Ein Chefsessel für den Chinesen

Ein Chefsessel für den Chinesen
BCG-Studie: Viele Firmen, die den Schritt nach Indien oder China wagen, sind schlecht vorbereitet.

Es klingt unglaublich, ist aber wahr: In China wurde in den Jahren 2000 bis 2011 mehr Beton verarbeitet, als in Europa im ganzen 20. Jahrhundert. „Dabei hatte Europa unter zwei Weltkriegen zu leiden und musste den Kontinent wieder aufbauen“, sagt Nikolaus Lang, Globalisierungsexperte der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) in München, im Gespräch mit dem KURIER.

Kein Wunder also, wenn nicht mehr die USA, sondern China als Land der unbegrenzten Möglichkeiten gilt. Die Expansion ins Reich der Mitte steht somit auf der Agenda vieler Firmen ganz oben. Allerdings klafft eine gewaltige Lücke zwischen Können und Wollen, ergab eine BCG-Studie (siehe Kasten unten). Die häufigsten Fehler:

Wenig Erfahrung

Wer seine Personalpolitik nicht gut vorbereitet, dürfe sich nicht wundern, wenn chinesische Mitarbeiter beim ersten Konkurrenzangebot weg seien, sagt Lang. Mängel sieht er freilich auch auf der Management-Ebene: „Es würde einigen österreichischen Mittelständlern nicht schaden, wenn sie in die Geschäftsführung einen Inder oder Chinesen einbringen.“

Fabriksklone

Das Produktionsmodell aus Österreich eins zu eins in China kopieren zu wollen, ist ein Irrweg. Die Fertigung kommt dann nicht billiger, sondern teurer: „Die Einzelstückkosten sind im Schnitt um 20 Prozent höher“, sagt Lang. Die Gründe: Anfangs sind die Losgrößen klein. Ohne Handarbeit gibt es wenig einzusparen, dafür häufen sich Qualitätsprobleme und Wartungskosten. Also biete es sich an, etwa Klebe- oder Schweißarbeiten per Hand statt von Robotern erledigen zu lassen.

Einzelkämpfertum

Um konkurrenzfähig zu sein, muss ein Unternehmen günstig einkaufen. Österreichische Mittelständler könnten sich aber selten Einkaufsbüros in der Türkei, Polen, China und Indien leisten. „Eine Möglichkeit sind Plattformen, die das Einkaufsvolumen bündeln, wie das japanische Firmen tun“, rät Peter Ullrich, Studien-Ko-Autor bei BCG.

Ferndiagnosen

Für Verhandlungen kurz nach Peking fliegen, das klappt nicht. „Ich muss vor Ort sein, um starke Beziehungen zu lokalen Kunden aufzubauen“, sagt Ullrich. Der Grazer Ingenieurdienstleister AVL habe sich so ein hervorragendes Netzwerk mit chinesischen Autoherstellern aufgebaut. Wer das Geschehen aus der Ferne beobachtet, läuft zudem Gefahr, lokale Rivalen zu unterschätzen.

Diese in Europa unbekannten Firmen sind in China, Indien oder Indonesien auf dem Vormarsch: „In den 1990ern und Anfang der 2000er haben multinationale Konzerne wie Siemens, VW, aber auch viele Österreicher den Großteil des Wachstums abgegriffen. Jetzt verlieren sie in fast allen Industrien Marktanteile an lokale Spieler“, sagt Lang.

Schlechte Organisation

Ein überraschendes Ergebnis der BCG-Studie: Am riskantesten ist die globale Expansion für größere Unternehmen mit Umsätzen von einer bis 10 Milliarden Dollar. Das Gros der heimischen Wirtschaft ist viel kleiner – und damit im Vorteil: „Kleine Unternehmen sind wendig, schnell, flexibel. Bei einer Kundenanfrage aus Indonesien können sie binnen einer Woche entscheiden“, sagt Ullrich. „Das ist eine Riesenstärke.“

Viele Österreicher spielen nur in Nischen, sind dort aber Weltklasse: „Diese Hidden Champions sind ganz klar die Gewinner der Globalisierung.“

Die Tipps der Experten: Überinvestieren in technologischen Vorsprung – „ohne diesen wird es nicht gehen“. Sich einen vollständigen Überblick über lokale Wettbewerber verschaffen. Und: überlegen, ob eine Premium-Strategie in 15 Jahren noch passt: „Das große Wachstum findet meist im niederpreisigen Segment statt.“

Für 72 Prozent der Unternehmen genießt Globalisierung hohe Priorität. Nur 10 Prozent sind sich aber sicher, alle nötigen Fähigkeiten zu haben: Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Globalization Capability Gap“ von Boston Consulting Group mit der IMD Business School in Lausanne, für die 362 Manager weltweit befragt wurden.

Gefangen in der Mitte

Mankos gibt es vor allem in der Firmenorganisation (nur 45 Prozent gut vorbereitet). Auch Geschäftsabläufe (46 Prozent), Führungsstrukturen (53 Prozent) und die Flexibilität (54 Prozent) sind Hürden. Vor allem gilt das für Unternehmen von 1 bis 10 Mrd. Dollar Umsatz: Die Kleineren sind flink und wendig; Großkonzerne verfügen über die nötige Routine.

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