"So kann keiner bauen": Baukrise trifft auch Deutschland voll
Im Zuge der Flaute am Bau ist die Zahl der Genehmigungen für neue Wohnungen im vergangenen Jahr auf den tiefsten Stand seit 2012 eingebrochen.
Die Behörde in Deutschland gaben grünes Licht zum Bau von nur 260.100 Wohnungen, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Dies ist im Vergleich zu 2022 ein Rückgang um 26,6 Prozent oder 94.100 Wohnungen. Teure Materialien und eine teure Finanzierung schrecken viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab.
Bei vielen Banken und Sparkassen brachen deshalb 2023 die Zusagen für neue Wohnungsbaukredite um 30 bis 40 Prozent ein. Baugenehmigungen gelten als Vorläufer für die Entwicklung der Baukonjunktur.Die Bundesregierung hat sich ursprünglich das Ziel von jährlich 400.000 Wohnungen gesetzt, um dem wachsenden Bedarf vor allem in den Großstädten zu begegnen. Sie dürfte das Experten zufolge aber auch 2024 nicht schaffen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung etwa geht davon aus, dass dieses Ziel mit etwa 265.000 Wohnungen erneut klar verfehlt wird. Nach Berechnungen der sogenannten Immobilienweisen fehlen in Deutschland bereits in diesem Jahr mehr als 600.000 Wohnungen. Bis zum kommenden Jahr steige diese Zahl auf 720.000, bis 2027 sogar auf 830.000, erklärte das Expertengremium jüngst.
"Befinden uns in tiefer Wohnungsbaukrise"
„Wir befinden uns in einer tiefen Wohnungsbaukrise“, sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel Gedaschko. Die Politik müsse rasch handeln. „Wir brauchen ein groß angelegtes Zinsförderprogramm für bezahlbaren Wohnungsbau – und zwar jetzt.“ Der sogenannte Bauüberhang könne derzeit nicht abgearbeitet werden.
„Denn die Realität ist eine lähmende Kombination aus anhaltend hohen Baukosten und Zinsen bei gleichzeitig fehlender Förderung“, betonte Gedaschko. „So kann aktuell fast keiner mehr bauen.“Auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sieht Bund und Länder am Zug. Sie müssten die Wohnungsnot ernst nehmen. HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller sieht aber auch bessere Voraussetzungen für eine Trendwende im Wohnungsmarkt als im vorigen Jahr.
Zum einen sei 2024 ein leichter Rückgang bei den Baukosten zu erwarten. Zum anderen seien zum Jahreswechsel die Hypothekenzinsen bei langen Laufzeiten bereits um 0,3 Prozentpunkte gefallen und zur Jahresmitte würden erste Zinsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet. „Die Branche benötigt jedoch weitere Investitionsanreize für mehr bezahlbaren Wohnungsbau.“ Dazu gehörten vor allem bessere Abschreibungsmöglichkeiten.In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden im Vorjahr 214.100 Wohnungen genehmigt und damit 29,7 Prozent weniger als zuvor. Rund 93 Prozent der Bauanträge für Wohnungen in neuen Wohngebäuden werden in Deutschland von Unternehmen und Privatpersonen gestellt. Auf Firmen entfielen 117.700 Genehmigungen und damit gut 20 Prozent weniger. Bei Privatpersonen gab es sogar einen Rückgang um 42,2 Prozent, während die Zahl der Baugenehmigungen, die auf Anträge der öffentlichen Hand zurückgehen, um 12,1 Prozent sank.
Bei Einfamilienhäusern gab es im vorigen Jahr laut Statistikamt einen Rückgang der Baugenehmigungen um 39,1 Prozent auf 47.600. Bei Zweifamilienhäusern wurde sogar ein Minus von 48,3 Prozent auf 14.300 Wohnungen registriert und bei Mehrfamilienhäusern ein Minus von 25,1 Prozent auf 142.600. Auch bei Nichtwohngebäuden wie Fabriken und Lagerhallen, Büro- und Verwaltungsgebäuden oder landwirtschaftlichen getrieben gingen die neuen Bauvorhaben 2023 deutlich zurück. Gradmesser der Bauaktivität ist hier der umbaute Raum. Dieser verringerte sich bei den Nichtwohngebäuden gegenüber 2022 um 15,7 Prozent auf 199,5 Millionen Kubikmeter und damit auf den niedrigsten Wert seit 2015. Dabei gab es bei Fabrik- und Werkstattgebäuden einen Rückgang um 17,0 Prozent, bei Warenlagern um 16,0 Prozent und bei Handelsgebäuden um 23,3 Prozent. Mit minus 20,9 Prozent gab es auch bei Büro- und Verwaltungsgebäuden 2023 erneut einen starken Rückgang.
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