie zur Unternehmerfamilie Krupp, und stellte ursprünglich Besteck her – auch als K.-k.-Hoflieferant. Norbert Zimmermann, jetziger Hauptaktionär und ehemaliger Spitzenmanager, rettete das Unternehmen 1988 vor dem Konkurs und baute es zu einem internationalen Technologiekonzern aus. Zur Gruppe, die im niederösterreichischen Berndorf (Bezirk Baden) ihren Hauptsitz hat, gehören 60 Unternehmen der Metallverarbeitung, etliche sind in ihren Bereichen Weltmarktführer.
Berndorf ist in 20 Ländern mit 2456 Mitarbeitern vertreten und hatte 2022 einen Umsatz von 602 Mio. Euro.
Wasserstoff zu produzieren, ist aber sehr energiereich.
Das müsste natürlich nachhaltig und nicht über die Erdölschiene produziert werden. Der Elektro-Umbruch wird so, wie er geplant ist, nicht funktionieren. Dafür muss man die Netze stabilisieren, es bräuchte riesige Batterien, man müsste die Leitungen ausbauen, das dauert Jahrzehnte. Es geht auch nicht ohne Gas und ohne Atomkraft.
Letzteres ist ein Tabu bei uns.
Österreich ist in der glücklichen Lage, sehr viel Wasserkraft zu haben. Aber europaweit gibt es eine Notwendigkeit für Atomstrom.
Fehlt es auch an Risikofreude und Unternehmertum, wie es Norbert Zimmermann hat?
Solche Leute gibt es, aber werden sie nicht abgeschreckt? Etwa durch Strafen für Bürokratieverstöße, die bis zu 10 Prozent des Umsatzes gehen können. Das ist ja ein Wahnsinn! Außerdem: Ich unterstütze ein Start-up von TU-Wien-Studenten, die in Weltraumtechnologie investiert und ein kleines Satelliten-Triebwerk entwickelt haben. Aber die kommen in Österreich nicht weiter. Daher sind sie nach Amerika gegangen.
Sie haben zwei Jahre für Ihre Kosmonautenausbildung in Russland gelebt, was sagen Sie zur Entwicklung dort?
Das ist traurig. Meine russischen Freunde reden darüber nicht. Ich habe ja die letzten Züge des Niedergangs der Sowjetunion erlebt und danach den Aufbau Russlands. Im Herbst ’21 war ich das letzte Mal dort und baff über den Fortschritt. Und dann passiert der Krieg. Es bereitet mir Sorge, dass das eine Weltmacht mit Atombomben ist. Bei der internationalen Raumfahrtstation arbeiten Amerikaner und Russen trotz des Krieges zusammen. Darüber freue ich mich.
Hat Berndorf Geschäftskontakte zu Russland?
Ja, aber es ist zurückgegangen, und wir achten darauf, keine Sanktionen zu verletzen.
Hier in Berndorf nicht, weil sich der Wiener Speckgürtel immer weiter ausbreitet. Früher wollten die Leute in Wien arbeiten, jetzt sind sie froh, nicht nach Wien pendeln zu müssen. Einige arbeiten schon über Generationen hinweg bei uns.
Spüren Sie eine kommende Rezession?
Wir sind gut aufgestellt, weil wir mehrere, global tätige Betriebe haben. Bei ungefähr der Hälfte spüren wir ein Abflachen, das sich im Sommer auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert hat. Die Auftragslage ist im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent geringer. Aber wir haben gesagt: Wir bleiben in Berndorf mit unserem Headquarter – und auch mit der Produktion, wenn es geht.
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